Titel

Unterwalden
,
französisch Unterwald. Kanton der Schweizerischen Eidgenossenschaft.
1. Lage, Grœsse und Grenzen.
Der Kanton Unterwalden
zerfällt politisch und administrativ in die beiden Halbkantone Obwalden
und Nidwalden.
In der offiziellen Reihenfolge
der Kantone ist er der sechste, der Fläche nach der sechszehnte und der Bevölkerung nach der zwanzigste
Kanton der
Schweiz. 765,3 km2 Fläche (Obwalden
474,8; Nidwalden
290,5) und 28330 Ew. (Obwalden:
15260; Nidwalden:
13070). Der Kanton liegt im Herzen der
Schweiz
im Gebiet der
Präalpen und
Hochalpen. Er erstreckt sich zwischen 46° 45' 00" und 47° 02' 20" NBr., sowie zwischen 8° 05'
55" und 8° 34' 35" OL. von Greenwich.
Unterwalden

* 2
Seite 46.244.Seine grösste Ausdehnung in der Richtung O.-W. misst 33 km und in der Richtung S.-N. 27 km. Der Kanton grenzt: im O. an Uri, im S. an Bern, im W. an Luzern und im N. mit dem Vierwaldstättersee an Luzern und Schwyz. Diesen politischen Grenzen entsprechen auch ziemlich genau die natürlichen. Nach O. schliessen die Urneralpen mit ihren höchsten Erhebungen (Urirotstock, Blackenstock und Stotzigberggrat) das Land nach Aussen ab. Nach S. liegt die Titliskette mit dem Reissend Nollen, woran sich in SW.-Richtung der Graustock, die Hochstollenkette und der Lungerner Giebel anschliessen. Nach dem Abstieg zum Brünig erhebt sich die Grenzlinie auf der andern Thalseite wieder jäh zur Hohen Gumm und der Rothornkette. Von da an wird sie, in ziemlich gerader Richtung nordwärts fortlaufend, durch den das Sarnerthal vom ¶
mehr

Entlebuch scheidenden Grat mit den Erhebungen Nünalpstock, Feuerstein und Bernerstieg gebildet, woran sich dann über dem Schlierenthal der Wängengrat, sowie der Gnepfstein und das Tomlishorn im Pilatusgebiet anschliessen, von wo die Grenze über das Klimsenhorn jäh zum Vierwaldstättersee abfällt. Die N.-Grenze wird teils vom Bürgenberggrat, grösstenteils aber durch den die Gestade mehr verbindenden als trennenden Vierwaldstättersee gebildet.
[Ed. Etlin.]
2. Orographie.
Das Präalpen- und Hochalpengebiet, dem der Kanton Unterwalden
angehört, bietet dank den nach allen Richtungen hin eingeschnittenen
Thälern ein sehr abwechslungsreiches Bild dar. An der N.-Grenze erhebt sich zwischen dem luzernischen Reussthal und dem Thal
der kleinen Schlieren die mit dem Tomlishorn in 2132 m gipfelnde Kette des Pilatus, deren übrige bemerkenswerte
Gipfelpunkte der Esel (2122 m), das Gemsmättli (2052 m) und das Widderfeld (2078 m) sind und die sich über den Gnepfstein (1920
m) zum Wängengrat fortsetzt.
Zwischen diesen Kämmen und Gräten und der breiten Sohle des Sarnerthales breitet sich ein zum Teil bewaldetes und mit Alpweiden bestandenes Bergland aus, in das zahlreiche Wildbäche (Grosse und Kleine Schlieren, Lauibach etc.) ihre ausgedehnten Runsen und Thalfurchen eingeschnitten haben. Da das ganze Gebiet in der Hauptsache aus tonigem und schiefrigem Flysch besteht, sind hohe Felswände oder Steilabbrüche selten; dagegen zeichnen sich die Gehänge im allgemeinen durch grosse Steilheit aus, so dass Rutschungen bei dem wenig beständigen Gestein häufig vorkommen. Im SW. ragen über die begrünten Flyschhügel die sehr steilen und felsigen Giswilerstöcke auf, die aus massigen Triaskalken bestehen und sowohl geologisch als orographisch einen starken Gegensatz zur umliegenden Landschaft bilden.
Das ganze Flyschgebiet lässt sich in eine Reihe von kleinen Berggruppen gliedern, deren höchste Erhebungen aber 2000 m nicht mehr erreichen. So finden wir im N. zwischen den Töbeln der Grossen und Kleinen Schlieren einerseits und dem Thal der Grossen Entlen andrerseits den Schlierengrat (1750 m), der sich mit dem Lauenberg (1650 m) und dem Fulendossen (1660 m) zwischen die beiden Schlieren hineinschiebt. Auf der Kantonsgrenze gegen Luzern erheben sich der Feuerstein (2042 m) gegenüber der Schwendifluh, der zwischen Flyschtöbeln aufragende Grat der Hagleren (1952 m) und der breit ausladende Nünalpstock (1900 m) ob der Nünalp, von dem der wasserscheidende Kamm zwischen Kleiner Emme und Sarner Aa mit dem Bärenturm (1800 m) und den beiden Uebergängen des Sattelpasses (1592 m) und der Seewenegg (1768 m) auszweigt.

Das schöne Thal der Sarner Aa beginnt am Brünigpass (1011 m) auf der Wasserscheide zwischen der Aare und dem Vierwaldstättersee und weist einen ausgeprägten Stufenbau auf. Eine erste Stufe erstreckt sich zwischen dem Brünig und dem Lungernsee (659 m). Hierauf folgt ein scharfer Steilabsturz durch ein mit Sturzschutt übersätes Gebiet bis Rudenz (508 m), wo sich das Aaried, eine einst unter Wasser stehende und den sog. Giswilersee bildende Anschwemmungsebene ausbreitet. Nördl. Rudenz schliesst sich der vom Lauibach und der Kleinen Melchaa aufgeschüttete Thalboden an, der sich langsam bis zum Sarnersee (467 m) senkt. Zwischen diesem und der Alpnacherbucht des Vierwaldstättersees beträgt der Höhenunterschied noch 30 m und liegt eine 8 km lange Alluvialebene, die von den beiden Schlieren und der Melchthaler Aa aufgeschüttet worden ist.
SO.- und O.-Umrahmung des Thales der Sarner Aa bilden orographisch die Fortsetzung der Kette des Brienzer Rothorns einerseits und der Faulhornkette andrerseits, die zunächst durch den Brienzersee voneinander getrennt werden, um dann weiter ostwärts zu einer einheitlichen Bergmasse zu verwachsen. Diese erscheint aber durch meist in der Querrichtung eingeschnittene Thäler ihrerseits wieder in mehrere Untergruppen zerlegt. Zunächst erwähnen wir die Gruppe des Brienzer Rothorns (2351 m) im engern Sinn mit den Gipfeln der Hoh Gumm (2208 m) und des Gummen (2006 m), sowie mit der Hohmatt (2113 m) gegenüber den Giswilerstöcken, von der ein gegen Rudenz sich senkender und mit dem Emmättli endigender Grat auszweigt. Dieser besteht wie die ganze Rothornkette aus kretazischen Gesteinen und wird durch den Brünigpass von der Jurakalkregion geschieden. Zwischen das Becken von Lungern und das Melchthal schieben sich der Schinberg (2046 m) und der Wandelengrat ein, voneinander getrennt durch die Erosionsfurche des Klein Melchthales. Von hier an nordostwärts begleitet den Bergfuss der sanft geneigte Streifen Kulturland von Sachseln, der aus ¶
Kanton Unterwalden

* 3
Seite 46.244a, [zu den Karten].Kanton Unterwalden
Lief. 252.
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebrüder Attinger, Neuenburg.
^[Karte: 6° 0’ O; 46° 55’ N; 1:200000]
Mce. Borel & Cie.
V. Attinger sc.
Unterwalden

* 4
Seite 46.245.KANTON UNTERWALDEN ¶
mehr

Nummulitenkalk besteht und mit den Alluvionen der die NW.- und N.-Flanke von Wandelen- und Arnigrat durchfurchenden zahlreichen Wildwasser überführt ist.
Die Kreideregion zwischen Melchthal und Engelbergerthal beginnt nördl. vom Storeggpass mit dem Schluchiberggrat (2027 und 2108 m) und Gräfimattgrat (2032 m), von wo an sich das jurassische Klippengebiet von Arvigrat (2018 m), Heitliswald und (jenseits des Aecherlipasses) Stanserhorn nordwärts zieht. Die Kreideunterlage erscheint zu einem schmalen Band reduziert und bildet das zum Engelbergerthal sich senkende Gehänge mit dem Gummen (1617 m) und der Wissfluh.
Zwischen die NW.-Flanke von Arvigrat und Stanserhorn einerseits und das Thal von Sarnen-Alpnach andrerseits schiebt
sich das mit Sturzschutt und Anschwemmungsmaterial überführte Hügelland von Kerns und Ennetmoos ein, das durch den schmalen
Kamm des Muetterschwanderbergs (862 m) und des jenseits vom Rotzloch sich erhebenden Rotzberges (670 m) von der Alpnacherbucht
getrennt ist. Jenseits dieser letztern ragt wiederum die Pilatuskette auf, so dass das ganze weite Flyschgebiet
an dieser Stelle stark verschmälert und vollständig vom See überflutet erscheint. Jenseits der Ebene von Stansstad setzen
sich Pilatus- und Muetterschwanderberg-Rotzbergkette vereint im Bürgenberg (mit Bürgenstock und Hammetschwand; 870 und 1131 m)
fort, der die Grenze zwischen Luzern
und Unterwalden
bildet und zu der Zeit, als die Alluvialböden von Stansstad,
Stans und Buochs noch unter Wasser lagen, als Insel aus dem See aufstieg.
Auch die das Engelbergerthal vom Urnersee trennende Bergmasse besteht aus Kreidegesteinen. Ihrem N.-Abfall sind die jurassischen Klippen Buochserhorn, Chlewen und Musenalp anormal aufgelagert. Die Kreidekalke selbst bilden ob Wolfenschiessen den NO. ziehenden Kamm Brisen (2406 m)-Schwalmis (2248 m)-Bauenstock (2120 m), dessen N.-Flanke sich zur Terrasse von Seelisberg und von da zum Sporn bei Treib am Vierwaldstättersee senkt.
Weniger reich gegliedert als die Kreideregion erscheint das Gebiet der Jurasedimente, das nur von einem einzigen Thal, dem der Engelberger Aa, ganz durchschnitten wird. Der Abschnitt zwischen Aare- und Engelbergerthal umschliesst ausgedehnte Alpweiden (Ballis-, Mägis-, Thalalp etc., alle zwischen 1600-1900 m) und trägt stolze Berggestalten: Giebel (2037 m), Brünigshaupt (2314 m), Hohstollen (2481 m) und Glockhaus (2536 m). Zu Füssen der Steilwände von Hohstollen und Glockhaus dehnt sich der Bergkessel des Melchsees mit der Aa-, Melchsee- und Tannenalp (alle zwischen 1700-2000 m) aus.
Die Kette Graustock-Hutstock (2663 und 2679 m) trennt das Gebiet um den Melchsee vom obern Engelbergerthal. Auf der rechten Seite dieses letztern endlich lagert die stolze Gruppe des Uri Rotstocks (2932 m) mit dem Engelberger Rotstock (2820 m), Ruchstock (2812 m) und dem Hahnen (2611 m) ob Engelberg. Den höchsten Punkt der Gruppe stellt jedoch der Blackenstock (2952 m) dar, der mit seinen mächtigen Wänden den Surenenpass beherrscht und sich nach NO. über die Gitschenstöcke bis zum Bärenstock fortsetzt, wo die Jurakalke zwischen dem Gitschen- und Isenthal über dem Flysch Halt machen.
Das letztgenannte Thal greift mit seinen drei Verzweigungen ins Gebiet des Brisen, Engelberger Rotstocks und Uri Rotstocks hinauf. Zum Schluss erübrigt uns die Erwähnung des stolzen Titlis (3239 m), des höchsten Gipfels der Unterwaldner Alpen, dessen Kalkmassen den Kamm der Gadmerflühe im NO. abschliessen. Einerseits beherrscht er das obere Engelbergerthal und andrerseits den aus dem Gadmenthal nach Engelberg hinüberführenden Wendenpass. Ins kristalline Gebiet endlich reicht nur ein kleiner Abschnitt des Kantons mit dem Grassen (2946 m) und Wichelplankstock (2976 m) hinein.
Die Thäler Unterwaldens stehen über zahlreiche Pässe miteinander in Verbindung. Schon genannt haben wir den Brünig (1011 m), den niedrigsten von allen, der das Thal von Sarnen-Lungern mit Meiringen und dem Aarethal verbindet (Eisenbahn). Von Lungern gelangen wir über die Melchalp ins Klein Melchthal und weiterhin über die Seefeldalp ins eigentliche Melchthal. Dieses wiederum steht mit dem Thal von Engelberg über den Juchlipass (2170 m) und den Storeggpass (1740 m) in Verbindung. Aus dem Engelbergerthal führen der Schoneggpass (1925 m) ins Isenthal, der Jochpass (2215 m) über die Engstlenalp ins Genthal und der Surenenpass (2305 m) ins Gitschenthal und nach dem Urner Reussthal hinüber.
3. Hydrographie.
Der Kanton Unterwalden
gehört grösstenteils dem Einzugsgebiet des Vierwaldstättersees an, in welchen die Sarner und Engelberger
Aa, sowie einige Wasseradern von geringerer Bedeutung (Isenthalerbach und Kohlbach von Emmetten) sich ergiessen. Die beiden
Aa halten sich mit Bezug auf Lauflänge und Wasserführung so ziemlich die Wage. Die Sarner Aa entwässert fast das gesamte
Gebiet zwischen der Pilatuskette und den Kreidekämmen im SO. und O. (vom Brünig bis zum Stanserhorn).
Die aus dem Flysch im NW. herabkommenden Bäche sind böse Wildwasser, die den leicht verwitternden Boden stark angreifen und zahlreiche Rutschungen veranlassen. Um dem vorzubeugen, sind im Gebiet dieser Wildbäche (besonders der beiden Schlieren und des Lauibachs) umfangreiche und kostspielige Schutzbauten zur Ausführung gelangt. Aus SO. kommen neben zahlreichen minder wichtigen Wildbächen die Kleine und Grosse Melchaa. Letztere mündete einst in der Alluvialebene zwischen Sarnersee und Alpnach und verursachte hier häufige Ueberschwemmungen, worauf man sie in den Sarnersee abgeleitet hat, in dem sie nunmehr ihr Geschiebe ohne alle Gefahr für das Umgelände ablagert.
An stehenden Gewässern besitzt der Kanton ausser der Alpnacherbucht des Vierwaldstättersees in erster Linie den 6 km langen Sarnersee (s. diesen Art.). Dazu kommt noch eine Anzahl von Gebirgsseen. Deren flächengrösster, der Lungernsee, verdankt seine Entstehung (wenigstens teilweise) einem Bergsturz, worauf auch der Mensch durch Tieferlegung des Seespiegels noch ändernd eingegriffen hat (vergl. den Art. Lungernsee). Der Melchsee (1880 m) und der unter dem Gipfel des Brünigshaupt gelegene Seefeldsee fliessen durch Trichter unterirdisch ab. Der Trübsee (1765 m) am Weg von Engelberg zum Jochpass verdankt seinen Namen der Zufuhr von milchig getrübten Gletscherschmelzwassern. Von Bedeutung ist in diesen Kalkbergen die unterirdische Wasserzirkulation, infolge deren zumeist im Niveau der Thalsohlen zahlreiche Quellen von grosser Wasserfülle zutage treten. Wir erwähnen bloss die am Fuss des Hahnen nahe Engelberg sprudelnde Quelle, die Schwarzeggquelle unter dem Arvigrat und Heitliswald, die das Dorf Kerns ¶