Uhren
sind eine besondre Klasse von Maschinen, auf deren Vervollkommnung die größten Gelehrten und mechanischen Künstler mehrerer Jahrhunderte ihre Kräfte verwendet haben, während ihre Verwohlfeilerung und dadurch mögliche Verbreitung bis in die untersten Volksschichten das Werk der neueren fabrikmäßigen Industrie ist.
Die alten Uhren
waren bei aller Kostspieligkeit sehr mangelhafte Zeitweiser und dienten mehr als Luxusstücke für Reiche.
Sie wurden von einzelnen Uhrmachern einzeln hergestellt, während die heutigen Uhrmacher nur Reparateure
und Händler mit Fabrikartikeln sind. Nur die Großuhrmacherei macht hiervon eine Ausnahme. Im großen Format für Kloster,
Kirchen und Stadthäuser traten die Uhren
überhaupt zuerst auf. Unter den am ersten aufgestellten werden die des Straßburger
Münsters (1352) und die in Augsburg (1364) genannt. Ums Jahr 1500 erfand Peter Hele in Nürnberg die
Taschenuhren
, anfänglich sehr schwerfällige
Maschinen, die 9-1200 Mk. kosteten. Turm- und Stubenuhren
blieben lange Zeit
sehr unvollkommene Werke, da sie des besten Gangreglers, des Pendels, entbehrten, der sich erst um 1657 hinzufand. Bis dahin
hatten sie oberhalb einen Schwingbalken oder ein Schwungrad, ähnlich
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den Taschenuhren.
Mit Hilfe des Pendels wurde es bald möglich, richtig gehende Gewichtuhren herzustellen, die selbst den
Ansprüchen der Astronomen genügen konnten. Weit schwieriger war die Aufgabe, auch die tragbaren Federuhren
so weit zu vervollkommnen,
daß sie im Gange annähernd so richtig würden, wie die Pendeluhren.
Dies konnte hauptsächlich nur
erreicht werden durch verbesserte Hemmung (Echappements), der Vorrichtung, welche die Uhr im Gange anhält und wieder ausläßt.
Das übrige Räderwerk bleibt sich im wesentlichen immer gleich. Es sind denn auch eine große Anzahl Hemmungen erdacht worden,
meist schon im vorigen Jahrhundert.
Auch die jetzt gebräuchlichen Cylinder- und Ankeruhren
sind nichts Neues, und indem die heutige Fabrikation
sie einführte, hatte sie hauptsächlich nur für wohlfeile Herstellung zu sorgen. Hilfsmaschinen zur leichten und exakten
Herstellung der einzelnen Teile haben dazu wesentlich beigetragen und es sind deren immer mehr und bis in die jüngste Zeit
erfunden worden. Die alten Spindeluhren
sind jetzt so gut wie abgethan, obschon sie bereits verbessert
waren durch den sinnreichen Zugregulator, die Schnecke, welche den älteren Werken noch abging.
Die Cylinder- und Ankerhemmung sind um so viel besser, als der Spindelgang, daß sie die Schnecke so ziemlich entbehrlich
machen, obschon zugegeben werden muß, daß sie durch Hinzufügung derselben noch verbessert werden würden.
Das Weglassen dieses Stückes ist aber geboten, wenn es sich um flach gebaute Uhren
handelt, und andre als solche will jetzt
Niemand mehr tragen. Die Ankeruhren
sind den Cylinderuhren vorzuziehen, aber nur, wenn sie gut sind, in welchem Falle sie
dann auch teuer sein müssen. Wohlfeile Ankeruhren
zu kaufen ist äußerst unzweckmäßig. -
Daß die Wanduhren
sich bis in die geringsten Wohnungen und fernsten Erdwinkel verbreiten konnten, ist den betriebsamen Bewohnern
des Schwarzwaldes zu danken. Die Versendung sehr wohlfeiler hölzerner U. von dort begann etwa um 1700. Anfangs wurden selbst
die Räderwerke von Holz gemacht, statt dessen jetzt schon lange Messing dient. Überhaupt ist das anstellige
Volk des Schwarzwaldes (badischen und würtembergischen Anteils) in seinem Fache stets rüstig fortgeschritten und bringt
auf den öffentlichen Ausstellungen immer ein reiches Sortiment von Wand-, Stand-, Gewicht- und Federuhren
zur Anschauung,
vermehrt noch durch allerlei Spieluhren
und Musikwerke. Die Uhrmacherei ist dort noch größtenteils
reine Hausindustrie, von Familien in den kleinen Städten und Dörfern betrieben. Meister, Gesellen, selbst Frauen arbeiten
jede in ihrem speziellen Fache. Der eine schnitzt Gehäuse, der andre macht Räder, ein dritter Zifferblätter, wieder ein
andrer setzt die Werke zusammen etc.
Die Städtchen Triburg und Furtwangen bilden jetzt die Mittelpunkte der Industrie und des Handels mit U. Alljährlich gehen an 200000 Stück U. aller Art vom Schwarzwald in alle Teile der Welt hinaus, teils auf dem Wege des Großhandels, teils, wie von jeher, durch die bekannten hausierenden Uhrenmänner. Die schwarzwälder Waren sind kaum einer Konkurrenz ausgesetzt, da sie erstaunlich wohlfeil sind. Man kauft schon für 3 Mk. eine kleine brauchbare Wanduhr, für 18-21 Mk. eine vortreffliche, acht Tage gehende Standuhr. Die Verpflanzung der Uhrenindustrie nach dem sächsischen Erzgebirge zum Besten der armen Bevölkerung ist nur insoweit gelungen, daß zu Karlsfeld eine Fabrik besteht, welche jährlich für 15-18000 Mk. Geschäfte macht. Es werden dort außer Wanduhren und Regulateuren auch Turm-, Stations- und Hofuhren, Zugfederuhren, Metronome und Fournituren gefertigt. -
In den bürgerlichen Kreisen haben sich an Stelle der gewöhnlichen Gewichtuhren zunehmend Standuhren und neuerdings die sog. Regulateure eingebürgert, was lediglich Geschmackssache ist, da sie nicht mehr leisten wie jene und öfter reparaturbedürftig sind. -
Gegenstände der höhern Uhrmacherkunst und nicht der Fabrikation sind die Pendeluhren, welche auf Sternwarten gebraucht werden und das Möglichste in Richtigkeit des Ganges leisten müssen. Auch die Normaluhren der Uhrmacher können schon dazu gerechnet werden. Bei solchen Werken findet sich außer andern subtilen Einrichtungen auch immer eine Kompensation, welche den Einfluß aufhebt, den die Pendelstange dadurch auf den Gang ausüben würde, daß sie in warmer Temperatur sich verlängert, in kalter sich verkürzt. Diese Kompensationen beruhen auf der ungleichmäßigen Ausdehnung verschiedner Metalle und bestehen entweder aus einer Kombination von Stahl- und Zinkstäbchen (Rostpendel) oder die Stange hat eine Röhre mit Quecksilber, das bei zunehmender Temperatur steigt, und damit den Schwerpunkt des Pendels um eben so viel hebt, als er durch die Verlängerung der Stange gesenkt wird. -
Die größte Menge der U. und den Hauptgegenstand des Handels bilden die Taschenuhren. An der Produktion dieses wichtigen Artikels beteiligen sich hauptsächlich Deutschland, die Schweiz, Frankreich, England und Amerika, jedes in seiner besondern Art. Die englischen und amerikanischen U. sind sehr solid und äußerst genau im Gange, aber im Verhältnis teuer und wenig im Handel des Kontinents anzutreffen; die französischen sind viel leichter gebaut und wollen hauptsächlich durch Geschmack und Zierlichkeit bestechen, während die Schweizer, sonst den Franzosen ebenbürtig, doch mehr die Rücksicht auf Wohlfeilheit vorherrschen lassen, die ihnen den großen Markt sichert, und sich bemühen, für jedes Land den besondern Geschmack der Abnehmer zu treffen.
Die Sitze der schweizer Fabrikation sind in den Kantonen Neuenburg und Genf. Die Städte Genf, La-Chaux-de-Fonds, Locle, St. Imier kann man fast nicht nennen, ohne an U. zu denken. In Genf erkennt man sogleich an der durchgängigen Verglasung vieler Häuser in den obersten Stockwerken, daß dort in dem vollen Lichte Uhrmacherarbeiten betrieben werden. Der erste schweizer Uhrmacher, ein junger erfinderischer Mann, Richard, wurde es aus sich selbst, nachdem ihm um 1679 als damals viel bewunderter Neuigkeit eine Nürnberger U. zu Gesicht gekommen war. ¶
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Seine Werkstatt wurde die Mutter aller übrigen. Geschlossene Fabriken mit Prinzipal und Lohnarbeitern gibt es in der Schweiz außer der großartigen von Patek in Genf wohl keine weiter; alle Teile und Teilchen werden von selbständigen Arbeitern in ihren Behausungen, unter Mitwirkung der Familienglieder, hergestellt und eine Hand macht jahraus jahrein das nämliche Teilstück. Der Unternehmer, der etwa als Fabrikant gelten kann, beschäftigt in der Regel keine Arbeiter im Hause, sondern kauft die Teile zusammen, um sie zum Ganzen vereinigen zu lasssen ^[richtig: lassen]. Obwohl aus den verschiedensten Händen bezogen, passen doch alle Teile bis auf leichte Abgleichungsarbeiten genau, da sie alle nach einer Norm gearbeitet sind. Wohl die subtilsten Arbeiten für die U. sind das Schleifen und Bohren der hirsekorngroßen Rubine für die Zapfenlöcher, und die Spiralen für die Unruhe.
Man unterscheidet in der schweizer Fabrikation nicht weniger als 54 einzelne Arbeitszweige, die alle zusammengewirkt haben müssen, ehe eine U. zum Versenden fertig ist. Wegen der geteilten Arbeit wandern daher die unfertigen Werke beständig in Pappschachteln zwischen den einzelnen Werkstätten hin und her. Die große Ausdehnung und Wichtigkeit der schweizer Uhrenindustrie läßt sich daran bemessen, daß daselbst schon im Jahre 1856 nicht weniger als 1100000 Stück U. fertig wurden und die Zahl der darin Beschäftigten sich auf etwa 40000 belief.
Die französische Fabrikation ist weit weniger umfangreich; der Hauptfabrikort für Taschenuhren ist dort Besançon, während sich Paris hauptsächlich auf die Herstellung von Pendeluhren verlegt. In England hat die Uhrmacherei ihre Sitze in London, Birmingham und Chester. Als ein Ableger der schweizer Industrie ist die Fabrikation zu Glashütte bei Dresden zu betrachten. Es werden daselbst nur höhere Qualitäten, namentlich Ankeruhren, gefertigt, die meist ins Ausland gehen, weil die deutschen Uhrmacher lieber mit schweizer und französischer Ware handeln. Die Uhrenindustrie in Glashütte hat sich in den letzten Jahren sehr gehoben, auch ist daselbst eine Uhrmacherschule errichtet worden. Der Wert der daselbst fabrizierten U. beläuft sich auf jährlich circa 350000 Mk. -
Auch werden in Glashütte feine und kunstvolle Maschinen, welche mit der Uhrenfabrikation in naher Beziehung stehen, für den Handel gefertigt. -
England hat seinen Schwerpunkt in der Fabrikation von Chronometern oder Seeuhren, da es nicht allein
den großen Bedarf seiner eignen Marine zu decken hat, sondern auch die übrigen seefahrenden Nationen und die Sternwarten
andrer Länder ihre Chronometer gern von dort beziehen. In Deutschland, namentlich Hamburg und Altona, werden aber auch gute
derartige U. gebaut. Die Chronometer, sehr große Sekundenuhren, sind keine gewöhnlichen Zeitweiser,
sondern dienen zur Bestimmung der geographischen Länge des Orts in See, wo ein Schiff sich eben befindet, und bedürfen
hierzu eines weit genauern Ganges, als ihn das tägliche Leben benötigt. Sie werden daher in besondern Kunstwerkstätten
angefertigt und vor der Hinausgabe monatelang täglich
geprüft, bald in kalte, bald in heiße Räume
gebracht, der Gang fortwährend mit einer genauen astronomischen
U. verglichen und das Ergebnis notiert.
Der Käufer einer solchen U. erhält zugleich ein Attest mit, welches das Verhalten derselben angibt, d. h. wie viel sie etwa vor- oder nachgeht, denn dieses thut ihrer Brauchbarkeit keinen Eintrag, wenn das Wieviel bekannt ist. Die U., mit größter Aufmerksamkeit an Bord gebracht, erhält ihren Platz in der Nähe der Schiffsmitte in einem Verschlag, wo sie in einem gepolsterten Kästchen liegt, das wie ein Kompaß in Doppelringen aufgehangen ist. Dies gilt von der eigentlichen Schiffsuhr, während von den Offizieren gewöhnlich außerdem noch kleinere Taschenchronometer geführt werden.
Von der Schiffsuhr wird weiter nichts verlangt, als daß sie unter allen Umständen und Klimaten ihren Gang nicht ändert;
dann kann sie in folgender Art gebraucht werden. Die U. ist beim Auslaufen nach der Zeit einer Hauptstation, also für England
nach Londoner Zeit gestellt. Wird sie immer im Gange erhalten, so ersieht man an ihr zu jeder Zeit, unter
Berücksichtigung der ihr eigentümlichen Abweichung, welche Zeit es eben in London ist. Findet sich bei einer Mittagsaufnahme
auf See, daß die Londoner Zeit z. B. gerade um eine Stunde hinter der örtlichen zurück
ist, so ist man um 1/24 des betreffenden Breitenkreises westlich von London entfernt, und ist die Breite
bekannt oder ermittelt, was natürlich notwendig ist, so kennt man auch den Ort des Schiffs. Diese U. sind jetzt so vervollkommt,
daß man unter Zuhilfenahme von astronomischen
Beobachtungen und Tabellen den Schiffsort aufs Genaueste zu bestimmen vermag.
Der Bau der Chronometer zeigt verschiedne Abweichungen von den gewöhnlichen U. Sie haben zwei Federhäuser, die nach einander alle 24 Stunden aufgezogen werden, eine besondere Hemmung, die speziell sog. Chronometerhemmung, und eine Kompensation, die in die Unruhe selbst verlegt ist. Diese trägt nämlich keinen geschlossenen Ring, sondern an einem einfachen Querbalken nur zwei Bogenstücke aus zweierlei Metall und mit Schwungkügelchen beschwert. Indem sich diese Stücke je nach den Temperatureinflüssen mehr krümmen oder strecken, erhalten sie den gleichmäßigen Fortgang des Werks. Eine außereuropäische Uhrmacherei gab es früherhin nicht, während jetzt in Nordamerika in großartigen Etablissements vortreffliche Taschenuhren fabriziert werden. Dagegen ist Asien ein sicherer Kunde für Europa und auch ein guter, zumal dort allgemein, in China und anderwärts, noch die Sitte herrscht, die Taschenuhren stets paarweise zu tragen. -
In neurer Zeit hat man der Konstruktion große Aufmerksamkeit geschenkt und eine Anzahl von wichtigen Erfindungen gemacht. Dahin ist in erster Linie die pneumatische U. zu rechnen, mittels deren es möglich wird durch eine Normaluhr die verschiednen in einer Stadt auf Plätzen, Häusern, in Kontoren und Wohnungen verteilten U. zu stellen. Auch die Elektrizität wird als Motor benutzt und werden von Hipp gute elektrische U. geliefert. ¶
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Titel
Uhren,
[* 5] Instrumente, die zur Messung und Einteilung der Zeit dienen. (Tafel: Uhren I zeigt verschiedene Modelle moderner Zimmeruhren, während Taf. II den innern Mechanismus einzelner Uhrengattungen erläutert.) Die Alten kannten nur die Sonnenuhr [* 6] (s. d.), die Sanduhr (s. d.) und die Wasseruhr (s. d.). Tycho de Brahe verfertigte sich zu astron. Gebrauch eine Uhr, [* 7] wobei er statt des Sandes Quecksilber verwandte. Die modernen sind mit Räderwerk versehen. Der Erfinder dieser Räderuhren ist nicht mit Bestimmtheit anzugeben.
Erst im 12. Jahrh. fing man in den Klöstern an, Schlaguhren mit Räderwerk zu gebrauchen. Dante erwähnt ausdrücklich die Schlaguhren, die hiernach schon zu Ende des 13. Jahrh. in Italien [* 8] bekannt gewesen sein müssen. 1288 erhielt ein engl. Mechaniker ein Privilegium für die Verfertigung einer Uhr für den Turm [* 9] der Westminsterhalle. Doch wurden die Turmuhren erst im 14. Jahrh. allgemeiner, wo sie in Bologna, Nürnberg, [* 10] Straßburg, [* 11] Courtray, Speyer [* 12] u. s. w. vorkommen und Jak. Dondi in Padua [* 13] sowie Heinrich von Wiek oder Wyck, ein Deutscher, als Verfertiger von Turmuhren berühmt waren.
Gegen Ende des 15. Jahrh. waren die auf dem Kontinent wie in England schon sehr verbreitet; um 1484 brauchte man sie schon zu astron. Beobachtungen. Die Taschenuhren (Sackuhren) hat, wie unzweifelhaft nachgewiesen worden ist, der Nürnberger Schlosser Peter Hele (1480-1542) erfunden; schon 1511 hatte er die tragbare Uhr so vervollkommnet, daß sie 40 Stunden ging und schlug. Nach ihrer Form bekamen die Nürnberger Sackuhren den Namen «Nürnberger Eyerlein»; noch heute nennt man scherzhaft «Nürnberger Eier» Taschenuhren, die eine ungewöhnliche Größe oder Dicke besitzen.
Die ältesten Turm- und Zimmeruhren, besaßen zur Regelung eines gleichförmigen Räderablaufs einen hin und her schwingenden, mit Gewichten belasteten Stab [* 14] (Wag oder Bilanz genannt), dessen Achse an einem Faden [* 15] aufgehangen war. Huyghens erfand 1656 die eigentliche Pendeluhr, d. h. die Verbindung des durch die Wirkung der Schwere schwingenden Pendels mit der Spindelhemmung der alten Waguhren (s. unten). Galilei war schon 1641 auf die Idee gekommen, das Pendel [* 16] in den damaligen anzuwenden. Die Repetieruhren erfand Barlow in London [* 17] 1676. Als Erfinder der sehr genauen tragbaren (Chronometer, s. d.) ist der Engländer Harrison (gest. 1776) zu betrachten.
An jeder heutigen Räderuhr sind vier Hauptbestandteile zu unterscheiden:
1) der Bewegungsapparat, welcher die zum Gange erforderliche Kraft [* 18] entwickelt;
2) das Räderwerk, ein System ineinander greifender verzahnter Räder, wodurch die Zeiger mit der angemessenen und gleichförmigen Geschwindigkeit bewegt werden;
3) der Regulator, [* 19] das eigentlich Zeitmessende an der Uhr, nämlich eine Vorrichtung, welche kleine, aber höchst regelmäßige Bewegungen von bestimmter kurzer Zeitdauer fortwährend vollbringt, die dann durch das Räderwerk gleichsam gezählt und mittels der Zeiger auf dem Zifferblatt registriert werden;
4) die Hemmung, auch der Gang [* 20] oder das Echappement genannt, ein Verbindungsglied zwischen Räderwerk und Regulator mit der doppelten Bestimmung, einerseits das Ablaufen des Räderwerkes zu verzögern, andererseits dem Regulator fort und fort mittels kleiner Einwirkungen dasjenige an seiner selbständigen Bewegkraft zu ersetzen, was er durch Reibungen und Luftwiderstand einbüßt. Die Bewegungen des Regulators sind Schwingungen eines Pendels oder eines kleinen Schwungrades, der sog. Unruhe (s. d.); danach teilen sich die in Pendeluhren (frz. pendules, engl. clocks) und Unruhuhren (frz. montres, engl. watches). Das Pendel besteht aus ¶
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einem Holz- oder Metallstabe, an welchem unten ein linsenförmiger Körper befestigt ist, während er oben mittels einer
biegsamen Stahlfeder aufgehängt ist (Federaufhängung). Hinsichtlich der bewegenden Kraft unterscheidet man Gewichtuhren,
Federuhren, Elektrische Uhren
[* 22] (s. d.), nach der Art des Gebrauchs Schlaguhren, Wecker,
Taschenuhren, Stutzuhren, Standuhren, Wand- und Turmuhren, astronomische
Schiffsuhren u. s. w. Bei den Gewichtuhren,
welche fast ohne Ausnahme Pendeluhren sind, wird das Räderwerk durch ein Gewicht in Bewegung gesetzt, das an einer um eine
bewegliche Walze gewundenen Schnur hängt, vermöge seiner Schwere herabsinkt und dadurch jene Walze um ihre Achse dreht.
Ein mit der Walze verbundenes Zahnrad setzt nun weiter eine Reihe von Rädern und Getrieben in Bewegung, so daß das letzte Rad sich mit der größten Geschwindigkeit umdreht. Dieses letzte Rad wird aber vermöge der Schwingungen des Pendels durch die Hemmung (s. unten) dergestalt verzögert, daß die Gewichtwalze und das niedersinkende Gewicht nur äußerst langsam sich bewegen können und das Werk geraume Zeit nach einem Aufzuge im Gange bleibt (12-Stunden-, 24-Stunden-, 8- Tage-, Monats- und Jahruhren).
Zufolge gehöriger Einrichtung des Räderwerkes muß darin ein Rad vorkommen, welches genau in einer Stunde einmal sich umdreht (Minutenrad); auf die Achse dieses Rades wird der Minutenzeiger gesteckt, und durch ein besonderes kleines Räderwerk (Zeiger- oder Vorlegewerk) empfängt der Stundenzeiger seine zwölfmal langsamere Bewegung. Bei den Federuhren, welche Pendeluhren (wie die Stutzuhren) oder Unruhuhren (wie die Taschen- und Reiseuhren) sein können, ist die bewegende Kraft die Elasticität einer langen, mehr oder weniger breiten, sehr dünnen Stahlfeder, die im Innern einer Trommel (des Federhauses) um deren Achse (den Federstift) spiralförmig gewunden, mit einem Ende an dieser Achse, mit dem andern an der Wand der Trommel befestigt ist (s. Tafel: Uhren II, [* 21] Fig. 1 a u. b). Entweder die Trommel oder ihre Achse ist unbeweglich; durch das Bestreben der Feder, sich zu entwickeln, wird daher im ersten Falle der Federstift, im zweiten Falle das Federhaus umgedreht und kann so das Räderwerk in Gang setzen.
Dabei nimmt die Kraft der Feder desto mehr ab, je weiter sie sich entwickelt. Damit aber dieser Umstand keinen nachteiligen Einfluß auf den gleichförmigen Gang der Uhr habe, muß eine vollkommen konstruierte Hemmung angewendet werden; außerdem macht man die Feder möglichst lang, gebraucht jedoch nur die mittelsten Umgänge derselben, während welcher die Kraft annähernd gleichmäßig bleibt. In andern Fällen benutzt man zur Ausgleichung des allmählich abnehmenden Zugs der Feder die Schnecke [* 21] (Fig. 2), einen abgestutzt kegelförmigen Körper, welcher mit dem Federhause durch die Kette verbunden ist.
Letztere befindet sich, wenn die Uhr aufgezogen ist, ganz um die Schnecke, von dem dickern nach dem dünnern Ende derselben aufgewunden. Wenn nun die Feder das Federhaus umdreht, zieht dieses die Kette an sich, durch deren Abwicklung von der Schnecke auch letztere sich dreht. Indem die Kette zuerst an dem kleinsten, später mehr und mehr an einem größern Halbmesser der Schnecke thätig ist, erfolgt die Ausgleichung der Zugkraft der Feder. Die frühern Taschenuhren mit der jetzt nicht mehr angewendeten Spindelhemmung konnten infolge der Unregelmäßigkeiten der Zugfeder, des Räderwerkes und der Mängel, welche mit dem Spindelgange unzertrennlich waren, Schnecke und Kette nicht entbehren; jetzt wendet man die Schnecke nur noch in Präcisionswerken an, in den Chronometern ausschließlich.
Von den Hemmungen ist die älteste die Spindelhemmung der Waguhr [* 21] (Fig. 3). Die Schwingungen des Wagebalkens (Bilanz) a a, deren Dauer durch versetzbare Gewichte reguliert werden kann, werden auf die Spindel b übertragen; die beiden an der Spindel befestigten Lappen stellen sich abwechselnd den Zähnen des kronenförmigen Hemmungs-, Steig- oder Gangrades c entgegen und zwingen es zu einer ruckweisen Bewegung, deren Abschnitte unter sich gleich sind. Für Pendeluhren geringerer Art (Schwarzwälder hat man die einfache Hakenhemmung, bestehend aus einem Rade mit schräg eingeschnittenen, spitzen Zähnen (dem Steigrade) und dem stählernen Haken, welcher durch die Schwingungen des Pendels sich derartig hin und her bewegt, daß er wechselweise auf der einen und auf der andern Seite des Steigrades einem Zahne desselben sich entgegenstellt und so dasselbe einen Augenblick anhält. Bei weitem vorzuziehen ist die Ankerhemmung von Graham [* 21] (Fig. 4), bei der das Gangrad von ähnlicher Beschaffenheit ist, an die Stelle des Hakens aber der nach seiner Gestalt benannte Anker [* 23] tritt. Dieser Anker a hat zwei Arme, an deren Enden verstellbare Klauen m und n sitzen, die abwechselnd die Zähne [* 24] des Steigrades b aufhalten. Bei der Stiftenhemmung [* 21] (Fig. 5) hat der Anker v eine veränderte Form und das Gangrad w statt der Zähne einen Kreis [* 25] von Stiften auf seiner Fläche.
Künstlichere Hemmungen werden bei astron. Pendeluhren angewendet; doch ist man in neuerer Zeit fast allgemein auf die allereinfachste Form, auf den vorzüglichen Grahamschen Anker zurückgekommen und erzielt damit große Erfolge. Die Normaluhr der Berliner [* 26] Sternwarte [* 27] ergiebt beispielsweise nur eine Abweichung von 0,015 Sekunde in ihrem täglichen Gange; doch genügt für die Präcisionsbestimmung der Zeit eine Genauigkeit von 0,1 Sekunde täglicher Abweichung, während für den bürgerlichen Gebrauch eine größere Anzahl von Sekunden zulässig ist; bei den alten Spindeluhren bestand die Abweichung allerdings in Minuten.
Unruhuhren der ältesten Art haben die Spindelhemmung, die schon die alte Waguhr (s. oben) besaß, und heißen aus diesem Grunde Spindeluhren. Die allgemein verbreitetsten Unruhuhren besitzen die Cylinderhemmung (von Tompion 1695 erfunden und von Graham wesentlich verbessert), welche statt der Spindel einen kleinen stählernen, halb ausgeschnittenen Cylinder und ein Gangrad (Cylinderrad) mit eigentümlich gestalteten, senkrecht gegen die Radfläche stehenden Zähnen enthält.
Die perspektivische Ansicht des Cylinders und des Cylinderrades giebt [* 21] Fig. 6. In [* 21] Fig. 7 sind fünf Stellungen des im Querschnitt gezeichneten Cylinders gezeichnet; m ist die Eingangs- und n die Ausgangslippe des Cylinders. In [* 21] Fig. 13 ist das ganze Räderwerk einer Taschenuhr mit Cylinderhemmung (Cylinderuhr) wiedergegeben. Das mit einem Zahnkranz versehene Federhaus a ist links in Ansicht, rechts im Schnitt dargestellt;
t und v sind die beiden Haken zum Einhängen der Zugfeder, b der vierkantige Stift, über den zum Aufziehen der hohle Uhrschlüssel gesteckt wird;
c ist das Sperrrad, in welches ein Sperrzahn ¶
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eingreift, der das Ablaufen der Feder verhindert, d das Vierkant zum Stellen der Zeiger;
die Welle von d trägt am andern Ende den Minutenzeiger s;
c ist das Minutenrad, n das Minutenrohr;
von wo aus das Wechselrad o und das auf dem Stundenrohr sitzende Stundenrad p mit einem solchen Übersetzungsverhältnis angetrieben werden, daß der Stundenzeiger r zwölfmal so langsam geht als s;
vom Minutenrad e aus wird durch ein Zwischenrad f das Sekundenrad g mit dem Sekundenzeiger h bewegt und zwar mit der 60fachen Übersetzung ins Schnelle.
Von g aus empfängt das Cylinderrad i und der dieses ruckweise hemmende Cylinder k den Antrieb. Auf der Achse von k sitzt die Unruhe l mit der Spiralfeder m. Auf der Achse des Federhauses a sitzt auf der entgegengesetzten Seite von b die in [* 28] Fig. 9 in Vorderansicht gezeichnete Stellvorrichtung, bestehend aus dem Stellrad oder Malteserkreuz a und dem Stellzahn b. Durch die Form der Zähne des Malteserkreuzes wird beim Aufziehen ein vollständiges Anspannen und Ablaufen der Feder verhindert. Als noch vollkommenere Hemmungen gebraucht man für Unruhuhren mehrere Arten der Ankerhemmung. Bei der englischen Ankerhemmung [* 28] (Fig. 14) hat das Ankerrad a spitze Zähne. Die am Anker b sitzende Gabel c wird von der auf der Unruhachse befestigten Hebescheibe d mit Hebestift i in Schwingungen versetzt, die durch die Stifte v und w begrenzt werden. Bei der Schweizer Ankerhemmung [* 28] (Fig. 11 u. 12) hat das Ankerrad a abgestumpfte sog. Kolbenzähne;
b, c, d, i, v, w sind dieselben Teile wie in [* 28] Fig. 14;
m ist eine Kompensationsunruhe, mit der Spiralfeder n, deren Gang man mit der Rückvorrichtung o regulieren kann;
s ist das Sekundenrad.
Während bei der Cylinderhemmung, sobald der Antrieb vermittelst der Keilfläche eines Cylinderradzahnes auf die Unruhwelle (Cylinder) geschehen ist, sich stets eine Zahnspitze dieses Rades an den Cylinder legt und auf demselben ruht (entweder außen oder innen), wirkt bei den Ankerhemmungen die Kraft des Gangrades nicht direkt auf die Unruhe ein, sondern es wird dies erst durch ein Zwischenglied, den Anker, besorgt. Die erstern nennt man daher Hemmung mit reibender Ruhe, die letztern freie Hemmung.
Die Taschenankeruhren sind neben den Cylinderuhren am weitesten verbreitet, doch verlangt der Ankergang immer eine sorgfältigere Ausführung, wenn er gute Dienste [* 29] verrichten soll; es ist deshalb bei Anwendung eines geringen Kaufpreises eine Cylinderuhr vorzuziehen, auch bringt der in die Uhr eindringende Staub eine Ankeruhr in der Regel leichter zum Stillstand. Eine weitere Art der Hemmung ist die besonders bei Turmuhren angewendete Federhemmung. Bei derselben sitzt eine kleine Zugfeder am Steigrade. Dieselbe wird durch Umdrehung der Steigradwelle alle Minuten gespannt und treibt das Pendel an. Diese Anordnung hat den Vorteil, daß das Pendel vom Laufwerk getrennt ist und daher äußere Einflüsse (wie Sturm) auf die Zeiger und Zeigerleitungen keinen störenden Einfluß auf das Werk üben. Bessere besitzen Kompensationsvorrichtungen. Näheres darüber s. Pendel und Unruhe.
Die ältern Wanduhren sind von den neuern sog. Regulatoruhren fast verdrängt worden. Diese besitzen ein längliches Holzgehäuse, welches das Pendel mit einschließt. Sie gehen meist 8 Tage in einem Aufzuge. Die ältern haben Gewichte, die neuern Federn.
Kontrolluhren dienen zur Kontrolle des Dienstes von Beamten, wie Heizer, Wächter, Portiers u. s. w. Bei diesen bewegt sich ein Zifferblatt aus Papier in der Uhr. Der Wächter muß, um seine Gegenwart auf der betreffenden Station zu einer bestimmten Stunde anzuzeigen, einen Schlüssel in die Uhr einführen und herumdrehen, wodurch auf dem Papierzifferblatt ein Loch an der betreffenden Stundenzahl entsteht. (Weiteres s. Bd. 17.)
Nach der Zeit, welche von den angezeigt wird, unterscheidet man astronomische
oder Sternuhren (für Sternzeit), für mittlere Zeit
(die gewöhnlichsten) und für wahre Sonnenzeit. Eine Uhr, welche die beiden letztern Zeiten zugleich angiebt,
wird als Äquationsuhr bezeichnet.
Mit vielen verbindet man auch allerlei, teils zur Bequemlichkeit dienende Nebenvorrichtungen, als Sekunden- und Datumzeiger (Angabe des Wochen- und Monatstages), Schlag- und Repetierwerke, Wecker. Eine besonders wichtige Verbesserung der Taschenuhren geschah durch die Beseitigung der Schlüssel; solche welche man schlüssellose (frz. Remontoirs, engl. Keyless) nennt, werden am Knopfe des Aufhängringes aufgezogen. Durch Verschieben eines seitlichen Riegels kann dann der Knopf zum Stellen der Zeiger gebraucht werden.
Der Selbstaufzug für Taschenuhren, bewirkt durch das jedesmalige Schließen des vordern Gehäusedeckels, ist nur für mit Doppeldeckel verwendbar; er findet sich selten vor und paßt nur für von tadelloser Ausführung des Gehäuses und Werkes. Ferner ist noch eine Uhr mit selbstthätigem Aufzug, [* 30] die sog. Perpetualuhr des Ingenieurs von Loehr in Wien, [* 31] zu erwähnen; die Zugfeder dieser Uhr wird durch die beim Gehen, Treppensteigen u. s. w. während des Tragens entstehenden Erschütterungen selbstthätig aufgezogen; das Werk erfordert eine gute Ausführung und sorgfältige Behandlung.
Das Princip dieses Aufzugs ist schon lange bekannt, denn bereits Napoleon I. trug eine sog. Klöppel- oder
Schlägeluhr; sie war jedoch von bedeutendem Umfange. Der Aufziehmechanismus konnte erst für die Verbesserungen von Loehrs
für Taschenuhren von gewöhnlicher Größe Anwendung finden. Ein großes astronomisches
Uhrwerk befindet
sich im Straßburger Münster.
[* 32] Es ist dies die dritte Uhr des Münsters. Die erste stammte aus dem J. 1352; nachdem diese den
Dienst versagte, kam die astron. Uhr von Isaak und Josias Habrecht 1574 zur Aufstellung, und nachdem auch dieses Wert seine
Thätigkeit dauernd eingestellt hatte, kam das von Schwilguée 1838-42 gebaute Werk in Gang. Außer den
astron. Angaben u. s. w. beleben viele bewegliche
[* 28]
Figuren das Werk,
z. B. das Erscheinen der 12 Apostel; ein Hahn
[* 33] auf der linken Seite kräht mittags und schlägt mit den Flügeln.
Eine 1895 (zum 50jährigen Bestehen der Glashütter Uhrenindustrie) ausgestellte Taschenuhr der «Union» in Glashütte zeigt 1/5 Sekunden genau an und macht alle Kalenderangaben. Sie geht auf 40 Steinen und besitzt 738 einzelne Teile, darunter ein Rädchen von 9½ mm Durchmesser und 300 Zähnen. Einzelne Schräubchen sind nur mit der Lupe [* 34] zu erkennen, obgleich sie 6 Gänge besitzen. Der Durchmesser der ganzen Uhr beträgt nur 70 mm, der Preis war 5000 M.
Die Uhrenfabrikation ist heute vorwiegend eine Massenerzeugung. Als Hauptfabrikationsland für Taschenuhren guter Qualität ist die Schweiz [* 35] ¶