Uri
28 Seiten, 25'398 Wörter, 182'893 Zeichen
Uri,
Uri,
in der histor. Rangordnung der 4., dem Flächeninhalt nach der 11. und der Einwohnerzahl nach der 22. Kanton [* 3] der Schweiz, [* 4] grenzt im N. an den Vierwaldstätter See und den Kanton Schwyz, im NO. an Glarus, im O. an Graubünden, im S. an Tessin, im W. an Wallis, Bern [* 5] und Unterwalden und hat eine Fläche von 1076 qkm.
Oberflächengestaltung. Die schmale Thalsohle der Reuß, [* 6] welche mit ihren Zuflüssen den Kanton bewässert, wird auf drei Seiten von hohen felsigen und vergletscherten Gebirgen umschlossen und öffnet sich im N. gegen den Urner See, den südlichsten Arm des Vierwaldstätter Sees. Im W. des Kantons ragen die Fels- und Eisriesen der Urner und Unterwaldner Alpen (s. Westalpen) empor, den südl. Grenzwall bildet der Sankt Gotthard [* 7] (s. d.), den Osten umschließen die Glarner Alpen.
Das Hauptthal zerfällt in die beiden durch die wilde Schlucht der Schöllenen miteinander verbundenen Stufen Urseren und Die zahlreichen Seitenthäler sind hochromantisch und eng, zum Teil reich an großartigen Landschaftsbildern; die wichtigsten sind das Göschenen- und das Maienthal links, das Maderaner und das Schächenthal rechts. Das Klima ist nach der Lage sehr verschieden. In Andermatt (1448 m) ist das Jahresmittel +3° C., in Altdorf (478 m) 9,50. Der Boden ist, soweit benutzbar, ergiebig. Im untern Thale und am See wachsen Nuß- und Kastanienbäume, das hochgelegene Urserenthal ist fast baumlos.
Bevölkerung. [* 8] Der Kanton hatte 1880: 23694, 1888: 17249 (8351 männl., 8898 weibl.) E., d. i. 16 auf 1 qkm und eine Abnahme (1880 - 88) von 3,87 Proz., darunter 365 Evangelische;
ferner 2599 bewohnte Häuser mit 3655 Haushaltungen in 20 Gemeinden. Im Kanton geboren sind 15458, in der übrigen Eidgenossenschaft 1426, im Auslande 365;
Bürger ihrer Wohngemeinde sind 12596, einer andern Gemeinde des Kantons 2408, eines andern Kantons 1712, Ausländer 533. Der Muttersprache nach sind 17027 Deutsche [* 9] und 184 Italiener.
Die Zahl der Geburten (mit Totgeburten) betrug 1894: 557, der Eheschließungen 123, der Sterbefälle 346.
Erwerbszweige. Von der Fläche sind 477,7 qkm, d. i. 44,40 Proz., produktives Land: 64,4 Waldungen und 413,3 Acker-, Garten-, Wiesen- und Weideland. Von dem unproduktiven Lande sind 114,8 qkm Gletscher, 20,2 Seen, 3,5 Flüsse [* 10] und Bäche, 1,7 Schienen- und Straßenwege und 457,3 Felsen und Schutthalden. Haupterwerbsquellen sind Alpenwirtschaft und Landbau. Nach der Viehzählung von 1896 hat der Kanton 222 Pferde, [* 11] 12019 Stück Rindvieh, 2924 Schweine, [* 12] 8600 Schafe, [* 13] 9721 Ziegen und 1201 Bienenstöcke. Das Urserenthal liefert vorzüglichen Käse. Von nutzbaren Gesteinen kommen Granit, ¶
Gneis und Kalkstein vor. Die Gebirge sind reich an Bergkrystall, Fluß- und Feldspat, Strahlstein, Asbest, Granat, [* 15] Turmalin, Eisenrosen u. s. w. Die Industrie (Dynamitfabrikation, Parketterie) ernährt nur 14, der Handel 7 Proz. der Bevölkerung; wichtig ist der Fremdenverkehr des St. Gotthard und der Kurorte Seelisberg oberhalb des Grütli, Maderanerthal, Unterschächen, Wassen, Göschenen, Andermatt u. s. w. Hauptverkehrslinien sind die St. Gotthardbahn, die Dampferlinie des Vierwaldstätter Sees, die Oberalp-, die Furla- und die Klausenstraße.
Verfassung und Verwaltung. Die Verfassung ist rein demokratisch; die Landesgemeinde entscheidet über Gesetze u. dgl. und wählt den Landammann. Der Landrat, je ein Mitglied auf 400 E. in den Gemeinden gewählt, ist vorberatende, der Regierungsrat von 7 Mitgliedern vollziehende Behörde. Strafrechtliche Fälle werden von dem Kriminalgericht erledigt, höchste Instanz ist das Obergericht. Hauptort ist Altdorf (s. d.). In kirchlicher Hinsicht gehört der Kanton, der noch drei Klöster zählt, zum Bistum Chur. [* 16] Außer den Primärschulen besteht eine Kantonsschule zu Altdorf. In militär. Beziehung gehört der Kanton zur Gottharddivision. Das Wappen ist ein schwarzer Stierkopf (Ur) im goldenen Felde.
Geschichte. Im 7. und 8. Jahrh. von Alamannen besetzt, kam das Land seit Stiftung der Fraumünsterabtei Zürich [* 17] durch Ludwig den Deutschen 853 an dieses Stift und genoß Immunität. Mit Zürich zusammen wurde es Reichsvogtei, später (1098) unter der Gewalt der Zähringer. Nach deren Aussterben erlangte es 1231 von König Heinrich (VII.) Reichsunmittelbarkeit und nahm sowohl 1291 wie 1315 an der Gründung der Eidgenossenschaft hervorragenden Anteil. Der Einführung der Reformation widersetzte es sich entschieden und teilte von da an die Schicksale der Eidgenossenschaft (s. Schweiz) bis zu deren Umsturz durch die franz. Invasion 1798. Durch die helvet.
Einheitsverfassung ward es dem neuen Kanton Waldstätten zugewiesen. !799 war es der Schauplatz heißer Kämpfe zwischen Franzosen, Russen und Österreichern. Die Mediationsakte von 1803 setzte wieder in die Rechte eines selbständigen Kantons ein. Seither bildet mit der übrigen Urschweiz den Kern der konservativ-ultramontanen Partei der deutschen Schweiz und nahm 1832 am Sarner Bunde, 1845 am Sonderbunde teil. Die Bundesverfassung von 1848 nahm es nur mit Widerstreben an und verwarf deren Revision sowohl 1872 wie 1874 mit bedeutender Majorität; jedoch brachte der Bau der Gotthardbahn 1872-82, der viele Fremde ins Land führte, einen frischern Zug in die patriarchalischen Zustände, der 1879, 1881 und 1886 zu partiellen Verfassungsrevisionen führte. 1888 fand eine Verfassungsänderung statt, wodurch die alte Sonderstellung des Bezirks Urseren in Hinsicht auf Verwaltung aufgehoben wurde. -
Vgl. F. V. Schmid, Allgemeine Geschichte des Freistaates (2 Tle., Zug 1788-9O);
Lusser, Der Kanton (St. Gallen 1834);
ders., Geschichte des Kantons (Schwyz 1862).