mehr
und Cassander unter
Kaiser
Ferdinand I., wiewohl auch protestantische
Gelehrte, wie
Hugo
Grotius (s. d.) und
Georg
Calixtus (s. d.),
den
Gedanken aufnahmen. Was 1660 der
Kurfürst von
Mainz,
[* 3]
Johann
Philipp von
Schönborn, mehreren evangelischen
Fürsten als Union
sgrundlage
anbot, lief auf
Akkommodation an die katholischen Unterscheidungslehren hinaus. Ernstlicher waren die
Vorschläge des
von den
Höfen begünstigten
Rojas de
Spinola (s. d.) gemeint, welchem lutherischerseits
Molanus (s. d.) und
Leibniz (s. d.) entgegenkamen.
Diese verhandelten mit
Bossuet (s. d.), welcher aber gleichfalls nur auf Nachgiebigkeit der
Protestanten rechnete. Das
Thorner
Blutbad, die Bedrängung der
Protestanten in
Frankreich und in der
Pfalz, welche
Friedrich
Wilhelm I. von
Preußen
[* 4] und andre evangelische
Reichsstände zu
Repressalien veranlaßten, und die
Salzburger Protestantenverfolgung zerstörten vollends
jede
Hoffnung auf das Gelingen künftiger
Versuche. - Im
Jahrhundert der
Reformation versuchten
Wittenberger und
Tübinger Theologen
vergeblich eine Union
mit der griechisch-katholischen
Kirche; nicht minder erfolglos waren im folgenden
Jahrhundert die Bemühungen
des
Patriarchen
Cyrillus Lukaris (s. d.) um eine Union
mit der
reformierten
Kirche.
Aussichten auf Erfolg hatten von Anfang an nur die
Versuche einer Union
zwischen
Lutheranern und
Reformierten, da diese zwar über
nicht wenige dogmatische
Punkte, namentlich über den
Sinn der Einsetzungsworte des
Abendmahls und über die
Gnadenwahl, voneinander
abwichen, dafür aber durch die Gemeinsamkeit des über allen
Dogmatismus hinausgreifenden protestantischen
Prinzips verbunden waren.
Schon 1529 veranstaltete der
Landgraf
Philipp der Großmütige von
Hessen
[* 5] das
Religionsgespräch zu
Marburg
[* 6] (s.
Luther).
Aber die von Zwingli dargereichte Bruderhand stieß Luther von sich, und als nachher Melanchthon und seine Schüler an der Vereinigung fortarbeiteten, unterlagen sie dem Vorwurf des Kryptocalvinismus (s. d.). Nur vorübergehend hielt der 1570 geschlossene Vertrag von Sendomir vor (s. Dissidenten). Das zwischen sächsischen, hessischen und brandenburgischen Theologen 1631 zu Leipzig [* 7] gehaltene Religionsgespräch sowie auch das zu Kassel [* 8] 1661, welches der Landgraf Wilhelm V. zwischen den reformierten Theologen der Universität Marburg und den lutherischen zu Rinteln angeordnet hatte, bewiesen zwar die Möglichkeit einer Ausgleichung, und hervorragende Theologen, wie lutherischerseits Calixtus und reformierterseits Duräus, setzten die ganze Arbeit ihres Lebens für eine solche ein.
Aber der dogmatische Zelotismus zerstörte beständig die gemachten
Ansätze. Aus
Gründen der
Politik sahen sich die reformierten,
aber über ein lutherisches
Volk herrschenden
Hohenzollern
[* 9] auf den
Gedanken der Union
der beiden evangelischen
Konfessionen
[* 10] hingewiesen.
Friedrich I. von
Preußen veranstaltete 1703 eine Unterredung lutherischer und reformierter Theologen
in
Berlin
[* 11]
(Collegium caritativum), allein die Errichtung einiger Union
skirchen und der
Waisenhäuser zu
Berlin und
Königsberg,
[* 12] in welchen sowohl ein lutherischer als auch ein reformierter
Geistlicher unterrichten und das
Abendmahl
zugleich austeilen mußten, hatte ebensowenig den Fortgang der Vereinigung zur
Folge als der zur Einführung der englischen
Liturgie 1706 promulgierte
Entwurf.
Als später König
Friedrich
Wilhelm I. sich bemühte, durch das
Corpus Evangelicorum 1719 eine Union
zu stande zu bringen, fanden
die von den
Tübinger Theologen
Klemm und
Pfaff proponierten 15 Union
sartikel so wenig Beifall,
daß die
Konsistorien zu
Dresden
[* 13] und Gotha
[* 14] bei dem
Reichstag zu
Regensburg
[* 15] nachdrücklich dagegen protestierten. Zwar wurde hierauf von
Friedrich
Wilhelm I. die Union
wenigstens in seinem
Reich realisiert, indem er selbst der calvinistischen Prädestinationslehre
entsagte, dagegen die
Annahme des reformierten
Kultus forderte; aber schon
Friedrich II. gab 1740 seinem
Lande die alte
Freiheit mit dem alten
Kultus wieder zurück.
Das Reformationsjubiläum von 1817 gab der Union einen neuen Anlaß. In Preußen, wo Konsistorien und Universitäten schon seit Jahren beiden Konfessionen gemein waren, konnte die kirchenregimentliche Union ohne Schwierigkeiten vollzogen werden. Der König erließ eine die Übereinstimmung der Lutheraner und Reformierten im wesentlichen der Lehre [* 16] voraussetzende Aufforderung an die Geistlichkeit, die Union zu fördern. Dieselbe wurde nunmehr auch 30. und 31. Okt. zu Berlin und Potsdam [* 17] durch gemeinschaftliche Abendmahlsfeier vollzogen.
Ferner wurde die Union zu stande gebracht 1817 in Nassau, 1818 in Rheinbayern, 1819 in Anhalt-Bernburg, 1821 in Waldeck-Pyrmont und Baden, [* 18] 1822 in Rhein- und Oberhessen, 1823 auch in Darmstadt, [* 19] 1824 in Hildburghausen, [* 20] 1825 in Lichtenberg, 1827 in Anhalt-Dessau. Eine mächtige Reaktion erhob sich dagegen besonders in Preußen, als Friedrich Wilhelm III. 1822 eine neue Kirchenagende (s. Agendenstreit) den Widerstrebenden aufdringen wollte. Es entstand unter der Führung des Professors Scheibel (s. d.) zu Breslau [* 21] eine Partei, welche den Kampf gegen den Rationalismus in der Landeskirche einem Kampf gegen Union und Agende steigerte und die Annahme beider als Verrat betrachtete (s. Lutherische Kirche).
Friedrich Wilhelm IV. gestattete nicht bloß diesen Altlutheranern, selbständige Gemeinden zu bilden, sondern machte auch den lutherischen Sonderbestrebungen innerhalb der Landeskirche die weitgehendsten Zugeständnisse. Ein Erlaß von 1852 stellte die Zusammensetzung des Oberkirchenrats zu Berlin aus lutherischen, reformierten und unierten Mitgliedern fest sowie den Modus der Entscheidung durch Separation der Mitglieder (itio in partes) bei rein konfessionellen Fragen.
Gleichwohl lehnte ein Erlaß von 1853 ausdrücklich jede Absicht einer Störung der Union ab und ordnete zugleich an, daß der altlutherische Ritus beim Abendmahl nur auf gemeinschaftlichen Antrag des Geistlichen und der Gemeinde gestattet sein sollte; 1857 ward derselbe noch von der Genehmigung der Konsistorien abhängig gemacht. Eine 1856 auf Befehl des Königs zusammen tretende, aus 40 Vertrauensmännern bestehende Konferenz sprach sich gegen eine bekenntnislose Union aus.
Der Name der Union selbst aber ward durch einen königlichen Erlaß vom für die alten Provinzen Preußens [* 22] festgehalten.
Vgl. Hering, Geschichte der kirchlichen Unionsversuche (Leipz. 1836-1838, 2 Bde.);
Nitzsch, Urkundenbuch der evangelischen Union (Bonn [* 23] 1853);
Julius Müller, Die evangelische Union (Halle [* 24] 1854);
Schenkel, Der Unionsberuf des evangelischen Protestantismus (Heidelb. 1855);
Wangemann, Sieben Bücher preußischer Kirchengeschichte (Berl. 1859-60, 3 Bde.);
Nagel, Die Kämpfe der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen seit Einführung der Union (Stuttg. 1869);
Brandes, Geschichte der evangelischen Union in Preußen (Gotha 1872 bis 1873, 2 Bde.);
Finscher, Union und Konfession (Kassel 1873, 2 Bde.);
Mücke, Preußens landeskirchliche Unionsentwickelung (Brandenb. 1879).