Uhland
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Ludwig, Dichter, Germanist und Romanist, geb. zu Tübingen, [* 2] studierte auf der Universität daselbst die Rechte, unternahm dann eine litterar. Reise nach Paris, [* 3] das er erst nach einem Aufenthalt von acht Monaten im Jan. 1811 verließ. Öffentlich trat er zuerst als Dichter auf in Seckendorfs «Musenalmanach» (1807 und 1808),
im «Poet. Almanach» (1812) und im «Deutschen Dichterwald» (1813). Seit dem Spätjahre 1812-14 praktizierte er in Stuttgart, [* 4] wo er im Bureau des Justizministers arbeitete. Als 1815 der König von Württemberg [* 5] seinem Lande eine neue Konstitution zu geben gedachte und der Kampf um die alten und neuen Rechte begann, fühlte sich auch berufen, als Dichter das Wort zu erheben. Mit Begeisterung wurden seine Lieder in fliegenden Blättern aufgenommen, und seine freiheitlichen Bestrebungen blieben nicht ohne Erfolg.
Die erste Sammlung seiner «Gedichte» erschien 1815. Schon im zweiten Druck 1820 wurde sie durch patriotische und andere Dichtungen vermehrt, und auch die folgenden Ausgaben bis 1835 enthalten noch Bereicherungen (60. Aufl., Stuttg. 1875, mit Gedichten aus dem Nachlasse und von dem Herausgeber, Wilhelm Ludwig Holland, mit einer Übersicht der Gedichte nach der Zeitfolge ihrer Entstehung ausgestattet. wurde 1819 von dem Oberamte Tübingen, für das folgende Jahr von seiner Vaterstadt, 1832 von der Stadt Stuttgart in die Ständeversammlung, und von der Kammer in der Folge zum Beisitzer des weitern Ausschusses erwählt. Im Dez. 1829 wurde er zum außerord. Professor der deutschen Sprache [* 6] und Literatur und zum Mitglied der philos. Fakultät an der Universität Tübingen ernannt, im Mai 1833 trat er aus dem Staatsdienst. In der Kammer gehörte er zu den hervorragendsten Mitgliedern der konstitutionellen Opposition. Bei den Wahlen von 1839 leistete er auf Wiederwahl Verzicht. Seitdem lebte er in Zurückgezogenheit, doch wählten ihn 1848 die Wahlbezirke Tübingen-Rothenburg in die Deutsche [* 7] Nationalversammlung, in der er der Linken angehörte. Er starb Sein von G. Kietz modelliertes Standbild wurde zu Tübingen enthüllt.
U.s gelehrtem Fleiße verdankt man, außer einer Abhandlung «Über das altfranz. Epos» (in Fouqués «Musen», [* 8] 1812),
der trefflichen Schrift «Walther von der Vogelweide, ein altdeutscher Dichter» (Stuttg. 1822) und einem Aufsatze «Zur Geschichte der Freischießen» (vorgedruckt in der Hallingschen Ausgabe des «Glückhaften Schiffs», Tüb. 1828),
das aus der sorgfältigsten Quellenforschung hervorgegangene Werk «Der Mythus von Thor» (Stuttg. 1836) und die meisterhafte Sammlung «Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder» (Bd. 1 in 2 Abteil., ebd. 1844-45). U.s wissenschaftliche Arbeiten sind vereinigt in der Sammlung «U.s Schriften zur Geschichte der Dichtung und Sage» (hg. von W. L. Holland, A. von Keller und F. Pfeiffer, 8 Bde., Stuttg. 1865-73.
Als Lyriker zeichnet sich aus durch Wahrheit und Schlichtheit der Empfindung, malerische Naturanschauung und Vielseitigkeit der Stoffe. Seine spätern Balladen und Romanzen sind unübertroffen in der seltenen Kunst, mit wenigen Worten vollkommen abgerundete Gestalten und lebendige Vorgänge zu zeichnen. Von tiefer poet. Wirkung, aber ohne dramat. Kraft [* 9] sind seine Verherrlichungen der deutschen Treue, die Schauspiele «Ernst, Herzog von Schwaben» (Heidelb. 1817) und «Ludwig der Bayer» (Berl. 1819). Als Germanist und Romanist zählt zu den Begründern dieser Wissenschaften. Seine Werke gab L. Geiger (4 Bde., Lpz. 1896) heraus. Auswahlen aus «U.s gesammelten Werken» bieten H. Fischer (6 Bde., Stuttg. 1892", L. Fränkel (2 Bde., Lpz. 1892) und F. Brandes (2 Bde., ebd. 1893). -
Vgl. Notter, Ludwig Sein Leben und seine Dichtungen (Stuttg. 1863)- O. Jahn, Ludwig (Bonn [* 10] 1863);
Mayer, Ludwig seine Freunde und Zeitgenossen (2 Bde., Stuttg. 1867);
Ludwig U.'s Leben. Aus dessen Nachlaß und aus eigener Erinnerung zusammengestellt von seiner Witwe (Stuttg. 1874);
Keller, als Dramatiker (ebd. 1877);
Düntzer, U.'s Balladen und Romanzen (Lpz. 1879);
ders., U.s Dramen (ebd. 1892"; Eichholtz, Quellenstudien zu U.s Balladen (Berl. 1879);
H. Fischer, Ludwig Eine Studie zu seiner Säkularfeier (Stuttg. 1887).
U.s Witwe, Emilie geborene Vischer, geb. 1799, starb in Stuttgart.