Vangalam,
s. Bengalen.
3 Wörter, 23 Zeichen
s. Bengalen.
(Bengal), die größte und volkreichste der elf Provinzen, in welche das britisch-ostindische Kaiserreich geteilt ist (s. Karte »Ostindien«),
wird amtlich als Niederbengalen bezeichnet (the Provinces of Lower Bengal) und begriff bis 1834 auch die Nordwestprovinzen (s. d.), bis 1874 noch Assam (s. d.). Bengalen erstreckt sich von 19¼-28½° nördl. Br. und 82-97° östl. L. v. Gr. und grenzt im N. an die Himalajalandschaften Nepal, Sikkim und Bhutan, im O. an Assam und Birma, im S. an den Bengalischen Meerbusen, die Provinz Madras und die Zentralprovinzen, im W. an die Vasallenstaaten der Central India Agency und an die Nordwestprovinzen.
Der Flächeninhalt beträgt 500,247 qkm (9096 QM.) mit 69,536,861 Einw., wovon 405,391 qkm (7371 QM.) mit 66,691,456 Einw. unmittelbar unter britischer Verwaltung stehen, 94,856 qkm (1725 QM.) mit 2,845,405 Einw. Lehnsstaaten sind. Die Provinz begreift das große Delta des Ganges und Brahmaputra nebst dem untern Stromgebiet dieser mächtigen Gewässer. Die Ebbe und Flut erstreckt sich bis über Dacca hinaus. An den Mündungen des Ganges und Brahmaputra haben Ablagerungen der Flüsse die 130 km landeinwärts reichenden Sunderbands gebildet, die auf 15,469 qkm (281 QM.) geschätzt werden.
Früher mit Wald und Sumpfpflanzen bedeckt und fast ganz unbewohnt, werden dieselben seit den letzten Jahrzehnten immer eifriger kultiviert, so daß Reis und Zucker gewonnen, Palmbäume gezogen werden und nur die Küste trostlos blieb. Die Tiefebenen der Provinz, Behar und das obere Bengalen, gehören zu den fruchtbarsten Teilen Indiens. Die Hügel, welche die Ebene begrenzen, sind mit Dickichten bewaldet und enthalten gegen die Zentralprovinzen hin ausgedehnte Kohlen- und Eisenlager.
In der kühlen Jahreszeit (Dezember bis Februar) sind Nebel häufig, die Nächte feucht und so kühl, daß Eis noch in Dacca in möglichst vorsichtig aufgestellten Geschirren erhalten wird. Nordweststürme treten im Februar auf. In der heißen Jahreszeit wird die Hitze im untern Bengalen durch die Verdunstung der zahlreichen Flußverzweigungen etwas gemildert; im obern Bengalen ist dagegen die Luft trocken und von Mitte März ab sehr heiß, das Wetter dabei veränderlich und infolgedessen ungesund.
Die Regenzeit beginnt Mitte Juni; vorherrschend ist dabei Ostwind, dann schwellen die Flüsse, und große Überflutung tritt ein. Das untere Bengalen ist in dieser Zeit auf Strecken von 150 km Länge, 45-60 km Breite überschwemmt, so daß man den Lauf der Flüsse an vielen Stellen nur an den Linien von Bäumen erkennen kann, die dem Ufer entlang stehen. Im Herbst fällt in der Regel gegen Mitte Oktober reichlicher Regen; bleibt er (wie 1873) aus, so leidet die Reisernte, und es gibt ein Hungerjahr. Bengalen ist ein Hauptherd für die Cholera, die hier unter dem Einfluß der klimatischen Verhältnisse nur zu regelmäßig entsteht und ungeheure Opfer fordert; durchschnittlich kommt auf sie ein Viertel aller Sterbefälle. Die Viehzucht ist wie überall in Indien unbedeutend. Unter den reißenden Tieren ist besonders der Tiger zu nennen, eine Merkwürdigkeit sind die prachtvollen jagdbaren Tiere in den Dickichten.
Die Bevölkerung besteht in ihrem Kern aus eingewanderten Hinterindern vom Schan-Volk, durch arische Kolonisten ihrer Kultur und zu zwei Dritteln ihrer Religion, dem Hinduismus, gewonnen, während das andre Drittel, meist den untersten Schichten angehörig, zum Islam sich bekennt (nur 128,135 sind Christen). Dieser Volksstamm heißt von seinem Wohnplatz Bengali und zeichnet sich aus durch natürlichen Verstand, durch Sinn für Schulbildung und für die Vorteile der Tagespresse.
Die Berliner Akademie der Wissenschaften zählt mehrere Bengali, die als Orientalisten hervorragen, zu ihren Mitgliedern. Die Haut der Bengali ist dunkelfarbig und von fettigem Aussehen, der Körperbau zart. Sie pochen auf ihr Recht, prozessieren gern, sind mitleidig, aber nicht wahrheitsliebend. Über ihre Sprache s. Bengali. Von den Urbewohnern haben sich viele einzelne Stämme erhalten. Die Dichtigkeit der Bevölkerung ist stellenweise sehr groß, wechselt aber nach Distrikten. Rein ackerbauende Striche, größer als das Großherzogtum Oldenburg, sind im Durchschnitt von 14,000 Menschen auf der QMeile bewohnt, und einzelne Teile gehören zu den dichtest bevölkerten Landstrichen der Erde. Die Auswanderung, meist nach Britisch-Guayana oder nach Westindien, ist infolgedessen doppelt so groß wie in allen andern Gegenden Indiens, hat aber seit 1856 in keinem Jahr 25,600 überstiegen: 1870 betrug sie nur 9000. - Der Sitz der Regierung und zugleich Reichshauptstadt ist Kalkutta (s. d.). Das Gouvernement (Lieutenant-Governorship) umfaßt vier Provinzen (Bengal, Behar, Orissa und Tschota-Nagpur) und ist in acht regulierte und einen nicht regulierten Regierungsbezirk (divisions) eingeteilt; der Unterschied zwischen beiden besteht darin, daß die Verwaltung in den nicht regulierten Provinzen freiere Hand hat und nicht so streng an gerichtliche Formen gebunden ist.
Sämtliche Divisionen, die alle von Kalkutta ressortieren, da eigne Provinzpräsidenten nicht bestehen, zerfallen wieder in 45 Bezirke. Englische Einrichtungen sind in der Landes- und Justizverwaltung oft genau nachgebildet. Die Exekutive ist durch die Aussprüche der Gerichtshöfe beschränkt, die Polizeigewalt gering; die Lokalverbände dienen hauptsächlich Besteuerungszwecken. Die Verwaltungsbeamten jeden Ranges übersteigen 1200 wenig;
die Polizei zählt 19,447 Mann und Dorfwächter in der Zahl von 187,492. - Unter den Produkten steht Reis obenan;
man zählt hier 295 Abarten, und 1877 konnten während der Hungersnot in Südindien 17 Mill. Ztr. von Kalkutta meist nach Madras versandt werden;
Weizen wird in steigender Menge gebaut, dagegen ist
die früher blühende Indigokultur zurückgegangen. Baumwollanbau war bisher in Bardwan bedeutend, wurde aber in den letzten Jahren mit großem Erfolg auch in der Tarai längs des Himalaja versucht. Die Opiumproduktion in Behar war schon unter den Muselmanen als Monopol behandelt worden und blieb es unter der englischen Herrschaft; die Versteuerung wurde zuerst 1785 und zuletzt 1857 geregelt; seit 1853 hat sich der Ertrag mehr als verdoppelt. Thee wird im Himalaja gewonnen; die Kultur hat sich aber schon über Dacca und selbst Tschota u. Nagpur im SW. der Provinz ausgedehnt, 1883 wurden 6,2 Mill. Pfd. ausgeführt.
Sehr wichtig ist auch die Kultur von Jute (Dschute), Gambir (Präparat aus Nauclea Gambir), Betel etc., ebenso die Zuckerindustrie und die Seidenkultur. Spezialitäten sind die Lackfaktoreien und die feinen Daccamusseline, die, obgleich mit der Hand gewebt, in Feinheit des Garns Nr. 380 zählen und sowohl dem Auge als dem Gefühl viel feiner und zarter erscheinen als Maschinengewebe von weit größerer Feinheit des Garns (vgl. Watson, The textile manufactures of the people of India, 1866). Die Hafenorte sind: Kalkutta, Tschittagong, Balasor, Kattak und Puri, letztere drei in Orissa.
Kalkutta allein hat einen bedeutenden Verkehr; Tschittagong fängt an, sich zu heben. Wie sehr der Handel im Steigen begriffen ist, zeigen folgende Zahlen: die Aus- und Einfuhr wertete 1841: 274, 1865: 714, 1871: 1440, 1875 allein in Kalkutta zur See 1084, zu Lande 920 Mill. Mk. Die Steigerung der Produktion und die Fernhaltung von Hungersnotjahren wegen Trockenheit wird durch Bewässerungsanlagen angestrebt, welche insbesondere in Orissa und in Behar eine große Ausdehnung erhalten haben.
Die Hauptlinie der Eisenbahnen geht von Kalkutta direkt nach Behar mit einer Nebenlinie dem Ganges entlang; gegen O. ist eine Bahn vollendet bis Kuschtea und Golunda und jenseit des Ganges nordwärts fortgeführt bis zum Fuß des Himalaja. Dem Mangel an brauchbaren Seitenstraßen sucht das wichtige Gesetz von 1871 abzuhelfen, das die Ausgaben hierfür dem Distrikt überweist, und zu dessen Durchführung eine Einschätzung aller Grundbesitzer, einschließlich der Zeitpachter, stattfindet. - Die Einnahmen und Ausgaben betragen durchschnittlich 350 Mill. Mk. im Jahr.
Die Grundabgabe ist im größten Teil der Provinz als eine ewig unveränderliche Abgabe auferlegt; doch ist die Regierung ernstlich bemüht, diesen Mißgriff durch Zuschläge einigermaßen gutzumachen. Das »Bengal Army« genannte Armeekorps zählt 38,000 Europäer, 55,700 Eingeborne, 18,500 Lokaltruppen; hiervon stehen aber in der Provinz nur 12,000 Mann, der Rest liefert die Garnisonen bis nach Afghanistan. Der Erziehung dienen 1 Universität zu Kalkutta, 1833 Mittelschulen, 38 Schullehrer-Bildungsanstalten und Elementarschulen mit zusammen 357,233 Schülern, darunter rund 6000 Mädchen. Bengalen nimmt in Beziehung auf Schulbildung unter den Provinzen Indiens die vierte Stelle ein, von der über 5 Jahre alten Gesamtbevölkerung können nur 9 Proz. lesen und schreiben. Der Religion nach bekennt sich das Volk zum Brahmanismus, zum Islam und in dem Distrikt Dardschiling zum Buddhismus. Die Missionäre haben wenig Erfolge aufzuweisen (s. oben); um so größere Bedeutung kommt der brahmanischen Reformbewegung zu, an deren Spitze Keschub Tschader Sen als Vorstand der Brahmo Somadschi ^[richtig: Brahmo Samadschi; Stichwort Brahmo Samadsch] (s. d.) steht.
Bengalen stand bis 1203 unter Hindu-Radschas, und die Hauptstadt des Landes war gegen das Ende dieser Dynastie wie unter den Muselmanen das jetzt zerstörte Gaur unterhalb Radschmahal am Ganges, mit mehr als 600,000 Einw. Dann folgten die Afghanensultane, bis Akbar 1573 Bengalen seinem Reich mit der Hauptstadt Dehli einverleibte. Im J. 1656 erhielten die Engländer die Erlaubnis, hier Handel zu treiben; 1682 wurde die Präsidentschaft konstituiert, 1773 der Präsident von Bengalen zum Chef der Verwaltung in ganz Indien ernannt und Kalkutta zur Reichshauptstadt erhoben.
Vgl. außer den jährlich erscheinenden amtlichen »Reports on the Administration of Bengal« besonders: Barton, Bengal (Lond. 1874);
Hunter, Statistical account of Bengal (das. 1875, 5 Bde.);
Dalton, Descriptive ethnology of Bengal (Kalkutta 1872; deutsch von Flex, Berl. 1875);
E. Schlagintweit, Indien (Leipz. 1881).