Unzuchtsverbrechen
(Sittlichkeitsverbrechen, Unzuchtsdelikte, Fleischesverbrechen
, Delicta carnis),
strafbare
Handlungen, welche in einer gesetzwidrigen Befriedigung des
Geschlechtstriebs bestehen. Das ältere
Recht betrachtete
den außerehelichen Geschlechtsverkehr überhaupt als strafbar, wenigstens insofern er mit einer sonst ehrbaren Frauensperson
gepflogen wurde, daher denn auch die freiwillige, außereheliche
Schwächung (stuprum voluntarium) nach dem römischen
Recht
nicht nur an der Geschwächten, sondern auch an dem Stuprator gestraft und im
Mittelalter, nachdem die
Geistlichkeit dies
Delikt vor ihr
Forum
[* 2] gezogen hatte, an der gefallenen Frauensperson durch die
Strafe der öffentlichen
Kirchenbuße
geahndet wurde.
Das moderne Strafrecht erachtet den außerehelichen Geschlechtsverkehr an und für sich nicht mehr als strafbar. Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch insbesondere bestraft Weibspersonen, die gewerbsmäßig Unzucht treiben, nur dann mit Strafe (Haft bis zu sechs Wochen), wenn sie unter polizeiliche Aufsicht gestellt sind und den in dieser Hinsicht zur Sicherung der Gesundheit, der öffentlichen Ordnung und des öffentlichen Anstandes erlassenen polizeilichen Vorschriften zuwiderhandeln, oder wenn sie gewerbsmäßige Unzucht treiben, ohne einer solchen Aufsicht unterstellt zu sein.
Dagegen werden im deutschen
Strafgesetzbuch folgende unsittliche
Handlungen als Unzuchtsverbrechen
behandelt und bestraft: Blutschande, d. h.
der
Beischlaf zwischen Verwandten auf- und absteigender
Linie, zwischen
Geschwistern und zwischen Verschwägerten auf- und absteigender
Linie (s.
Inzest);
Notzucht (stuprum violentum), d. h. die Nötigung einer Frauensperson zur Duldung des außerehelichen Beischlafs durch Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (das frühere Erfordernis eines Strafantrags bei diesem Verbrechen ist durch die Novelle zum Strafgesetzbuch vom beseitigt);
Schändung (stuprum non voluntarium nec violentum), d. h. der außereheliche Beischlaf mit einer geisteskranken oder einer in willen- oder bewußtlosem Zustand befindlichen Frauensperson, wobei es als Notzucht bestraft wird, wenn der Thäter die Frauensperson absichtlich in diesen Zustand versetzt hat.
Ferner gehören hierher; unzüchtige
Handlungen, welche Vormünder mit ihren Pflegebefohlenen,
Eltern mit ihren
Kindern,
Geistliche,
Lehrer und
Erzieher mit ihren minderjährigen
Schülern oder Zöglingen, Beamte mit
Personen,
gegen die sie eine Untersuchung zu führen haben, oder welche ihrer Obhut anvertraut sind, Beamte,
Ärzte
und andre
Medizinalpersonen, welche in Gefängnissen oder in öffentlichen, zur
Pflege von Kranken,
Armen oder andern Hilflosen
bestimmten Anstalten beschäftigt oder angestellt sind, mit den hier aufgenommenen
Personen vornehmen; unzüchtige
Handlungen,
welche mit
Gewalt an einer Frauensperson vorgenommen werden, oder zu deren Duldung dieselbe durch
Drohung
mit gegenwärtiger
Gefahr für Leib oder
Leben genötigt wird; endlich unzüchtige
Handlungen mit
Personen unter 14
Jahren. In
allen diesen
Fällen tritt die strafrechtliche Verfolgung von
Amts wegen ein. Dagegen wird die Verleitung einer Frauensperson
zur Gestattung des
Beischlafs durch Vorspiegelung einer
Trauung oder durch Erregung oder Benutzung eines
andern
Irrtums, in welchem
sie den
Beischlaf für einen ehelichen hielt, nur auf
Antrag bestraft. Außerdem gehören zu den Unzuchtsverbrechen
des
Reichsstrafgesetzbuchs: die widernatürliche Unzucht, welche entweder zwischen
Personen männlichen
Geschlechts
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mehr
(Päderastie), oder von Menschen mit Tieren (Sodomie) begangen wird; die Mädchenschändung, d. h. die Verführung eines unbescholtenen
Mädchens, welches das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, zum Beischlaf (Antragsdelikt); die Verletzung der Schamhaftigkeit
durch unzüchtige Handlungen, durch welche ein öffentliches Ärgernis gegeben wird, oder durch unzüchtige Schriften, Abbildungen
oder Darstellungen, welche verkauft, verteilt oder sonst verbreitet oder an Orten, welche dem Publikum zugänglich
sind, ausgestellt oder angeschlagen werden. Auch die Kuppelei (s. d.) wird von dem deutschen Strafgesetzbuch unter den Unzuchtsverbrechen
mit
aufgeführt, ebenso die Doppelehe oder Bigamie (s. d.) und der Ehebruch (s. d.).
Vgl. Deutsches Strafgesetzbuch, § 171-184, 361, Nr. 6; Österreichisches, 125 ff., 500 ff.