Uri
28 Seiten, 25'398 Wörter, 182'893 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Uri
Uri,
einer der drei schweizer. Urkantone, grenzt im O. an Glarus und Graubünden, im S. an Tessin, im W. an Wallis und Unterwalden, im N. an Schwyz und hat ein Areal von 1076 qkm (19,5 QM.). Das Ländchen bildet ein mit Hochgebirgen umrahmtes, nur unten offenes, streng gesondertes Hauptthal mit Nebenthälern. Die Gebirge der Westseite gehören dem östlichen Flügel der Berner Alpen an: Dammastock (3633 m), Sustenhorn (3511 m), Titlis (3239 m), Uri-Rothstock (2932 m), während die der Ostseite: Crispalt (3080 m), Piz Tgietschen (3300 m), Tödi (3623 m) u. a., im Zug der Glarner Alpen liegen.
Beide
Systeme verknüpft die Gotthardgruppe im S., wo die drei fahrbaren Übergänge des St.
Gotthard (2114
m), der
Furka (2436
m) und der
Oberalp (2052 m) zu den Nachbarkantonen überleiten. Ein wilder Felskamm, am
Vierwaldstätter See
mit dem
Axenberg endend, trennt Uri
von dem schwyzerischen Muotathal; über diesen Zug
führt der rauhe
Kinzigpaß. So eingerahmt, bildet Uri
das enge, rauhe
Thal
[* 2] der obern
Reuß,
[* 3] dessen Oberstufe das waldlose, alpengrüne
Ursern
ist, während zum eigentlichen Uri
eine
Menge Nebenthäler sich
seitlich öffnen: von der
Linken das
Göschenen- und das Mayenthal,
von der
Rechten das Maderaner und das Schächenthal (s.
Reuß,
Fluß).
Das Klima [* 4] ist im ganzen das rauhe der Gebirgsschweiz, erst im tiefern Reußthal mild. Im Hospiz des St. Gotthard (2100 m) beträgt das Jahresmittel -0,6° C., in Andermatt (1448 m) 3°, in Altorf (454 m) 9,4° C. Der Kanton [* 5] zählt (1888) 17,285 Einw. Die Urner sind ein durchaus katholisches Völkchen deutschen Stammes (nur 392 Nichtkatholiken), ruhig, friedlich, wenig intelligent und fest am Althergebrachten hängend. Das Ländchen ist dem Bistum Chur [* 6] zugeteilt; noch bestehen drei Klöster.
In der Rinderzucht (12,193 Stück) beruht die Hauptkraft des Landes. Guter Käse, ebenso Häute, Talg und Butter kommen zur Ausfuhr; Ziegen (10,891) und Schafe [* 7] (10,324) sind in großer Menge vorhanden, weniger Schweine. [* 8] Auch Holz [* 9] bildet einen namhaften Ausfuhrartikel, ebenso Kirschwasser und Enzianbranntwein. Der Feldbau ist unbedeutend, Weinbau unbekannt. Einen großen Transit, dem einst die Gotthardstraße diente, besorgt in erhöhtem Maß die Gotthardbahn.
Dazu ist Uri
ein
Land der Touri
stenwelt und der
Kurorte, vom
Seelisberg bis nach
Ursern hinauf, wo zwei große
Routen sich kreuzen.
Amsteg und
Ursern sind die Hauptplätze eines uralten
Handels mit
Bergkristallen und andern
Mineralien.
[* 10] Dem
konservativen
Sinn der Bewohner entsprechen der niedere
Stand des
Schulwesens, die geringe Bedeutung der öffentlichen
Bibliotheken
(im ganzen kaum 10,000
Bände), der Mangel aller humanitären
Institute sowie die
Opposition gegen fortschrittliche
Bestrebungen.
Auf der Primarstufe zählt man 50
Lehrer und über 2200
Schüler, auf der Sekundarstufe 5
Lehrer und 60
Schüler. Uri
bildet eine
der
Landsgemeinde-Demokratien der
Schweiz.
[* 11]
Laut der
Verfassung vom steht der
Landsgemeinde die
Legislative zu wie auch
die
Entscheidung über alle
Staatsverträge und
Konkordate, die Festsetzung der Landsteuer und die Bewilligung
der
Staatsanleihen. Das legislatorische
Organ des
Volkes ist der
Landrat, der von den
Gemeinden, je ein Mitglied auf 400 schweizerische
Einwohner, auf je vier Jahre erwählt wird.
Die
Landsgemeinde wählt, ebenfalls auf vier Jahre, den
Regierungsrat, d. h. die aus sieben Mitgliedern
bestehende oberste
Exekutive, deren Leitung dem
Landammann übergeben ist. Das Kantonsgericht, der oberste
Gerichtshof des
Landes,
zählt neun Mitglieder und wird auf vier Jahre ernannt. Der
Kanton zerfällt in 20 politische
Gemeinden; die
Einteilung in die
zwei
Bezirke Uri
und
Ursern ist gefallen.
Ursern ist lediglich ein besonderes Kreisgericht und die selbständige
Verwaltung der Korporationsgüter zugestanden.
Hauptort des
Kantons ist
Altorf (s. d.). Die Staatsrechnung für 1887 ergibt an
Einnahmen 304,202
Frank, an
Ausgaben 293,389
Fr.;
Ende 1887 betrugen die
Aktiva des
Kantons 144,028, die Passiva 1,046,972
Fr., was eine Landesschuld von 1,191,000
Fr. ergibt,
die hauptsächlich von der Beteiligung des
Kantons an der
Gotthardbahn herrührt. Geschichte. Das
Thal Uri
wurde
von
Ludwig dem
Deutschen 853 der von ihm gestifteten Fraumünsterabtei zu Zürich
[* 12] geschenkt. Dadurch gelangte Uri
unter die
Gewalt der
Reichsvogtei von Zürich.
Nach dem Aussterben der
Zähringer, welche dieselbe besessen hatten (1218), verlieh
Friedrich II. die hoheitlichen
Rechte über den Habsburgern; aber schon 1231 erwirkten sich die
Urner von seinem Sohn König
Heinrich (VII.)
die Reichsunmittelbarkeit, welche ihnen 1274 auch von
Rudolf von
Habsburg bestätigt wurde.
¶
Dennoch fühlten sie sich von seiten Österreichs bedroht und schlossen mit Schwyz
und Unterwalden das ewige Bündnis vom Im
J. 1309 empfing Uri
von Heinrich VIII die Bestätigung seiner Reichsfreiheit, wurde aber von Friedrich dem Schönen 1315 mit
Schwyz
und Unterwalden in die Acht erklärt und half den Sieg bei Morgarten erfechten (über die Sage von Tell und
Geßler s. d.). Die Rechte der Abtei und der übrigen Grundherren wurden nach und nach losgekauft. Reibereien zwischen Uri
und
Mailand
[* 14] führten seit 1403 zu einer Reihe von Feldzügen, deren Resultat die Erwerbung des Leventinathals als eines urnerischen
Unterthanenlandes war (1440). In der Reformationszeit schloß sich Uri stets der streng katholischen
Politik von Schwyz
und Luzern
[* 15] an. Nur unwillig fügte es sich der helvetischen Verfassung von 1798, welche es mit Schwyz,
Unterwalden und Zug
in einem
Kanton Waldstätten verschmolz. 1799 wurde das Thal durch einen Aufstand, den Soult mit großem Blutvergießen
dämpfte, dann durch die Kämpfe der Franzosen unter Lecourbe und Loyson mit den Österreichern und hernach der Russen unter
Suworow in eine Wüste verwandelt.
Nachdem die Mediationsakte 1803 Uri wieder als selbständigen Kanton, aber ohne das Livinenthal, hergestellt, nahm es stets Anteil an den Sonderbestrebungen der ultramontanen Kantone und machte im Sonderbundskrieg einen siegreichen Einfall in sein früheres Unterthanenland Tessin, kapitulierte jedoch nach dem Fall von Luzern Am gab sich Uri seine erste Verfassung, die es 1888 revidierte. Nachdem durch die eidgenössische Volksabstimmung vom das Verbot der Todesstrafe aus der Bundesverfassung entfernt worden, war Uri der erste Kanton, der dieselbe wieder einführte.
Vgl. Schmid, Geschichte des Freistaats Uri (Zug 1788-90, 2 Bde.);
Im Geographisches Lexikon der SCHWEIZ, 1902
Kanton der schweizerischen Eidgenossenschaft, in der offiziellen Reihenfolge der Kantone der vierte.
Der Kanton Uri ist mit 1076 km2 Flächeninhalt das 11., mit 19700 Einwohnern (18 auf 1 km2) das 22. oder volksärmste Glied des schweizerischen Bundesstaates. Er liegt zwischen 8° 24' 22" und 8° 57' 52" OL. von Greenwich und 46° 59' 41" und 46° 31' 47" NBr. Von der Mitte des Vierwaldstättersees zwischen Brunnen und Treib erstreckt sich der Kanton als durchschnittlich 20-38 km breiter Streifen in südl. Richtung 50 km weit bis zu den Wyttenwasserstöcken, deren südlichster (auf der Siegfriedkarte nicht kotierter) Punkt einen Dreiländerstein zwischen Uri, Wallis und Tessin bildet. Der ganze Kanton liegt also - die Grenzberge zwischen Schwyz und Uri nicht gerechnet - im zentralen Gebiet der Hochalpen.
Der Kanton grenzt nur an Schweizerkantone, und zwar sind die Hauptpunkte der Abgrenzung folgende: Im N. läuft die Grenze von Uri und Schwyz von der Höhe von Folligen bis Sisikon in der Seemitte, wendet sich dann in einem rechten Winkel östl. gegen Riemenstalden, dem rechten Ufer des Dorfbaches folgend;
biegt bei Kirchrüti wiederum rechtwinklig ab bis zum Rossstockgipfel (2463 m), folgt von da der Kaiserstockkette bis zum Blümberg, steigt gegen die Seenalp hinunter und umfasst diese und das Galtenebnet, sowie die Ruosalp bis zum Glatten (207 m), um dann nordöstl. beim Scheienberg (2609 m) an die Glarnergrenze anzuschliessen.
Das ganze Gebiet zwischen Rossstock und Glatten liegt auf der N.-Abdachung der Schächenthaleralpen, der natürlichen Grenze (Wasserscheide) von Schwyz und Uri. Die Grenzvermarchung am Glattenstock gegen die Jägernstöcke hin ist noch immer nicht bereinigt, was schon wiederholt zu Unannehmlichkeiten zwischen Jägern und Wildhütern geführt hat. Schon 1350 wurde zwischen Schwyz und Uri eine Grenzausscheidung vorgenommen, die sich aber im Lauf der Zeit als ungenügend herausstellte, so dass da und dort Differenzen entstanden, so u. a. auch bei Riemenstalden (jetzt beigelegt).
Eine Begehung der Grenze wurde auf das Jahr 1906 beschlossen, ist aber erst 1908 zum Teil erfolgt. Auch gegen die Glarnerseite greift der Kanton Uri bedeutend über die natürliche Grenze (Klausenpasshöhe) hinaus, indem er den Urnerboden oder Ennetmärcht, die schönste Alpweide der Schweiz, sein Eigen nennt. Ein uralter Grenzstreit betr. diese Alp wurde am geschlichtet (Sage vom Urner und Glarner Läufer und dem Hahn; vergl. den Art. Ennetmærcht). Er datiert aus dem 9. oder 10. Jahrhundert und war ein erstesmal schon 1003 vom Herzog Rudolf von Schwaben entschieden worden.
Der älteste Marchbrief über den Urnerboden stammt aus 1196 und trägt das Siegel des Pfalzgrafen Otto von Burgund. Die Grenze senkt sich vom Scheienberg südwärts gegen die unterste Wang, steigt aber über dem Fätschbach den Abhang wieder hinan (östlichster Punkt: Mättli mit 2020 m), wendet sich südwestl. bis zum Klaridenstock, dann südl. bis Catscharauls (3062 m), wo sie auf Graubündner Gebiet stösst. In südwestl. Hauptrichtung fortlaufend berührt sie, der Wasserscheide folgend, den Piz Cavardiras (2965 m) und Oberalpstock (3330 m), die Krüzlipasshöhe (2350 m) und den Piz Sumval (2983 m), von wo sie sich direkt nach S. wendet, um über den Six Madun oder Badus (2931 m) zu ziehen und beim Piz Alv (2771 m) auf den Kanton Tessin zu stossen. Auf dieser Strecke senkt sie sich beim Oberalppass bis auf 2048 m.
Gegen den Tessin hin zieht sich die Grenze bis zum Piz Orsino und Hofstettergrat in vorwiegend westl. Richtung (grössere Ausbuchtung bei Piz Giubing, 2770 m) und dann südl. bis zum Wyttenwasserstock (südlichster Punkt). Sie nimmt ihren Weg über den Pizzo Centrale (3003 m) und steigt dann an die Gotthardreuss nieder, die sie bei Punkt 1914 m überschreitet. Wie es kommt, dass die Urner hier nicht bis zur Wasserscheide vordrangen, lässt sich daraus erklären, dass diese Alpen von Alters her von den Leuten aus Airolo, bezw. den Bewohnern des Bedrettothales genutzt wurden. Während die Grenze auf Bündnerseite das romanische Sprachgebiet berührt, trifft sie hier im S. auf das italienische, und fast überall treten hier die Bezeichnungen von Bergen und anstossenden Alpen in beiden Sprachen auf. ¶
Lief. 253.
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebrüder Attinger, Neuenburg.
^[Karte: 6° 20’ O; 46° 50’ N; 1:280000]
Einwohner per km2.
░ 1-25
▒ 25-50
▓ 100-150
▐ 200-300
░ 300-500
▒ mehr als 500
ATTINGER, SC.
KANTON URI ¶
Die westl. Grenzlinie von Uri gegen Wallis, Bern und Unterwalden verläuft, abgesehen von grossen Ein- und Ausbuchtungen, der Hauptrichtung nach gerade gegen N. und berührt auf ihrem Weg die Furkapasshöhe (2436 m), wo die endgiltige Grenzregulierung zwischen Wallis und Uri erst 1903 erfolgt ist. Dann verläuft die Grenze über Furkahorn (3028 m), Galenstock (3597 m), Tiefenstock (3513 m), Rhonestock (3603 m), Dammastock (3633 m) und Schneestock (3608 m) bis zum Eggstock (3556 m), einem «Dreiländerstein», wo sie auf Bernergebiet trifft.
Jetzt folgt sie inmitten riesiger Schnee-, Firn- und Gletscherfelder der Wasserscheide über Thierberg, Sustenhorn, Sustenpass (2262 m), Heuberg, Grassen (von hier an gegen Unterwaldnergebiet) und Wichelplankstock bis zum Punkt 2857 m (Gipfel ohne Bezeichnung), um sich dann gegen die Nieder Surenenalp (1260 m) zu senken, das Aawasser zu überschreiten, den Grosswald zu umrahmen und wieder zum Stotzigberggrat hinan zu steigen. Die Surenenalp bildete lange Zeit einen Zankapfel (Grenzstreitigkeiten von 1275, 1309 und 1356) zwischen dem Kloster Engelberg und Uri. Auch hier gewann dieser Stand nach blutigen Kämpfen und zähen Verhandlungen ein Gebiet, das jenseits der natürlichen Grenze (Surenenpass, 2305 m) liegt.
Weiter nördl. folgt die Grenze dem Wissigstock (2888 m), Engelberger Rotstock (2822 m), Ruchstock (2812 m), Kaiserstuhl (2401 m), Brisen (2408 m), Schwalmis (2250 m), Ober Bauenstock (2121 m) und Nieder Bauenstock (1927 m), um dann den Grat zu verlassen, zwischen Stützberg und Zingelberg hindurch dem Spreitenbach entlang sich zu senken und an dessen Einmündung in den See zwischen Bitzi und Folligen zu endigen. Soweit die Grenze der natürlichen Bodengestaltung (Bergrücken, Grat, Gipfel, Fluss, Bach, See) folgt, sind keine besondern Merkzeichen angebracht, wo sie aber eine Strasse oder einen Pass durchschneidet, befinden sich granitene March- oder Grenzsteine. Den höchsten Punkt der Grenze bildet mit 3633 m der Dammastock, den tiefsten mit 437 m der Spiegel des Vierwaldstättersees.
Von der Gesamtfläche von 1076 km2 sind 477 km2 (44,4%) produktiver und 599 km2 (55,6%) unproduktiver Boden. Uri hat demnach die ungünstigsten Bodenverhältnisse von allen Kantonen der Schweiz und steht um rund 30% unter dem Gesamtmittel des produktiven (74,8%) und um 30% über demjenigen des unproduktiven Bodens (25,2%). Dieses Missverhältnis erklärt auch zum grössten Teil, dass Uri von allen Kantonen der Schweiz die kleinste Einwohnerzahl und ausser Graubünden auch die geringste Volksdichte (18 Ew. per km2) hat. Das Areal verteilt sich wie folgt:
km2 | |
---|---|
Waldungen | 115.15 |
Garten-, Wiesen- und Weideland | 361.85 |
Gletscher | 115.00 |
Felsen und Schutthalden | 457.50 |
Seen, Flüsse und Bäche | 23.50 |
Bahnlinien, Strassen und Wege | 2.00 |
Ortschaften und Gebäude | 1.00 |
[Prof. G. ab Egg.]
Der Kanton Uri liegt fast ganz im Gebiet der zentralen Hochalpen der Schweiz, da innert seiner Marken die vier natürlichen Hauptgruppen der Berner-, Glarner-, Walliser- und Bündneralpen am Gotthard zusammenstossen. Im Ursernthal kreuzen sich die zwei wichtigen Thalfurchen, welche die Abgrenzung der Zentralalpen bedingen, nämlich die Linie Rhone-Rheinthal und die Querthalfurche des Reuss- und Tessinthales. Es liegt daher nahe, die Einteilung der Urneralpen in folgender Weise vorzunehmen:
1) Gotthardgruppe als Verbindungsglied der Walliser- und Bündneralpen;
2) W.-Urneralpen als O.-Flanke der Berneralpen;
3) O.-Urneralpen als Stammkette der Glarneralpen.
1) Gotthardgruppe. Das Gotthardgebirge bildet ein langgestrecktes, von WSW. nach ONO. streichendes Trapez, dessen parallele Seiten durch die Linie Furka-Ursernthal-Oberalp im N. und Nufenen-Bedrettothal-Val Piora-Passo del Uomo im S. gegeben sind, während das Eginenthal im SW. und das Medelserthal im NO. die nach S. konvergierenden Seiten darstellen. Das so umgrenzte Gebiet bildet eine von N. nach S. relativ sanft ansteigende, pultförmige Gebirgsmasse, welche ihren mauerartigen Steilabfall nach S. richtet, während die N.-Abdachung durch tiefe Erosionsfurchen in zahlreiche nach N. gerichtete Querrippen gegliedert erscheint.
Der mittlere und massigste dieser Querkämme trägt den 3003 m hohen Pizzo Centrale (Tritthorn), der als wirklicher Zentralstock des Gotthardmassives auch gewissermassen als der orographische Mittelpunkt der Zentralalpen überhaupt angesehen werden kann. An seiner Spitze biegt die Wasserscheide zwischen Nordsee und Mittelmeer am weitesten nach N. aus, und die Quellen des Rheins liegen nur wenige Kilometer von seinem Fuss entfernt. Nahe der SW.-Ecke des Kantons erhebt sich als kühner Turm der Pizzo Rotondo (3197 m), der höchste Gipfel des Massives.
2) Die W.-Urneralpen (samt Unterwaldneralpen) erfüllen den weiten Raum zwischen den Querthälern der Aare (Haslethal) im W. und der Reuss im O., dem Furkapass und dem Ursernthal im S., dem Brünig, Thal der Sarner Aa und dem Vierwaldstättersee im NW. und N. Das recht scharf umgrenzte Gebiet bildet ein ziemlich stark nach N. gezogenes Sechseck und hat seinen geographischen Mittelpunkt im Titlis (3239 m), dem Kulminationspunkt der die ganze Gruppe diagonal von W. nach O. durchstreichenden mächtigen Kette Gadmerflühe-Titlis-Spannörter-Schlossberg-Krönte.
Die den N.-Fuss dieser Mittelrippe begleitende Längsthalfurche Genthal-Jochpass-Surenenpass-Gitschenthal teilt den ganzen Gebirgsabschnitt in zwei nahezu gleich grosse Teile, welche aber ein ganz verschiedenes Gepräge aufweisen: einen durchaus hochalpinen südl. Teil, die Dammagruppe (inkl. Titlis-Schlossbergkette), und eine nördl. Hälfte von mehr voralpinem Charakter, in welcher sich nur die Urirotstockgruppe durch ihre entschiedene Hochgebirgsnatur hervorhebt. Da innerhalb beider Gebirgsabschnitte die Querthäler dominieren, stehen ihre Hauptkämme gewöhnlich senkrecht zur Mittelrippe der Titlis-Schlossbergkette; so z. B. die mächtigen Querketten der Dammagruppe im S. und die Melchthaleralpen im NW. Für die weitere Gliederung sind massgebend das Querthal der ¶
Engelberger Aa im N. und die der Längsrichtung folgende Thallinie Gadmen-Sustenpass-Meienthal im S. des Titlis. Das Engelberger Thal teilt die N.-Hälfte in einen westl. Abschnitt, die Melchthaleralpen, und in einen östl., die Urirotstockgruppe mit der Brisen-Bauenkette. Durch den Sustenpass wird die S.-Hälfte getrennt in einen nördl. Abschnitt, die Titlis-Schlossbergkette, und einen südl., die Dammagruppe im engern Sinn. So entstehen vier Gebirgsglieder mit abwechselnd ganz verschiedener Streichungsrichtung: a) Die Melchthaleralpen im NW., grösstenteils Querketten; b) die Urirotstock- und die Brisen-Bauenketten im NO., die der Haupt-, d. h. Längsrichtung der Alpen folgen; c) die Ketten Titlis-Schlossberg und Spannörter-Krönte in der Mitte, ebenfalls von SW. nach NO. gerichtet und das Ganze diagonal durchsetzend; d) die eigentliche Dammagruppe im S., grösstenteils Querketten. Für den Kanton Uri fallen nur die drei letztgenannten Abschnitte in Betracht, für welche wir auf die Einzelartikel verweisen.
3) Die O.-Urneralpen reichen vom Thal der Reuss in östl. Richtung bis zum Thal der Linth und zur Scharte des Sandalppasses, sowie vom Oberalppass nordwärts bis zur Muldenzone von Riemenstalden-Muotathal-Pragelpass-Klönthal. Ganz im Gegensatz zu den W.-Urneralpen herrschen hier die Längsketten entschieden vor; grössere Querkämme treten nur im südwestl. Winkel zwischen den obersten Abschnitten des Reuss- und des Rheinthales auf. Zwei grosse Längsthalfurchen im Innern, das Maderanerthal und das Schächenthal mit dem Klausenpass und Urnerboden gliedern diesen Gebirgsabschnitt in drei nach der NO.-Ecke etwas konvergierende Ketten: a) Die Oberalpstock-Tödikette zwischen Vorderrheinthal und Maderanerthal, reicht vom Oberalppass nach NO. bis zum Sandalpgrat. - b) Die Windgällen-Klaridenkette zwischen dem Maderanerthal und der Furche Schächenthal-Urnerboden, wird durch den vom Klaridenstock nach S. abzweigenden Firnkamm der Planura aufs engste mit der Tödigruppe verknüpft. - c) Die Schächenthaler und Bisithaler Berge und die Axen-Glärnischkette vom Schächenthal bis zum Muotathal, Pragelpass und Klönthal; im W. und O. steil abgeschnitten durch die Querthäler des Urnersees und des Linththals. Auch mit diesen nördl. vorgelagerten Parallelketten ist die Windgällen-Klaridengruppe durch eine Brücke, die Passhöhe des Klausen, verbunden.
a) Die Oberalpstock-Tödikette bildet besonders mit Bezug auf die Natur der Gesteine (Granit und kristalline Schiefer) und die dadurch bedingten Gipfelformen ein Gegenstück zur Dammagruppe. In der SW.-NO. streichenden Stammkette liegen als wichtigste Gipfel das Dreigestirn Piz Crispalt (3080 m), Piz Giuf (3098 m) und Piz Ner (3050 m), der breitschultrige Oberalpstock (3330 m), nächst dem Tödi der höchste Gipfel im NO.-Flügel der Zentralalpen, der Piz Ault (3033 m) und Piz Cavardiras (2965 m), die kühne Pyramide des Düssistocks (3262 m) und endlich der düstere Piz Cambriales (3212 m) und der Piz Catscharauls (3062 m), der Grenzstein zwischen den Kantonen Uri, Graubünden und Glarus. Dem allgemeinen unsymmetrischen Charakter der Alpenketten entsprechend, weist diese Stammkette dem von SO. kommenden Beobachter einen geschlossenen mauerartigen Steilabfall entgegen, während die flachere N.-Abdachung Platz zur Ausbildung fiederförmig angeordneter Querketten bietet.
Solche von der Hauptkette nach NW. ausstrahlende Querkämme sind der Rienzergrat mit dem Rienzerstock (2964 m) zwischen Reussthal und Fellithal, die Bristenkette mit der herrlichen Pyramide des Bristenstocks (3074 m) zwischen Fellithal und Etzlithal. Auch der Hauptgipfel des Oberalpstocks selbst bildet einen die Stammkette rechtwinklig schneidenden Querkamm. Die zwischen diesen Gräten verlaufenden drei Thalfurchen (Fellithal, Etzlithal, Brunnithal) dringen bis zum Hauptkamm vor und schneiden hier drei, allerdings wenig tiefe und mühsam zu begehende Passlücken heraus: Fellilücke vom Fellithal nach dem Oberalppass, Kreuzlipass vom Etzlithal nach dem Tavetsch, Brunnipass vom Maderanerthal durchs Brunnithal nach Disentis im Vorderrheinthal.
Die Gipfel zeigen alle die typische Gestalt der Gneis- und Granitberge: regelmässige Pyramiden mit steiler, aber sehr gleichmassiger Böschung (z. B. Bristenstock), oder auch furchtbar schroffe, oben scharf gesägte Gräte (z. B. Rienzergrat, Piz Cambriales). Der landschaftliche Charakter ist ausserordentlich düster und wild; kümmerliche Alpweiden und spärlicher Baumwuchs erzählen von dem oft vergeblichen Ringen der Vegetation mit den gebirgszerstörenden Kräften, von deren Tätigkeit die mächtigen Schutthalden, Blockmeere und Felszirken zeugen.
Auch mit Firn- und Gletscherschmuck ist die Oberalpstockgruppe dürftig ausgestattet. Sie besitzt ausser kleinern Hängegletschern und Firnfeldern in der Umgebung des Piz Giuf nur den Brunnigletscher, der vom Oberalpstock und Piz Ault ins Brunnithal hinabsteigt. Erst im NO. der Gruppe, wo durch die Verknüpfung mit der Klaridenkette eine grössere Massenerhebung Platz greift, entwickelt sich der prächtige Hüfigletscher und das weite Firnfeld der Planura, die zur Windgällen-Klaridengruppe hinüberleitet.
b) Ueber die Windgällen-Klaridenkette siehe den Spezialartikel Clariden.
c) Schächenthaler und Bisithaler Berge. Das Gebiet des Kantons Uri nördl. der Muldenzone Schächenthal-Urnerboden umfasst die Jurakalkketten der Schächenthaler Windgälle und der Märenberge, sowie den westl. vom Bisithal gelegenen Abschnitt der Axen-Silbern-Glärnischkette. Es bildet diese Berggruppe zwar geologisch eine Fortsetzung der Urirotstockgruppe, jedoch ohne deren eindrucksvolle Mächtigkeit und Geschlossenheit zu besitzen. Der tektonisch und ehedem wohl auch orographisch ausgesprochene Doppelketten- bezw. Hochplateaucharakter ist durch die Erosion fast ganz verwischt.
Die Parallelketten werden im W. durch das diagonal von OSO. nach WN W. verlaufende Schächenthal schief abgeschnitten, sodass namentlich die südl. Randkette wesentlich verkürzt erscheint. Sie taucht erst etwa 2 Stunden östl. vom Reussthal mit dem Hochpfaffen (2481 m) aus der Flyschmasse des Schächenthals auf, erhebt sich dann aber rasch zur stolzen Schächenthaler Windgälle (2752 m) und setzt sich über das Hochplateau des Glatten in nordöstl. Richtung nach dem steilen First der Märenberge und Jägernstöcke, sowie zum Ortstock (2715 m) fort, welcher mit steilen Wänden gegen das Linththal abbricht. Dann haben auch die Querthäler des Hüribachs und des Bisibachs die ganze Gebirgsscholle durchsägt und die ¶
Im Geographisches Lexikon der SCHWEIZ, 1902
(Kanton). Zu den im Artikel Uri schon genannten Einzelangaben aus den Ergebnissen der eidg. Betriebszählung sei noch folgende systematische Ergänzung gegeben.
Betr. | % | davon Alleinbetr. | Personen Total | % | davon weibl. | |
---|---|---|---|---|---|---|
Urproduktion | 1856 | 56.9 | 110 | 6311 | 54.8 | 2509 |
Ind. u. Gewerbe | 629 | 19.2 | 306 | 2017 | 17.5 | 549 |
Handel | 574 | 17.6 | 102 | 1834 | 15.9 | 1170 |
Verkehr | 139 | 4.2 | 39 | 1167 | 10.1 | 95 |
Kunst u. Wissenschaft | 66 | 2.1 | 51 | 198 | 1.7 | 77 |
Total | 3264 | 100.0 | 608 | 11527 | 100.0 | 4400 |
Der Anteil der weiblichen Personen beträgt 38,2%; mehr als 50% der Betriebe und der erwerbenden Bevölkerung gehören der Landwirtschaft an. In der Industrie fällt die grosse Zahl von Betrieben mit nur einer Person auf.
Urproduktion.
Betr. | Pers. | davon weibl. | |
---|---|---|---|
Granitsteinbrüche | 4 | 390 | - |
Landwirtschaft. | |||
Landw. ohne Spezialgewerbe | 999 | 2981 | 1323 |
Landw. mit Alpwirtschaft | 477 | 1877 | 799 |
Landw. mit Viehzucht | 124 | 434 | 191 |
Landw. mit Obstbau | 66 | 230 | 111 |
Uebrige Spezialzweige | 135 | 279 | 78 |
Total | 1801 | 5801 | 2502 |
Forstwirtschaft | 30 | 95 | 5 |
Alpwirtschaft allein, Käserei und Molkerei treten nur wenig hervor, im Gegensatz zu den übrigen Urkantonen.
Industrie und Gewerbe.
Betr. | Pers. | |
---|---|---|
Baugewerbe | 186 | 753 |
Kleidung und Putz | 234 | 374 |
Spinnerei und Weberei | 85 | 229 |
Nahrungs- und Genussmittel | 67 | 170 |
Dazu kommen einige grossen Etablissemente andrer Branchen. Baugewerbe. Es waren tätig
Betr. | Pers. | |
---|---|---|
Im Hochbau | 10 | 223 |
Sägerei | 20 | 118 |
Schreinerei und Zimmerei | 76 | 124 |
Maurerei | 17 | 108 |
Uebrige Gruppen | 63 | 180 |
Total | 186 | 753 |
Kleidung und Putz.
Betr. | Pers. | davon weibl. | |
---|---|---|---|
Damenschneiderei | 100 | 145 | 144 |
Schuhmacherei | 47 | 77 | 7 |
Herrenschneiderei | 29 | 57 | 29 |
Wäscherei und Glätterei | 26 | 50 | 48 |
Textilindustrie. | |||
Seidenspinnerei und Zwirnerei | 15 | 145 | 117 |
Seidenstoffweberei (lauter Heimarbeitsbetriebe) | 59 | 72 | 71 |
Nahrungs- und Genussmittel. | |||
Bäckerei und Konditorei | 36 | 95 | 30 |
Metzgerei | 25 | 62 | 15 |
Uebrige Arten | 6 | 13 | - |
Kalziumkarbidfabrik | 1 | 77 | - |
Munitionsfabrik | 1 | 244 | 16 |
Dynamitfabrik | 1 | 14 | - |
Schmiederei | 9 | 36 | 2 |
Druckereien und Lithographien | 4 | 26 | 3 |
Gas- und Elektrizitätswerke | 14 | 30 | - |
Mit Ausnahme der zuletzt genannten Fabriken, der hausindustriellen Webereibetriebe und des Holzgewerbes ist die Exportindustrie schwach vertreten; dagegen ersetzt die Ausbeutung der Granitlager einen guten Teil der Exportindustrie.
Handel. Im Handel finden wir folgende erwähnenswerte Gruppen:
Betr. | Pers. | davon weibl. | |
---|---|---|---|
Gastwirtschaftswesen | 250 | 1395 | 910 |
Lebensmittelhandel | 135 | 207 | 166 |
In den übrigen Gruppen sind zwischen 2-38 Personen beschäftigt; sie können also nicht von besonders grosser Bedeutung sein. Im Gastwirtschaftswesen entfallen ¶
Betriebe | Pers. | davon weibl. | |
---|---|---|---|
auf Hôtels etc. | 111 | 1050 | 658 |
(davon mit Restaurants) | 75 | 412 | 304 |
auf Restaurants ohne Gasthof | 117 | 304 | 221 |
Kostgebereien | 17 | 33 | 24 |
usw.
Ueberaus stark besetzt ist die Abteilung Verkehr. Von allen Kantonen ist Uri derjenige, der pro 100 in Betrieben tätige Personen am meisten im Verkehr beschäftigte aufweist: 5,7% gegen 2,5% im Durchschnitt für die Schweiz, oder 2,2 und 2,5 in Nid- und Obwalden. Es entfielen im Kanton Uri im Jahr 1905 auf:
Betriebe | Personen | |
---|---|---|
Eisenbahnen | 11 | 802 |
Post | 33 | 113 |
Telegraph und Telephon | 16 | 40 |
Dampfschiffahrt (Reparaturwerkstätten inbegriffen) | 10 | 30 |
Spedition, Camionnage, Fuhrhalterei | 58 | 173 |
Es ist also namentlich der Eisenbahnverkehr, der so viele Personen beschäftigt; mehr als der 10. Teil der männlichen in Betrieben Tätigen steht im Dienste der Eisenbahn.
Verwaltung, Wissenschaft und Künste, soweit Erwerb damit beabsichtigt ist.
Betriebe | Personen | |
---|---|---|
Gesundheits- und Krankenpflege | 45 | 45 |
Rechtsbeistand | 5 | 7 |
Theater | 1 | 120 |
Eine merkwürdige Fügung des Schicksals ist es, dass das Tellspiel in Altdorf durch die Betriebszählung gezählt und in alle Ewigkeit festgehalten worden ist. Es wurden dabei 80 männliche und 40 weibliche Personen verzeichnet.
Hausindustrie. Der Kanton Uri hatte nur 97 Heimarbeiter, am wenigsten von allen Kantonen; davon 72 in der Seidenstoffweberei, 15 in Seidenspinnerei. Hausierhandelbetriebe gab es am 5 mit 5 Personen.
[Dr. F. Mangold.]
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Strom in Afrika, [* 20] s. Limpopo. ^[= # Uri, Bembe, Inhampura oder Krokodilfluß, ein etwa 1600 km langer, an Krümmungen reicher Strom ...]
in der histor. Rangordnung der 4., dem Flächeninhalt nach der 11. und der Einwohnerzahl nach der 22. Kanton der Schweiz, grenzt im N. an den Vierwaldstätter See und den Kanton Schwyz, im NO. an Glarus, im O. an Graubünden, im S. an Tessin, im W. an Wallis, Bern [* 21] und Unterwalden und hat eine Fläche von 1076 qkm.
Oberflächengestaltung. Die schmale Thalsohle der Reuß, welche mit ihren Zuflüssen den Kanton bewässert, wird auf drei Seiten von hohen felsigen und vergletscherten Gebirgen umschlossen und öffnet sich im N. gegen den Urner See, den südlichsten Arm des Vierwaldstätter Sees. Im W. des Kantons ragen die Fels- und Eisriesen der Urner und Unterwaldner Alpen (s. Westalpen) empor, den südl. Grenzwall bildet der Sankt Gotthard [* 22] (s. d.), den Osten umschließen die Glarner Alpen.
Das Hauptthal zerfällt in die beiden durch die wilde Schlucht der Schöllenen miteinander verbundenen Stufen Urseren und Die zahlreichen Seitenthäler sind hochromantisch und eng, zum Teil reich an großartigen Landschaftsbildern; die wichtigsten sind das Göschenen- und das Maienthal links, das Maderaner und das Schächenthal rechts. Das Klima ist nach der Lage sehr verschieden. In Andermatt (1448 m) ist das Jahresmittel +3° C., in Altdorf (478 m) 9,50. Der Boden ist, soweit benutzbar, ergiebig. Im untern Thale und am See wachsen Nuß- und Kastanienbäume, das hochgelegene Urserenthal ist fast baumlos.
Bevölkerung. [* 23] Der Kanton hatte 1880: 23694, 1888: 17249 (8351 männl., 8898 weibl.) E., d. i. 16 auf 1 qkm und eine Abnahme (1880 - 88) von 3,87 Proz., darunter 365 Evangelische;
ferner 2599 bewohnte Häuser mit 3655 Haushaltungen in 20 Gemeinden. Im Kanton geboren sind 15458, in der übrigen Eidgenossenschaft 1426, im Auslande 365;
Bürger ihrer Wohngemeinde sind 12596, einer andern Gemeinde des Kantons 2408, eines andern Kantons 1712, Ausländer 533. Der Muttersprache nach sind 17027 Deutsche [* 24] und 184 Italiener.
Die Zahl der Geburten (mit Totgeburten) betrug 1894: 557, der Eheschließungen 123, der Sterbefälle 346.
Erwerbszweige. Von der Fläche sind 477,7 qkm, d. i. 44,40 Proz., produktives Land: 64,4 Waldungen und 413,3 Acker-, Garten-, Wiesen- und Weideland. Von dem unproduktiven Lande sind 114,8 qkm Gletscher, 20,2 Seen, 3,5 Flüsse [* 25] und Bäche, 1,7 Schienen- und Straßenwege und 457,3 Felsen und Schutthalden. Haupterwerbsquellen sind Alpenwirtschaft und Landbau. Nach der Viehzählung von 1896 hat der Kanton 222 Pferde, [* 26] 12019 Stück Rindvieh, 2924 Schweine, 8600 Schafe, 9721 Ziegen und 1201 Bienenstöcke. Das Urserenthal liefert vorzüglichen Käse. Von nutzbaren Gesteinen kommen Granit, ¶
Gneis und Kalkstein vor. Die Gebirge sind reich an Bergkrystall, Fluß- und Feldspat, Strahlstein, Asbest, Granat, [* 28] Turmalin, Eisenrosen u. s. w. Die Industrie (Dynamitfabrikation, Parketterie) ernährt nur 14, der Handel 7 Proz. der Bevölkerung; wichtig ist der Fremdenverkehr des St. Gotthard und der Kurorte Seelisberg oberhalb des Grütli, Maderanerthal, Unterschächen, Wassen, Göschenen, Andermatt u. s. w. Hauptverkehrslinien sind die St. Gotthardbahn, die Dampferlinie des Vierwaldstätter Sees, die Oberalp-, die Furla- und die Klausenstraße.
Verfassung und Verwaltung. Die Verfassung ist rein demokratisch; die Landesgemeinde entscheidet über Gesetze u. dgl. und wählt den Landammann. Der Landrat, je ein Mitglied auf 400 E. in den Gemeinden gewählt, ist vorberatende, der Regierungsrat von 7 Mitgliedern vollziehende Behörde. Strafrechtliche Fälle werden von dem Kriminalgericht erledigt, höchste Instanz ist das Obergericht. Hauptort ist Altdorf (s. d.). In kirchlicher Hinsicht gehört der Kanton, der noch drei Klöster zählt, zum Bistum Chur. Außer den Primärschulen besteht eine Kantonsschule zu Altdorf. In militär. Beziehung gehört der Kanton zur Gottharddivision. Das Wappen ist ein schwarzer Stierkopf (Ur) im goldenen Felde.
Geschichte. Im 7. und 8. Jahrh. von Alamannen besetzt, kam das Land seit Stiftung der Fraumünsterabtei Zürich durch Ludwig den Deutschen 853 an dieses Stift und genoß Immunität. Mit Zürich zusammen wurde es Reichsvogtei, später (1098) unter der Gewalt der Zähringer. Nach deren Aussterben erlangte es 1231 von König Heinrich (VII.) Reichsunmittelbarkeit und nahm sowohl 1291 wie 1315 an der Gründung der Eidgenossenschaft hervorragenden Anteil. Der Einführung der Reformation widersetzte es sich entschieden und teilte von da an die Schicksale der Eidgenossenschaft (s. Schweiz) bis zu deren Umsturz durch die franz. Invasion 1798. Durch die helvet.
Einheitsverfassung ward es dem neuen Kanton Waldstätten zugewiesen. !799 war es der Schauplatz heißer Kämpfe zwischen Franzosen, Russen und Österreichern. Die Mediationsakte von 1803 setzte wieder in die Rechte eines selbständigen Kantons ein. Seither bildet mit der übrigen Urschweiz den Kern der konservativ-ultramontanen Partei der deutschen Schweiz und nahm 1832 am Sarner Bunde, 1845 am Sonderbunde teil. Die Bundesverfassung von 1848 nahm es nur mit Widerstreben an und verwarf deren Revision sowohl 1872 wie 1874 mit bedeutender Majorität; jedoch brachte der Bau der Gotthardbahn 1872-82, der viele Fremde ins Land führte, einen frischern Zug in die patriarchalischen Zustände, der 1879, 1881 und 1886 zu partiellen Verfassungsrevisionen führte. 1888 fand eine Verfassungsänderung statt, wodurch die alte Sonderstellung des Bezirks Urseren in Hinsicht auf Verwaltung aufgehoben wurde. -
Vgl. F. V. Schmid, Allgemeine Geschichte des Freistaates (2 Tle., Zug 1788-9O);
Lusser, Der Kanton (St. Gallen 1834);
ders., Geschichte des Kantons (Schwyz 1862).