Unvermögen
(Impotenz), s. Zeugungsvermögen.
Unvermögen
8 Wörter, 85 Zeichen
Medicin — Specielle Pathologie — Krankheiten der Harn- und Geschlechtsorgane
Unvermögen
(Impotenz), s. Zeugungsvermögen.
(Potenz), die Fähigkeit, Nachkommen zu erzeugen, fällt beim Menschen zusammen mit der Geschlechtsreife; ihr Eintritt ist je nach Klima, [* 3] Menschenrasse, Geschlecht und Individualität verschieden, jedoch beginnt sie unter gleichen Himmelsstrichen früher bei weiblichen als bei männlichen Individuen, sie dauert dagegen beim Mann ungleich länger als beim Weib. Das Zeugungsvermögen des Mannes beginnt etwa vom 12. bis 15. Jahr frühstens und währt bis zum 70.-75. Jahr längstens, da die ¶
Angaben über Zeugungsvermögen in höherm Alter höchst zweifelhaft sind. Die Konzeptionsfähigkeit der Frau beginnt, entsprechend der Menstruation, ausnahmsweise auch in europäischen Breitengraden mit dem 11. Jahr, in den Tropen sogar noch etwas früher, sie währt bis zum 50. oder 52. Jahr, und wenn auch von der Cornelia, der Mutter der Scipionen, berichtet wird, daß sie im 60. Lebensjahr noch einen Sohn gebar, daß die Sara gar im 90. Jahr den Isaak gebar, so sind doch ähnliche Fälle in späterer Zeit nicht mehr von glaubwürdigen Beobachtern berichtet worden.
Das preußische Zivilgesetz gestattet die Ehe für Mannspersonen nach vollendetem 18., für Frauenspersonen nach dem 15. Jahr. Das Zeugungsvermögen ist im allgemeinen abhängig von dem Kräfte- u. Gesundheitszustand; dasselbe kann zeitweise durch körperliche Leiden [* 5] herabgesetzt werden, es wird durch Seeleneindrücke vorübergehend beeinflußt und unterliegt wie jede andre Organthätigkeit den Gesetzen der Ermüdung nach voraufgegangener Überanstrengung. Diese vorübergehenden Zustände von Impotenz nach geschlechtlichen Exzessen werden seit Jahren von spekulativen Ärzten und Laien in einer Fülle trauriger Litteraturerzeugnisse abgehandelt, deren Früchte nur den Herausgebern, nicht aber den hilfesuchenden eingeschüchterten und künstlich in Besorgnis erhaltenen Lesern zu gute kommen. Kräftige Nahrung, ordentliche Arbeit, Bewegung in frischer Luft sind die Geheimnisse, auf denen außer ernstlicher Vermeidung neuer Exzesse die Wiederherstellung des Zeugungsvermögens beruht. - Für die gerichtliche Medizin ist die Feststellung der Impotenz von hoher Bedeutung, da nach § 696 des preußischen allgemeinen Landrechts »ein auch während der Ehe erst entstandenes, gänzliches und unheilbares Unvermögen zur Leistung der ehelichen Pflicht Scheidung begründet«.
Für den Gerichtsarzt gilt bei der Feststellung des Zeugungsvermögens, bez. der Fruchtbarkeit (Geburtsfähigkeit) des Weibes der Grundsatz, daß innerhalb der oben angegebenen Altersgrenzen bei gesunden Personen Zeugungsvermögen selbstverständlich anzunehmen ist, so daß er sein Votum für Impotenz im Sinn des § 696 nur abgeben wird, wenn Defekt oder unheilbare Leiden der Geschlechtsorgane, namentlich der Hoden und Eierstöcke, vorliegen, welche erfahrungsmäßig das Zeugungsvermögen ausschließen, oder wenn die Impotenz etwa durch unheilbare Geisteskrankheit bedingt ist. Beim Mann ist das Zeugungsvermögen an die Bildung von Samenfäden gebunden; fehlen diese, so besteht Impotenz. Angeborne Mißbildungen der Genitalien, Zwitterbildungen etc. schließen an sich das Zeugungsvermögen nicht aus, und es bedarf in solchen Fällen eingehender Untersuchung. Körperverletzungen, welche das Zeugungsvermögen vernichten, sind nach dem deutschen Strafrecht, § 224, als »schwere« zu beurteilen.
Vgl. Casper-Liman, Handbuch der gerichtlichen Medizin (7. Aufl., Berl. 1881).