Uhr.
[* 2] Hemmungen, bei welchen durch Einschaltung eines Hilfsmechanismus die Schwingungen der Unruhe während des größern Teils der Schwingungsdauer unabhängig von der Antriebsvorrichtung stattfinden, nennt man freie Hemmungen. Ihrer Anlage nach unterliegen sie am wenigsten Störungen, gewähren daher den genauesten und sichersten Gang [* 3] und gehören deshalb zu den wichtigsten Teilen der Chronometer. Doch gab es bis jetzt vollkommen freie Hemmungen nicht, weil sowohl durch den Antrieb der Unruheachse als durch die Auslösung des Gangrades noch meßbare Widerstände zu überwinden waren. Um eine vollkommene Freiheit der Unruheschwingungen zu erzielen, gab Ingenieur Riefler in München [* 4] die gewöhnliche Art der Kraftübertragung auf, indem er die Kraft [* 5] des Räderwerkes durch die Spiralfeder auf die Unruhe übertrug.
Wenn nämlich die letztere aus der Ruhelage gekommen ist, hat die
Spirale eine gewisse
Spannung, welche mit der
Größe des
Schwingungsbogens zunimmt. Wird diese
Spannung im richtigen
Moment durch das
Räderwerk vermehrt, so findet
eine Kraftzufuhr
statt, was dadurch ermöglicht wird, daß das eine Ende der
Spirale nicht fest mit den
Platinen, sondern beweglich
angebracht wird. Daraus ergibt sich als Aufgabe des
Räderwerkes: den Befestigungspunkt der
Spirale (das sogen. Spiralklötzchen)
bei jeder Unruheschwingung im geeigneten
Moment hin und her zu bewegen. Diese Aufgabe hat das nachstehend
beschriebene
Echappement von Riefler ebenso einfach wie vollkommen gelöst.
Unterhalb der Unruheachse a [* 1] (Fig. 1 u. 2, S. 946) befindet sich in deren Verlängerung [* 6] die Drehachse eines sternförmigen Hebels B mit drei Armen. In dem einen Arm ist bei K das eine Ende der Spirale P ¶
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mit dem Klötzchen befestigt; die beiden andern Arme tragen, über ihre Ebene emporstehend, die Hebe- und zugleich Ruhesteine S und S', welche cylindrisch und am obern Ende bis zur Mitte der Cylinderachse abgeflacht sind [* 7] (Fig. 2). An der Cylinderfläche findet die Hebung, [* 8] an der ebenen Fläche die Ruhe statt. An der Achse e f des Räderwerkes befindet sich ein Heberad H und darüber mit kleinem Zwischenraum ein Ruherad R. Die Zähne [* 9] h des erstern bewirken die Hebung, die Zähne r des letztern bewirken mit ihren radialen Flächen die Ruhen.
Das Spiel des Echappements vollzieht sich nun wie folgt: Wird die Unruhe U in der Richtung des Pfeiles aus ihrer Ruhelage gebracht, so bewegt die Spirale den Stern B in gleichem Sinn, bis der Stein S' sich an die Hebefläche h des Rades H anlegt. In diesem Moment verläßt die Ruhefläche des Steines S den Zahn r² des Ruherades R, die Räder drehen sich in der Pfeilrichtung und der Zahn h bewirkt die Hebung, d. h. er drängt den Stein S' zurück, bewegt dadurch den Stern B entgegengesetzt der Pfeilrichtung und erhöht auf diese Art die Federspannung der Spirale. Die Unruhe schwingt sodann vollends aus, und bei ihrer Rückkehr findet im Moment, wo sie die Ruhelage in entgegengesetzter Richtung des Pfeiles überschreitet, die zweite Auslösung statt, der Stein S' verläßt den inzwischen vorgerückten Zahn r, und der Zahn h³ bewirkt die Hebung des Steines S. Dieses Spiel wiederholt sich bei jeder Hin- und Herschwingung der Unruhe.
Außer den Rädern H und R befindet sich noch ein drittes Rad E an derselben Welle zur Bewegung eines Windfanges W. Das Spiel der Hemmung vollzieht sich dadurch ohne alle Stöße, und die Ruhezähne legen sich äußerst sanft an die Hebeflächen an. Der Auslösungswiderstand kann durch entsprechende Drehung der Steine S und S' in ihrer Fassung beliebig geändert, sogar gleich Null gemacht werden ohne Gefahr einer unzeitigen Auslösung, da die Spirale stets mit der ganzen, ihr jeweils innewohnenden Spannkraft die Ruhesteine an das Heberad andrückt.
Statt der Räder H und R kann auch ein einziges Rad mit Hebe- und Ruhezähnen in verschiedenen Ebenen
[* 7]
(Fig. 3) angewendet
werden.
Für manche Zwecke (Reiseuhren
Uhr dgl.) genügt ein Rad, dessen Zähne in einer Ebene liegen, und ein cylindrischer Stein.
Die Zähne erhalten dann die in
[* 7]
Fig. 4 dargestellte Form, oder man kann auch die Cylinder auf etwa ein Fünftel ihres Durchmessers
abflachen
[* 7]
(Fig. 5), um die Möglichkeit zu haben, den Auslösungswiderstand
in einfachster Weise zu regulieren.
[* 7] Fig. 6 und 7 stellen das Echappement in der Anwendung für ein Sekundenpendel dar. Die Drehachse a a des Ankers A ist durch die auf Achat- oder Sardonixsteinen P P gelagerte Messerschneide des Stahlprismas M M gebildet; ii ist die Aufhängefeder des Pendels, o ein Keil, durch welchen die Höhenlage der Pendelaufhängung etwas geändert werden kann. Durch die Schrauben [* 10] v, v, v wird der Eingriff des Ankers reguliert. Die wirksame Länge der Aufhängefeder des Pendels ist durch Klemmbacken k variabel gemacht, um diejenige Länge aufzufinden, bei welcher die Pendelschwingungen isochronisch sind.
Die Wirkungsweise des Echappements ist folgende: Wird das Pendel [* 11] aus der Ruhelage in der Richtung des Pfeiles [* 7] Fig. 6 gebracht, so bewegt sich der Anker [* 12] in derselben Richtung, bis die Palette S' sich an die Hebefläche h des Rades H anlegt;
in diesem Moment verläßt die Palette S den Zahn r des Ruherades R, die Räder drehen sich in der Pfeilrichtung, und der Zahn h bewirkt die Hebung, d. h. er drängt die Palette S' zurück, bewegt dadurch den Anker entgegengesetzt der Pfeilrichtung und erhöht auf diese Art die Spannung der Aufhängefeder des Pendels, wodurch demselben die nötige Kraft zugeführt wird, seine Schwingungen fortzusetzen.
Dieser Vorgang wiederholt sich bei jeder Pendelschwingung abwechselungsweise auf der einen und auf der andern Seite des Ankers.
Wird statt der Federaufhängung die Fadenaufhängung für das Pendel gewählt, die ja noch immer nicht ganz verlassen worden
ist, so erfolgt die Auslösung durch den seitlichen Zug,
welchen das Pendel ausübt, wenn es aus seiner Ruhelage
in der dem Pfeil entgegengesetzten Richtung gekommen ist. Die Kraftzufuhr
findet hierbei dadurch statt, daß der Auf-
[* 7] ^[Abb.: Fig. 1-5. Rieflers Chronometerhemmung.]
[* 7] ^[Abb.: Fig. 6 und 7. Rieflers Pendelaufhängung.] ¶
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hängepunkt des Pendels, welcher höher liegt als die Drehachse des Ankers, nach erfolgter Auslösung durch das Heberad in entgegengesetzter
Richtung der Pendelschwingung bewegt wird. - Zur Litteratur: Schirek, Die Uhr
in kulturgeschichtlicher und kunstgewerblicher
Beziehung (Brünn
[* 14] 1890).