Urirotstoc
kgruppe
(Kt. Uri und Unterwalden). Prächtige Gebirgsgruppe zwischen Reussthal-Urnersee und Engelbergerthal. Sie wird begrenzt: im S. und SO. durch den Muldenzug der Surenenalp und des Gitschenthals, im N. durch den Schoneggpass und das Isenthal, im W. und O. durch die parallelen Querthäler der Engelberger Aa und der Reuss. Sie erfüllt so ungefähr ein gleichschenkliges Dreieck, dessen Schenkel durch die N.- und S.-Grenze und dessen Grundlinie im W. durch das Querthal der Aa gegeben ist.
Von allen
Seiten her repräsentiert sich diese Gruppe als eine stolze Gebirgsfeste, welche fast ringsum mit gewaltigen Kalkflühen
aus den sie umgebenden Thalgründen emporsteigt und an ihren
Ecken durch imposante Felstürme flankiert ist.
Die Gruppe besteht zunächst aus zwei Hauptwällen, der S-förmig gebogenen Brunnistockkette im
S. und der mehr geradlinigen
Urirotstoc
kkette im N., welche beiden an der Stelle ihrer grössten Annäherung durch die kurzen Querrippen des
Wissigstockes
und des
Schlossstockes rostförmig miteinander verbunden sind.
Der N.-Kette ist gewissermassen als ein Vorwerk die parallel verlaufende Kaiserstuhlkette vorgelagert, von welcher aber die Erosion nur noch Trümmer übriggelassen hat. Die Brunnistockkette begleitet von SW. nach NO. in einer ununterbrochenen, 500-1000 m hohen Felsenmauer von Engelberg bis ins Reussthal die Surenenmulde und das waldige Gitschenthal. Ihre Hauptgipfel sind, von SW. angefangen der wundervoll terrassierte Hahnen (2611 m) bei Engelberg, der kühngeschwungene Bogen des Stotzigberggrats mit dem Stotzigberg (2745 m), der vergletscherte Wissigstock (2889 m); dann der Blackenstock (2952 m), der höchste Gipfel der ganzen Gruppe, aus dessen S.-Flanke die Erosion eine wahre Orgel von Nadeln, Zacken und Türmen heraus-modelliert hat, endlich die schwer zugänglichen Gitschenstöcke, deren nordöstlichster Vorposten mit seiner kecken prismatischen Felsmütze eine Charakterfigur im Gebirgskranz des Urnersees bildet.
Die nördl. Randkette hebt im W. an mit der massigen, fast unnahbaren Felsenburg der Wallenstöcke (2575 m), des Rigidalstocks (2595 m) und des Sättelistocks (2644 m), welch letzterer mit einer gegen 500 m hohen, nahezu senkrechten Felswand gegen die Plankenalp abstürzt; dann setzt sie sich in fast gerader Linie fort nach dem Lauchern und dem abschreckend wilden Ruchstock (2812 m), der nächst dem Urirotstock wohl das schönste Panorama in der ganzen Gruppe darbietet. Es folgen die schmalen Gräte des Oberbergs und des Hasenstocks, sowie die tiefe Scharte des Rotgrätli (2560 m), worauf die Kette sich wieder emporschwingt zum Engelberger Rotstock (2820 m), dem Zwillingsbruder seines mächtigen östlichen Nachbarn, des Urirotstocks (2932 m), einer der schönsten und imposantesten Berggestalten des Kantons Uri und der ganzen Zentralschweiz.
Zwischen diesen beiden Hauptpfeilern hat die Erosion in die bis hier ganz geschlossene Gebirgsmauer eine breite Bresche gerissen, sodass die Firnbecken des Schlossstocks und der Blümlisalp über den steilen N.-Abfall des Gebirgssockels hinausfluten. Vom Urirotstock aus biegt die Kette über den Schlieren (2830 m) scharf nach N. ab und sinkt dann rasch in die Tiefe, um sich durch den nur noch 1911 m hohen Sassigrat und den Kulm mit der nördl. vorgelagerten Kaiserstuhlkette zu verknüpfen.
Der Anfang dieser dritten Kette liegt am N.-Fuss der Wallenstöcke, verrät sich bloss durch eine Reihe scharf nach N. vorspringender Riffe (Wallenegg, Oberfeld) und bildet sodann den mauergleich aufsteigenden N.-Rand des Bannalper Beckens. Ostwärts tritt sie rasch in markanter Weise hervor im sog. Biet und erhebt sich bald zum breitschultrigen schönen Gipfel des Kaiserstuhls (2401 m). Die östl. Ausläufer, Oberalpgrat und Bärenstock (2174 m) entfalten alle Reize des Kreidegebirges: scharf zersägte, von Felsenfenstern durchbrochene Gräte, begleitet von sanften Alpterrassen, welche ihrerseits wieder schroff zu den tiefen Thalgründen des Isenthals abstürzen. Im «Kulm» springt die Kette auf die rechte Seite des Isenthals über, wird ¶
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dann abermals, vom Kleinthal, einem in gerader Richtung vom Urirotstock herabsteigenden Seitenthal des Isenthales, durchbrochen und schmiegt sich endlich im Scharti bei Isleten eng an den Gitschenstock, den östl. Ausläufer der Brunnistockkette an.
Der Raum zwischen den beschriebenen Randketten wird erfüllt von einem Hochplateau, welches durch die Querrippen des Wissigstocks
oder Schlossstocks in drei Becken gegliedert wird. Dieser bedeutenden Massenerhebung und der Geschlossenheit ihrer Randketten
verdankt die Urirotstoc
kgruppe trotz der relativ mässigen Gipfelhöhen einen reichen Firn- und Gletscherschmuck. Am bedeutendsten
sind der vom Wissigstock nach W. gegen das Griessenthal herabsteigende, plateauförmige Griessengletscher und der herrliche
Blümlisalpfirn zwischen Schlossstock, Blackenstock und Urirotstock, der seine Eismassen über eine 200 m
hohe Felswand hoch über dem Hintergrund des Grossthals hinausschiebt, sodass sie in mächtigen Blöcken abstürzen, um unterhalb
der Abbruchstelle wieder zu einer zusammenhängenden Gletscherzunge zu verschmelzen. Endlich über dem grandiosen Felsenzirkus
des Kleinthals der Kleinthalfirn, dessen schimmernder Glanz sich in den Wellen des Urnersees spiegelt.
Ausgangspunkte für Touren in der Urirotstoc
kgruppe sind die Ruckhubelhütte (2305 m) ob Engelberg, die Blackenalp am Surenenweg,
die Bannalp im N., die Biwald- und Hangbaumalp im Isenthaler Grossthal, die Musenalp und Wangbergalp im Kleinthal und die Gitschenalp.
Für weitere Angaben vergl. den Führer durch die Urneralpen des A. A. C. Zürich
(Bd II, 1905). - Dübi, H. Hochgebirgsführer
durch die Berner Alpen. Bd IV. Bern
1908.