Vegetariāner
oder
Vegetarier,
Menschen, die ihre Nahrung bloß aus dem
Pflanzenreiche entnehmen und zur Befriedigung
des Durstes nur Wasser trinken. Als erster
Apostel des Vegetarian
ismus gilt J. ^[John
Frank] Newton, der in dem
Buche «Return
to nature, or defence of vegetable regimen» (Lond. 1811) ähnliche Grundsätze
aufstellte. Die
Begründung einer Vegetarian
Society erfolgte 1847 zu
London,
[* 2] die unter dem Einfluß der
Schriften von
Alcott,
Sylv.
Graham, John
Smith und Charles
Lane auch bald
Anhänger in Nordamerika
[* 3] und anderwärts fand.
Die Vegetarianer
weisen besondere darauf hin, daß der
Mensch mit
ausschließlich vegetabilischer Kost auskommen könne, daß
sogar die kräftigen
Athleten
Griechenlands und
Roms nur Pflanzenkost zu sich nahmen. Erscheinungen aus dem Leben der
Tiere werden
ebenfalls angezogen, indem gerade die stärksten und zu nützlicher
Arbeit geeignetsten
Tiere die pflanzenfressenden Elefanten,
Pferde,
[* 4] Rinder
[* 5] seien. Dann werden nicht bloß zahlreiche Bibelstellen, sondern auch Aussprüche von
Philosophen, sowie einige
Sätze aus den
Schriften von Naturforschern, wie
Hyrtl,
Humboldt,
Cuvier u. a., angeführt; schließlich und vor allem zeigen
die Vegetarianer
auf ihr eigenes Wohlbefinden und gutes Aussehen hin. In gesundheitlicher Hinsicht halten sie den
Genuß des Fleisches wie
den der
Spirituosen für eine Veranlassung zur Erzeugung vieler
Krankheiten, die nur unter
dem Einflusse schlimmer Reizmittel entstehen.
Aus ethischen
Gründen verwerfen sie den
Fleischgenuß deshalb,
weil er etwas Stimulierendes, zur Leidenschaftlichkeit Anregendes
haben soll. Der ethische Standpunkt, der das
Töten der
Tiere um des
Fleischgenusses willen verwerflich findet, tritt besonders
hervor bei
Jean
Antoine Gleïzès in «Thalysie ou la nouvelle existence» Bde.,
Par. 1842; deutsch von R.
Springer, Berl. 1872). Auch wird von den Vegetarianer
die Zunahme von Laster und
Verbrechen der Wirkung des
steigenden
Fleischverbrauchs zugeschrieben. Zahlreiche Vegetarianer
sind zugleich erklärte Feinde des Pockenimpfens und
begeisterte Verfechter der Kaltwasserkur sowie der Naturheilkunde (s. d.).
In
Deutschland
[* 6] wurde 1869 namentlich durch die Bestrebungen Eduard
Baltzers (s. d.) ein deutscher
Verein
für naturgemäße Lebensweise gegründet, der ein eigenes «Vereinsblatt»
besitzt und zahlreiche Zweigvereine umfaßt. Einer der entschiedensten
Vertreter dieser
Richtung, der ehemalige Apotheker Theod.
Hahn
[* 7] in
Wald bei St.
Gallen, der in seinen
Schriften «Die naturgemäße Diät, die Diät der Zukunft»
(Cöthen
[* 8] 1859) und «Der
Vegetarian
ismus» (Berl. 1869) die Grundsätze der sog. «naturgemäßen
Lebensweise» versieht, legte in St.
Gallen
die erste vegetarian
ische Heilanstalt an.
Struve verknüpft in seiner
Schrift «Die
Pflanzenkost, die Grundlage einer neuen Weltanschauung» (Stuttg. 1869) vegetarian
ische
und socialistische Ideen. -
Vgl. Springer, Wegweiser durch die vegetarische Litteratur (2. Aufl., Nordh. 1880);
Vegetarische Warte, Monatsschrift für naturgemäße Lebensweise und Gesundheitspflege (Lpz. 1867 fg.).