Titel
Urtiere
(Protozoa), jene niedersten und einfachsten Organismen, die in ihrem Körper keinerlei Gewebe [* 2] und Organe besitzen, vielmehr ihr Leben lang niemals über die Stufe der einzelnen Zelle [* 3] (s. d., II.), die alle Funktionen des Lebens besorgen muß, sich entwickeln, und sich nicht selten nicht einmal bis zu dieser Stufe erheben (einige Wurzelfüßer, s.d.). Solche niedrigst stehende Wesen, Cytoden genannt, sind dann in der That nichts als Klümpchen nackten Eiweißes, aber begabt mit denselben Fähigkeiten, die auch die höchsten Organismen besitzen und die als die Merkmale des Organismus gelten: Nahrung aufzunehmen und sie in Körpersubstanz umzusetzen (zu assimilieren), zu wachsen und sich fortzupflanzen.
Diese Fortpflanzung geschieht in den meisten Fällen durch einfache Teilung, die unter denselben innern Veränderungen zustande kommt, wie es bei den Gewebezellen der höhern Tiere der Fall ist. (S. Zelle.) Das bis zu einer gewissen Größe herangewachsene Tier bekommt, nachdem der Kern bereits vorher unter Bildung sog. Kernfiguren in zwei Hälften zerfallen ist, eine Einschnürung, die sich vertieft und schließlich zum völligen Zerfall in zwei Teilstücke führt.
Nach öfter wiederholter Teilung muß eine Konjugation stattfinden, ein Prozeß, der jedenfalls dem der Befruchtung [* 4] bei den geschlechtlich unterschiedenen Tieren entspricht. Zwei Individuen legen sich mit ihren Flächen aneinander, wobei ein Austausch von Stoffen stattfindet; nach geschehener Konjugation gehen die Tiere wieder auseinander, oder sie verschmelzen vollkommen, und eine neue Periode reger Teilung beginnt. Viele scheiden zuweilen feste Kapseln [* 5] um sich herum ab, unter deren Schutze die gesamte Körpermasse in eine größere oder geringere ¶
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134 Anzahl von Teilstücken (Sporen) zerfällt, die später aus der Kapsel ausschwärmen und zu neuen Tieren heranwachsen. Die sind fast ausnahmslos mikroskopisch klein und leben größtenteils im Wasser, nur einige wenige parasitisch in andern Tieren. Viele von ihnen nähern sich in Aussehen und Lebensweise dermaßen den niedrigst stehenden, einzelligen Pflanzen, daß bei ihnen eine sichere Unterscheidung, ob Tier oder Pflanze, nicht zu geben ist (hierher gehören besonders die Flagellaten, Volvocinen und Schizomyceten), ein Umstand, der Haeckel zur Aufstellung eines besondern Zwischenreichs der Protisten (vgl. E. Haeckel, Das Protistenreich, Lpz. 1878) Veranlassung gab.
Indessen ist damit nicht viel gewonnen, da an Stelle der früher einfachen Grenze nunmehr die ebenso unsichere
Unterscheidung der Protisten von Pflanzen und Tieren tritt. Man scheidet die gegenwärtig in I. die Wurzelfüßer (s. d., Rhizopoda)
und II. die Aufgußtierchen (s. d.), Infusorien (Infusoria) mit der ersten Unterklasse
der Geißeltierchen (s. d., Flagellata), zu denen die Monadinen gehören, mit
der im menschlichen Darm
[* 7] schmarotzenden Cercomonas intestinalis Lampe.
[* 8] (s. Tafel: Urtiere
,
[* 6]
Fig. 1), der in der Scheide menschlicher
Weiber vorkommenden Trichomonas vaginales Donne
[* 6]
(Fig. 2), und mit Trichomonas batrachorum Perty (Fig. 4) und Megastoma entericum
Grassi
[* 6]
(Fig. 3). Ferner gehören hierher die Astasiinen mit Euglena viridis Ehrenb.
[* 6]
(Fig.
5) und die Choanoflagellaten mit Codosiga botrytis Ehrenb.
[* 6]
(Fig. 15). Zu den Cystoflagellaten gehören
die Leuchttierchen (z. B. Noctyluca miliaris Surr.,
[* 6]
Fig. 14). Die zweite Unterklasse wird von den Wimperinfusorien gebildet.
Sie besteht aus folgenden Ordnungen:
1) Holotricha, der Körper ist gleichmäßig mit Wimpern bedeckt, die von geringerer Länge als der Körper selbst sind und in regelmäßigen Reihen stehen. Zu ihnen zählt Opalina ranarum Stein [* 6] (Fig. 6) aus dem Mastdarm des Taufrosches.
2) Heterotricha, Körper gleichmäßig mit feinen, in Reihen stehenden Wimpern bekleidet, um den Mund eine Zone stärkere Wimpern. Hierher Balantidium coli Malmst. [* 6] (Fig. 7) aus dem Dickdarm des Menschen, Stentor Roselii Ehrenb. [* 6] (Fig. 8) und Freya ampulla Clap. et Lachmann [* 6] (Fig. 9). 3) Hypotricha, Rücken- und Bauchfläche verschieden, erstere meist nackt, letztere bewimpert, flach, oft mit haken- und stilettartigen Bildungen besetzt, z. B. mit Stylonychia mytilus Ehrenb. [* 6] (Fig. 10) und Aspidisca lyncaster Ehrenb. [* 6] (Fig. 11). 4) Peritricha, mit glockenförmigem und teilweise bewimpertem Körper, Wimpern oft am Rande einer Mundscheibe. Hierher das Glockentierchen (Carchesium polypinum Ehrenb. [* 6] (Fig. 12). 5) Suctoria, ohne Wimpern mit Saugröhren in Gestalt geknöpfter Fortsätze; hierher Podophyra gemmipara R. Hertw. [* 6] (Fig. 13).