Historischer Name für die Umgegend von Freiburg,
das danach selbst oft als Freiburg
im Uechtland bezeichnet wurde.
Der Name
bedeutet «ödes Land» und bezieht sich auf die «weite
Einöde» zwischen dem Deutschen Reich und Burgund, die durch den Krieg
Dietrichs mit Theudebert durch Verheerung der Umgebung
Freiburgs geschaffen worden war.
Nach dem Uechtland benannte sich früher auch der Uechtsee (der heutige
Murtensee).
Aehnliche
Benennungen finden sich auch anderwärts;
so z. B.
Uecht (Kant. Bern),
Uechmorgen und Uechlet (Kt. Aargau),
Uechtweid (Kt. Zürich),
In der Uechteren (Kt. Luzern).
Im Gegensatz zum «Uechtland» um den Unterlauf der
Saane trug das obere Saanethal, das heutige
Greierz mit
Umgegend, den Namen des «Ogoz» oder «Hochgaues».
steigen in das Gebiet der Freiburger Voralpen hinan und tragen alpinen Charakter. Beide Teile aber sind vorherrschend Saanegebiet,
da der ziemlich große Fluß (s. Saane) das Land in seiner ganzen Länge durchzieht und von beiden Seiten die kleinern Thalrinnen
sammelt. Der Kanton Freiburg zählt (1880) 115,400 Einw., vorzugsweise
französisch-burgundischer Abstammung und katholischer Konfession, nur 18,138 Protestanten, die hauptsächlich
auf die Bern
genäherten Gebiete fallen, vorwiegend im BezirkSee (Murten), in Minderzahl schon in den Gemeinden des Sensebezirks,
sonst sehr vereinzelt (in der Stadt Freiburg 1472). In diesen beiden Bezirken auch allein überwiegt das deutsche Element; 69 Proz.
der Bevölkerung
[* 9] sprechen französisch, 31 Proz. deutsch.
Die Deutschen gelten als minder rührig und lebhaft als der französisch sprechende Volksteil; in Bezug auf geistige Befähigung
und Kultur erscheint das ganze Volk wenig bevorzugt und ziemlich vernachlässigt, so hübsch, stark und schlank auch durchschnittlich
sein Körperbau ist. 88 Proz. des Areals sind produktives Land; davon umfassen Acker- und Gartenland 1190 qkm,
der Wald 277 qkm, die Weinberge 2,8 qkm. Der Feldbau liefert für gewöhnliche Jahre genug Getreide,
[* 10] am meisten Weizen und Roggen.
Ein beträchtlicher Teil der Roggenernte hat keinen Nährwert, da die Halme (für die Strohflechterei) unreif geschnitten werden
müssen. Tabak
[* 11] baut man um den Murtensee; hier ist auch der Obstbau, der fast allgemein ist, am blühendsten.
Kirsch- und Zwetschenwasser wird zur Ausfuhr bereitet. Wein wächst nur an beiden Seen. Begünstigt durch mehrere Torfmoore
und das Pechkohlenlager von Semsales, kann Freiburg, trotz der geringen Waldfläche, viel Holz
[* 12] abgeben. Von Bulle aus wird ein Teil
auf der Saane abwärts geflößt, ein andrer geht an den Genfer See: Brenn- und Bauholz, Bretter, Rebpfähle.
Der Freiburger Rinderschlag, die schwerste der schweizerischen Rassen, hat sich in der westlichen Schweiz stark verbreitet.
In denBergen
[* 13] wird Sennerei betrieben, die z. B. am Moléson und im Jaunthal die fetten Gruyèrekäse liefert.
Der Stapelplatz dieses Exportartikels ist Bulle, das, wie Romont, auch große Viehmärkte hat. Die FreiburgerPferde
[* 14] sind kräftige
und ausdauernde Zugtiere, von gedrungenem Körper- und Gliederbau, als Fahrpferde geschätzt.
Die Schaf- und Schweinezucht ist erheblich. Die Strohflechterei ist über das ganze Flachland ausgebreitet. Der jährliche Produktionswert
übersteigt 1 Mill. Frank. Die Uhrenindustrie von Murten ist ein Ableger der neuenburgischen (s. Chaux de Fonds).
Sonst gibt es Gerbereien, Glashütten, Sägemühlen etc. In der Stadt Freiburg zeigt sich neuerdings ein reger Eifer für die Ausbeutung
der Holz- und Wasserschätze (Société des eaux et des forêts). Ein Zementdamm schwellt die Saane zu einem
3½ km langen See an; hier befinden sich eine Fischzuchtanstalt, ein Landungsplatz des Flößholzes und 10 Glacieren, deren
jede 200 Eisenbahnwaggonladungen Eis
[* 15] liefert.
Transmissionen leiten die Wasserkraft auf das den Bahnhof umgebende Plateau hinauf, wo sich eine Säge,
[* 16] Waggonfabrik, Gießerei,
[* 17] Maschinenwerkstätte, eine ganze neue Arbeiterstadt etc. angesiedelt haben. Eine besondere
Eisenbahn verbindet die untern Etablissements mit den obern. Es besteht eine Gymnasialanstalt zu und eine andre zu Murten,
seit 1850 zu Hauterive eine Ackerbauschule, mit welcher ein Lehrerseminar verbunden ist. Die öffentlichen Bibliotheken zählen
105,900 Bände, darunter die Kantonsbibliothek mit 35,800, die Bibliothèque du Clergé mit 12,000, die der
Société économique mit
20,000 Bänden. Es gibt 10 Klöster (davon 6 in der Hauptstadt) mit 254 Ordensgliedern und einem
Mobiliar- u. Immobiliarvermögen von 2,700,000 Fr.
Zufolge der Verfassung vom bildet der Kanton Freiburg einen repräsentativ-demokratischen Freistaat und als solcher ein
Glied der
[* 18] schweizerischen Eidgenossenschaft. Die Verfassung gewährleistet die in den SchweizerRepubliken
üblichen Grundrechte, erklärt den Primärunterricht für obligatorisch und unentgeltlich, sichert der Geistlichkeit einen
mitwirkenden Einfluß auf das Erziehungswesen zu und betrachtet beide Sprachen als Landessprachen, doch so, daß der französische
Text der Gesetze etc. als Urtext gilt.
Aktivbürger, d. h. stimmfähig in politischen und Wahlversammlungen, sind
alle im Kanton wohnenden Kantons- und SchweizerBürger weltlichen Standes, sofern sie das 20. Altersjahr zurückgelegt haben
und im Vollgenuß ihrer bürgerlichen und politischen Rechte stehen. Die politischen Versammlungen stimmen ab über Annahme
und Revision der Kantonal- und Bundesverfassung; die Wahlversammlungen wählen die zuständigen Mitglieder des GroßenRats und
des Nationalrats etc. Wahlfähig wird der stimmfähige Kantonsbürger nach vollendetem 25. Lebensjahr.
Die Legislative übt der GrandConseil (GroßeRat), dessen Mitglieder, je 1 auf 1200 Seelen, auf 5 Jahre gewählt werden. Der
GroßeRat versammelt sich ordentlicherweise zweimal jährlich. Er beschließt die Gesetze, überwacht und bestimmt den Haushalt,
wählt die Abgeordneten in den eidgenössischen Ständerat, übt das Begnadigungsrecht etc.
Die Exekutive besitzt ein Conseil d'État (Staatsrat) von 7 Mitgliedern, die vom GroßenRat auf 5 Jahre gewählt werden. Im Bezirk
wird der Staatsrat durch den Préfet (Oberamtmann) repräsentiert.
IhreVerwaltung ist einem Conseil communal (Gemeinderat) übergeben, an dessen Spitze der Syndic (Ammann) steht.
Das Finanzwesen des Staats ist durch seine Beteiligung an dem schwindelhaften Ostwestbahnunternehmen sehr zerrüttet worden,
doch ist die Krisis gegenwärtig überwunden. Dem konservativen Regiment gebührt das Verdienst, durch sorgfältigen Haushalt
die Ökonomie des Staats neu geordnet zu haben. Zu Ende 1884 betrug das Staatsvermögen: an Aktivis 28,376,160,
an Passivis 23,286,000 Fr., mithin ein Überschuß von 5,090,160 Fr. Die Jahresrechnung von 1884 ergibt an Einnahmen 3,104,795
Fr., an Ausgaben 2,965,580 Fr., mithin einen Überschuß von 139,215 Fr. Die Hauptposten der Einnahmen sind: Staatsgut mit etwa
500,000, Steuern mit 2,232,000;
Die gleichnamige Hauptstadt des Kantons, Freiburg im Üchtland, liegt romantisch im Felsenkessel der Saane und
an der LinieLausanne-Bern (mit Abzweigung nach Yverdon) der Westbahn. Ein Teil der Stadt, jetzt noch wie
zur Zeit der Zähringer das Quartier der ärmern (deutschen) Klasse, steht in der tiefen Thalfurche; über dieser thronen, auf
den Vorsprüngen des linken
¶
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Steilufers, die mittlere und obere französische Stadt, in welche meist steile und enge Straßen und Treppenwege sich hinaufwinden.
Zur Erleichterung des Überganges ist eine Drahtbrücke erbaut, der am Ausgang der Gotteronschlucht hoch oben eine zweite gegenüberhängt.
Die erstere, 246 m lang und 51 m über dem Flußspiegel, wurde 1832-34 unter der Leitung des französischen
Ingenieurs Chaley erbaut und wird von vier Drahtseilen getragen. Das hervorragendste öffentliche Gebäude ist die Hauptkirche
St. Nikolaus mit einem 86 m hohen Turm,
[* 20] schönem Portal und einer berühmten Orgel von Maser (1834 vollendet).
Andre Sehenswürdigkeiten sind: die 1480 gepflanzte MurtenerLinde, das Denkmal des edlen PatersGirard (gest.
1850), in der Umgebung der Stadt der Bahnviadukt von Grandfey und die Einsiedelei Ste.-Madeleine. Dieselbe liegt am Saaneufer
und zeigt verschiedene Räumlichkeiten: Zellen, Saal, Kirche etc., alles von einem Einsiedler in den schroffen Uferfels gehauen.
In dem ehemaligen Jesuitenpensionat St.-Michel (erbaut 1585 ff.) wohnte einst der 1864 heilig gesprochene
PaterCanisius; heute ist das Collège dort installiert. Die Stadt zählt (1880) 11,546 Einw.,
meist französischer Zunge und katholischer Konfession, und ist Sitz der Kantonsbehörden und des Bischofs von Lausanne.
[* 21]
Gleich den übrigen Gebieten der Westschweiz gehörte auch dasjenige des jetzigen Kantons Freiburg nacheinander
zum römischen (seit 58 v. Chr.), burgundischen (450-532), fränkischen (532-888), neuburgundischen (888-1032) und endlich
zum DeutschenReich. 1177 legte Herzog Berchtold IV. von Zähringen, Rektor von Burgund, in dem Üchtland (Land Ogo) an der Saane
auf der deutsch-romanischen Sprachgrenze den Grund zu der Stadt Freiburg, der er die Rechte des von Berchtold
III. gegründeten Freiburg im Breisgau und einen Bann von drei Stunden im Umkreis, die »alte Landschaft«, gewährte.
Dieselbe blühte rasch auf; allein da sie nicht, wie die Schwesterstadt Bern,
auf Reichs-, sondern auf zähringischem Allodialgrund
lag, fiel sie nach dem Aussterben der Zähringer (1218) als Erbe an die Grafen von Kyburg. Die beiden Städte
verbanden sich schon 1243 durch ein ewiges Bündnis; als jedoch Freiburg 1277 durch Kauf an Rudolf vonHabsburg überging, trat zwischen
ihnen eine Entfremdung ein. Wiederholt verband sich Freiburg mit dem burgundischen Adel gegen Bern
und wurde von letzterm am Dornbühl 1298 und
bei Laupen 1339 geschlagen. Zusehends lockerte sich aber das Band,
[* 22] welches die von bernischem und savoyischem Gebiet umgebene
Stadt an Österreich
[* 23] knüpfte, und nachdem sie im alten Zürichkrieg von diesem den AngriffenBerns und Savoyens preisgegeben
worden war (1448), übergab sie sich 1452 an die Herzöge von Savoyen.
Obschon viele derselben ausstarben, wurde die Zahl der »heimlichen« Geschlechter (bourgeois secrets),
wie sich die FreiburgerPatrizier nannten, 1684 für immer geschlossen erklärt. Die »heimliche
Kammer«, eine Art Staatsinquisition, bestehend aus den 4 Bennern und 24 Heimlichern, welche sich selbst, den Rat der Sechzig
und denjenigen der Zweihundert ergänzte, gewann dadurch unbedingte Gewalt. Die FreiburgerAristokratie hatte alle die Härten
und Schwächen derjenigen Berns ohne deren Größe. Ein Aufstand der durch Unterdrückung ihrer alten Freiheiten,
Entfremdung kommunalen Eigentums und Abschaffung von Feiertagen erbitterten Bauern unter dem Major Chenaux wurde mit Hilfe bernischer
Truppen unterdrückt (Mai 1781) und eine friedliche Demonstration der Stadtbürgerschaft zu gunsten der Rechtsgleichheit mit
Verbannung ihrer Urheber bestraft (Juli 1782).
BeimEinbruch der Franzosen in die Schweiz 1798 ergab sich Freiburg ohne Widerstand, ohne dadurch seine Zeughäuser
und Staatskassen vor Plünderung bewahren zu können. Die Mediationsakte von 1803 erhob es zu einem der sechs Direktorialkantone
und gab ihm eine repräsentativ-demokratische Verfassung. Nach dem Einrücken der Verbündeten stellte jedoch im Januar 1814 der
zur Mehrheit aus Patriziern bestehende GroßeRat die alte Aristokratie wieder her mit der Modifikation,
daß der GroßeRat neben 108 Patriziern auch 36 Vertreter der nichtpatrizischen Bürgerschaft und der Landschaft zählen sollte.
Anfänglich zeigte sich indes die neue Regierung dem geistigen Fortschritt geneigt und unterstützte den trefflichen PaterGirard in seinen Bestrebungen, das Schulwesen des Kantons zu heben. Allein 1818 berief der GroßeRat mit 62 gegen 49 Stimmen
die Jesuiten, welche 1823 die Schließung der SchulenGirards durchsetzten und durch Gründung eines großen Kollegiums, das zuzeiten 700 Zöglinge
aus allen LändernEuropas zählte, Freiburg zu einer Metropole des Ultramontanismus machten. 1830 ging von dem
protestantischen Murten das Verlangen nach einer Revision der Verfassung aus, und durch eine drohende Volksdemonstration eingeschüchtert,
willigte das Patriziat in die Berufung eines Verfassungsrats, dessen Werk eine auf allgemeine Rechtsgleichheit gegründete
Vertretung herstellte und ohne Volksabstimmung in Kraft
[* 24] gesetzt wurde.
Durch die Bewegung hatte eine gemäßigt-liberale Partei die Oberhand erhalten. Die Ausschließung des Bischofs
aus dem Verfassungsrat, in welchen er gewählt worden war, die Ausweisung eines Jesuiten wegen aufrührerischer Reden, die Errichtung
einer dem bischöflichen Einfluß entzogenen Zentralmittelschule u. a. erbitterten die Jesuitenpartei
aufs höchste, und dieselbe bewies ihre Macht in den Neuwahlen von 1836, welche ihr das Übergewicht im
GroßenRat ver-