Ulm
,
Gurnigelbad - Gürtel [
![Bild 58.571: Gurnigelbad - Gürtel [unkorrigiert] Bild 58.571: Gurnigelbad - Gürtel [unkorrigiert]](/meyers/thumb/58/58_0571.jpeg)
* 3
Gürtel.[* 1] Hauptstadt des württemberg. Donaukreises, am linken Ufer der Donau, die hier die Blau und Iller aufnimmt und schiffbar wird, Knotenpunkt der Linien Ulm-München-Simbach und Ulm-Kempten der Bayrischen und Bretten-Friedrichshafen, Aalen-Ulm und Ulm-Sigmaringen der Württembergischen Staatsbahn, 590 m ü. M., ist mit der gegenüber auf bayrischem Gebiet gelegenen Stadt Neuulm (s. d.) eine Festung [* 2] ersten Ranges (bis 1866 deutsche Bundesfestung). Die Werke, 1842 bis 1866 angelegt und neuerdings verstärkt, bilden einen kaum in fünf Stunden zu umschreitenden Gürtel [* 3] von Mauern, Gräben, Wällen u. Türmen, um die sich wieder ein weiter Kranz von Vorwerken lagert.
Die merkwürdigsten Gebäude der nach altreichsstädtischer Weise eng u. unregelmäßig gebauten Stadt sind: das Rathaus (15. Jahrh.) mit dem Marktbrunnen (sogen. »Fischkasten«),
die ehemalige Komturei des Deutschen Ordens (jetzt Kaserne), das sogen. Palais (jetzt Sitz der Kreisregierung), das Zeughaus, Gouvernementsgebäude, mehrere Kasernen und unter den Kirchen besonders das protestantische Münster, [* 4] ein großartiger gotischer Bau in den reinsten Verhältnissen, an dessen Restauration seit Jahrzehnten gearbeitet wird, und der demnächst seiner Vollendung entgegensieht. Er bedeckt einen Flächenraum von 5100 qm und wird hinsichtlich seines Umfangs in Deutschland [* 5] nur von dem Kölner [* 6] Dom übertroffen.
Das fünfschiffige, von mächtigen Säulen [* 7] getragene Innere ist 139 m lang, 57 m breit und durch edle Einfachheit von erhebender Wirkung; es enthält ausgezeichnete Holzschnitzereien (Chorstühle von Jörg Syrlin dem ältern), Skulpturen, Ölgemälde und Fensterglasmalereien und eine 1856 erbaute, 1888 veränderte große Orgel mit 100 Registern und 6286 Pfeifen. Das Mittelschiff erreicht eine Höhe von 41 m, die vier Seitenschiffe von je 23 m, das Chor von 29 m. Der über dem prachtvollen Hauptportal sich erhebende Turm, [* 8] welcher (das hölzerne Notdach nicht gerechnet) nur bis zur Höhe von 75 m fertig gebracht war, ist seit 1885 im Ausbau begriffen und wird, nach dem Originalriß des Matthäus Böblinger ausgeführt, eine Höhe von 151 m erreichen.
Der
Bau des
Münsters wurde 1377 begonnen und bis 1494 fortgeführt. Die beiden andern
Kirchen Ulms
sind die
Heilige Dreifaltigkeitskirche
und die
katholische Kirche (mit sehenswerten
Skulpturen). Von neuern Bauwerken sind noch die 1832 vollendete
Donaubrücke
(Wilhelm Ludwigs-Brücke), die
Eisenbahnbrücke, mehrere
Schulhäuser, ein Schlachthaus und der
Bahnhof zu erwähnen.
Die
Bevölkerung
[* 9] betrug 1885 mit der
Garnison (ein Grenadierreg. Nr. 123, ein Infanteriereg.
Ulmaceen - Ulpianus

* 11
Seite 15.984.
[* 1]
^[Abb.:
Wappen
[* 10] von Ulm.]
¶
mehr
Nr. 124, 3 Eskadr. Dragoner Nr. 26, ein Feldartilleriereg. Nr. 13,
ein Fußartilleriebat. Nr. 13 und ein Pionierbat. Nr.
13) 33,610 Seelen, darunter 24,295 Evangelische, 8488 Katholiken und 667 Juden. ist einer der wichtigsten Industrie- und Handelsplätze
Württembergs. Man findet hier starke Lein- und Baumwollweberei, ferner Fabriken für Leder, Asphalt, Feuerwehrrequisiten,
Turmuhren, künstliche Blumen, Dachpappe, Karten, Tabak,
[* 12] Zement, Maschinen, Gußstahl, eiserne Möbel
[* 13] und Kochgeschirre, Nähmaschinen,
[* 14] mathematische, physikalische, optische und musikalische Instrumente, Wagen, chemische Produkte, Messing-, Korb- und Holzwaren (Ulmer
Pfeifenköpfe), Hüte, Malz etc. Außerdem hat Ulm
bedeutende Gerbereien, Bierbrauereien, Färbereien, Eisen- und Kupferhämmer,
eine Glockengießerei, große Bleichen, Schiffbau etc., starken Obst- und Gemüsebau und Blumenzucht.
Thb. - Theater

* 15
Theater.Der lebhafte Handel, unterstützt durch eine Handels- und Gewerbekammer, durch eine Reichsbanknebenstelle und mehrere Bankinstitute, ist besonders Holz-, Produkten- und Speditionshandel. Unter den Messen und Märkten sind noch die Tuch- und Ledermesse sowie die Fruchtmärkte von Bedeutung. An Bildungs- und andern öffentlichen Anstalten befinden sich dort: ein Gymnasium, ein Realgymnasium, eine Realanstalt, eine Frauenarbeitsschule, eine landwirtschaftliche Winterschule, ein Verein für Kunst und Altertum, eine Stadtbibliothek von 30,000 Bänden, ein Theater [* 15] und ein Museum;
ferner ein Witwen- und Waisenhaus, ein großes Hospital, eine Badeanstalt [* 16] etc. ist Sitz der Kreisregierung, eines Oberamtes, eines Landgerichts, eines Generalsuperintendenten, eines Hauptzollamtes, eines Festungsgouverneurs und -Kommandanten, des Stabes der 27. Division und der 53. und 54. Infanterie- wie der 27. Kavalleriebrigade.
Die städtischen Behörden zählen 19 Magistratsmitglieder und 18 Stadtverordnete. Zum Landgerichtsbezirk
Ulm
gehören die 8 Amtsgerichte zu Blaubeuren, Ehingen, Geislingen, Göppingen,
[* 17] Kirchheim, Laupheim, Münsingen und Ulm.
Blutbewegung (chemisch

* 19
Blüte. Geschichte. Ulm
, in der Karolingerzeit ein königliches Hofgut mit einer Pfalz, wird zuerst 854 erwähnt
und wurde von Ludwig dem Deutschen und seinen Nachfolgern mehrfach zur Abhaltung von Reichsversammlungen benutzt. Seit 1027 ist
es als Stadt nachzuweisen und wurde bald Hauptstadt des Herzogtums Schwaben. Wegen seiner Anhänglichkeit an die Hohenstaufen
wurde Ulm
1134 von Heinrich dem Stolzen von Bayern
[* 18] niedergebrannt und geplündert. Doch erhob sich die Stadt
seit 1140 zu neuer Blüte
[* 19] und erscheint schon 1155 als Reichsstadt. 1274 erhielt sie dieselben Freiheiten wie Eßlingen.
[* 20]
Sie stand unter der Vogtei der Grafen von Dillingen, dann der von Württemberg.
[* 21] 1247 widerstand sie heldenmütig
dem Gegenkönig Heinrich Raspe. 1331 trat sie in den Schwäbischen Städtebund und beteiligte sich auch 1376 an der Einigung
der schwäbischen Städte. Eine Belagerung durch Kaiser Karl IV. in demselben Jahr blieb erfolglos. An dem Krieg von 1388 nahm
Ulm
als Vorort des Städtebundes hervorragenden Anteil. Seine Blütezeit fällt in die zweite Hälfte des 14. Jahrh.,
wo es jedoch nur eine Bevölkerung von 20,000 Einw. und ein Gebiet von 926 qkm (17 QM.)
hatte.
Schweden und Norwegen

* 22
Schweden.
Die Reformation fand früh in Ulm
Eingang; schon 1526 trat die Stadt dem Torgauer, 1530 dem Schmalkaldischen Bund bei, mußte
sich aber 1546 Karl V. unterwerfen und 1548 das Augsburger Interim annehmen. Der Vertrag von Ulm
stellte den Frieden zwischen der Union und Liga her; wurde daselbst ein
Waffenstillstand zwischen Bayern, Frankreich
und Schweden
[* 22] abgeschlossen. Am fand hier ein Gefecht zwischen den Österreichern unter Latour und der
französischen Arrieregarde unter Moreau statt.
Durch den Reichsdeputationsrezeß von 1803 verlor Ulm
die Reichsfreiheit und ward Hauptstadt des bayrischen Oberdonaukreises, 1805 aber
von den Österreichern besetzt. Bald darauf wurde hier der österreichische Feldzeugmeister General Mack durch die Franzosen unter
Napoleon I. eingeschlossen und mußte sich 17. Okt. mit 23,300 Mann kriegsgefangen ergeben. Infolge
des Wiener Friedens ward Ulm
von Bayern an Württemberg abgetreten, 1842 zur Bundesfestung ersten Ranges bestimmt und
der Bau der Befestigungen namentlich von dem preußischen General v. Prittwitz geleitet. Seit 1871 ist es deutsche Reichsfestung.
Vgl. Jäger, Ulms Verfassung im Mittelalter (Heilbr. 1831);
Pressel, Ulmisches Urkundenbuch (Stuttg. 1873);
Derselbe, Ulm und sein Münster (Ulm 1878);
Haßler, Ulms Kunstgeschichte im Mittelalter (Stuttg. 1872);
Fischer, Geschichte der Stadt Ulm (das. 1863);