Gebäude von regulär prismatischer oder cylindrischer Grundform, dessen Höhe die Abmessungen
seiner Grundfläche mehr oder minder bedeutend übertrifft. Die Türme werden meist andern Gebäuden, wie Kirchen, Schlössern,
Rathäusern, Stadtthoren, Festungen, angefügt und mit ihnen zu einem architektonischen Ganzen verbunden, oder sie stehen
isoliert. Bei der ägyptischen Baukunst erkennen wir in den Pylonen ihrer Tempel und in ihren Pyramiden die ersten
Vorläufer der Turmbauten; von den Griechen ist uns nur der achteckige, mit niederm Zeltdach versehene »Turm der Winde« (s. Tafel
»Baukunst IV«, Fig. 10) erhalten. Die Römer kannten nur feste, oben mit Plattform und Zinnen versehene Verteidigungstürme. Ähnlich
waren die meist runden oder quadratischen Festungstürme des Mittelalters, welche oft noch eine Laterne
auf den Zinnen oder einen kurzen Steinhelm erhielten. Indes zeigten sich die Türme hier überall noch als mehr oder minder
willkürliche An- oder Aufbauten. Erst der christlichen Baukunst war es vorbehalten, die Türme zu einem
mehr
integrierenden Bestandteil der Kirchen und ihrer Architektur zu machen, indem man in der Zeit Konstantins die christlichen Tempel
mit Glockentürmen zu versehen begann. Dieselben waren anfangs rund und trugen einen Pavillon mit niedrigem Zeltdach, später
wurden sie viereckig, geböscht und mit einem Pavillon unter hohem Zeltdach geschlossen. Anfangs standen die
Türme isoliert neben der Kirche; eine organische Verbindung des Turms mit der Kirche zeigt sich erst im romanischen Stil.
Die echt architektonische Ausbildung und vollkommen organische Verbindung mit den übrigen Gebäudeteilen zu einem Ganzen erhielten
die Türme aber erst in dem gotischen Kirchenbaustil, dessen Idee in dem Bau des Turms ihren eigentlichen
Ausdruck findet. Unter die sowohl durch den Adel ihrer Bauart als die Höhe ihrer Helme ausgezeichneten Turmbauten gehören unter
andern die Münster und Kirchen zu Köln, Straßburg, Freiburg,
Wien, Magdeburg, Marburg, Regensburg, Nürnberg, Trier, Antwerpen, Brüssel, Venedig
und Mailand.
Der für die Pariser Weltausstellung von 1889 auf dem Marsfeld von Eiffel und Sauvestre errichtete Turm ist 300 m
hoch, bedeckt eine Grundfläche von mehr als 1 Hektar und ruht auf vier Mauerwerkskörpern, die durch Mauern zu einem Fundament
vereinigt sind. Der Turm hat das Aussehen eines riesigen Gerüstes, ist ganz aus Eisen konstruiert und enthält in 60 m Höhe
das erste, in 115 m Höhe das zweite und in 275 m Höhe das dritte Stockwerk. Eine 250 qm große Glaskuppel krönt den Turm. In
quadratischen Röhren an den vier Ecken des Turms befinden sich Treppen und acht hydraulische Aufzüge. Die Erbauungskosten sollen
5-6 Mill. Frank betragen.
Vgl. Schmidt, Vergleichende Darstellung der höchsten Denkmäler und Bauwerke (Berl.
1881);
Sutter u. Schneider, Turmbuch (das. 1888).
Übersicht der höchsten Türme.
Paris:
Eiffelturm 300 m.
Washington:
Washingtondenkmal (projektiert) 175 m.
Köln:
Dom 156 m.
Rouen:
Kathedrale 151 m.
Ulm:
(projektiert) Münster 151 m.
Hamburg:
Nikolaikirche 147 m.
Reval:
Olauskirche 145 m.
Hamburg:
Michaeliskirche 143 m.
Rom:
Peterskirche 143 m.
Straßburg:
Münster 142 m.
Riga:
St. Peter 140 m.
Pyramide
des Cheops 137,2 m.
Wien:
St. Stephan 136,7 m.
Pyramide
des Chefren 136,4 m.
Hamburg:
Petrikirche 134,5 m.
Landshut:
Martinskirche 133 m.
Rostock:
Petrikirche 132 m.
Amiens:
Kathedrale 130 m.
Petersburg:
Peter-Paulsk. 128 m.
Lübeck:
Marienkirche 124 m.
Antwerpen:
Dom 123 m.
Hamburg:
Katharinenk. 122 m.
Freiburg
i. Br.:
Münster 122 m.
Brüssel:
Justizpalast 122 m.
Salisbury:
Kathedrale 122 m.
Brügge:
Liebfrauenkirche 120 m.
Cremona:
Torrazzo 120 m.
Paris:
Notre Dame (proj.) 120 m.
Florenz:
Dom 119 m.
Gent:
Belfried 118 m.
Chartres:
Kathedrale 115 m.
Brüssel:
Rathaus 114 m.
Hamburg:
Jakobikirche 114 m.
Lüneburg:
Johanniskirche 113 m.
London:
St. Paulskathedrale 111 m.
Sevilla:
Giraldakirche 111 m.
Dschagannath:
Pagode 110 m.
Breslau:
Elisabethkirche 108 m.
Brügge:
Hallenturm 107,5 m.
Wien:
Rathaus 107 m.
Bordeaux:
St.-Michel 107 m.
Chartres:
Kathedrale 106,50 m.
Mailand:
Dom 105 m.
Groningen:
Martinikirche 105 m.
Paris:
Invalidendom 105 m.
Moskau:
Erlöserkirche 105 m.
Magdeburg:
Dom 103,6 m.
Utrecht:
Dom 103 m.
London:
Parlamentsgeb. 102 m.
Augsburg:
Dom 102 m.
Petersburg:
Isaakskirche 102 m.
Nördlingen:
Georgskirche 102 m.
Braunschweig:
Andreask. 101 m.
Dresden:
Schloßturm 101 m.
München:
Frauenkirche 99 m.
Berlin:
Petrikirche 96 m.
Berlin:
Rathaus 88 m.
Meißen:
Dom 78 m.
Schiefe Türme
oder Turmhelme verdanken ihre Abweichung von der lotrechten Stellung entweder einseitiger Senkung oder einer beabsichtigten
Baukünstelei. Bei dem berühmten schiefen Glockenturm zu Pisa streitet man zur Zeit noch über den Grund der Abweichung seiner
Achse vom Lot, während man z. B. den schiefen Turmhelm der Pfarrkirche in Gelnhausen als das Kunststück
eines Zimmermeisters zu betrachten hat, da er nicht nur geneigt, sondern auch spiralförmig gewunden ist.
In der Kriegsbaukunst war der Gebrauch von Türmen schon bei den Alten und im Mittelalter an der äußern Seite der
Stadtmauern in teils runder, teils viereckiger Gestalt zur Ermöglichung der Seitenverteidigung üblich. Der Hauptturm einer
jeden Burg hieß Bergfried, bei den Burgen des Deutschen Ordens bildete ein Turm (Danziger) ein vorgeschobenes Außenwerk. Nach Erfindung
des Schießpulvers wurden sie enger mit den Mauern verbunden, und es entstanden aus ihnen die Bastione,
während eigentliche Türme außer Gebrauch kamen.
Erst später wandte sie Vauban unter dem Namen Bollwerkstürme wieder an. Montalembert verbesserte diese Türme und gab ihnen
eine vielfach veränderte Gestalt. Sie sind kasemattiert und so eingerichtet, daß die innern Gewölbe nicht auf den äußern
Umfassungsmauern, sondern auf innern Strebepfeilern ruhen und in bedeckten Geschützständen mehrere Reihen
Geschütze übereinander stehen. Ähnlich eingerichtet sind die sogen. Martellotürme (s. d.) in England zur Küstenverteidigung.
In neuester Zeit kommen Türme, mit Eisenpanzerung versehen und mit ihrem obern Teil auf einer Unterlage drehbar, bei Landbefestigungen,
namentlich aber zum Küstenschutz und auf den Kriegsschiffen selbst vor. Vgl. Panzerungen.
(Hoher) (Kt. Glarus).
2669 m. Höchster Gipfel in der Kette des Kirchbergs, welche die Glattalp von der Karrenalp scheidet. Er
bildet eine steile, aus senkrecht aufgestellten Malmkalkplatten bestehende Pyramide und wird durch eine breite Scharte, die
Furkel (2382 m), von dem südl. davon liegenden Ortstock getrennt. Er kann von Linthal aus über Braunwald,
Brächalp und die NW.-Abdachung des Kirchbergs in 6 Stunden erreicht werden.
Der Aufstieg ist jedoch eine schwierige Kletterei,
die selten ausgeführt wird.
Erste Besteigung durch J. J. Schiesser mit dem Führer Wichser im Jahr 1878. S. den
Art. Kirchberg.
jedes Bauwerk aus Stein, Holz oder Eisen, das im Verhältnis zu seiner Grundfläche eine bedeutende Höhe hat,
mag dasselbe eine spitze oder stumpfe Endigung haben. Turm dienten zunächst Zwecken der Verteidigung,
und zwar meist gleichzeitig um den Angegriffenen vor dem Feinde zu schützen und ihm die Möglichkeit leichterer Abwehr zu
gewähren, dann aber auch zur Aufstellung von Schleudermaschinen und Geschützen sowie zur Aussicht (Lug ins Land, Wartturm),
um den Feind zu erspähen.
Sie haben aber oft auch den Zweck, Glocken, Fahnen, Leuchtfeuer, optische Telegraphen, ein Nebelhorn u. a.
aufzunehmen, welche man weithin hören oder sehen soll, oder werden in manchen Fällen zur Aufnahme eines Wasserreservoirs
(Hochreservoir) oder auch nur wegen einer schönen Aussicht erbaut. Am häufigsten sind die runden oder eckigen Festungstürme
der antiken und mittelalterlichen Stadtmauern und Burgen. Dahin gehören auch die Thortürme, weil die
Thore (s. d.) bei der Befestigung einer Stadt besondere Sorgfalt verlangten.
Zum Angriff einer belagerten Stadt dienten im Mittelalter die aus Holz konstruierten, auf Rollen oder Rädern stehenden sog.
«Wandeltürme». Künstlerisch bedeutungsvoller sind die Kirchtürme, welche
schon in der Frühzeit des Christentums als Glockentürme (Campanile, s. d.) auftreten. Ihre vollendete Ausbildung
erfuhren die Kirchtürme jedoch erst im Norden. Der roman. Stil liebte es, sogar den Kirchen deren mehrere zu geben und zwar
je zwei an den Façaden des Längs- und Querschiffs und einen über dem Schneidepunkt beider (Vierungsturm).
In der Gotik erhielten die Turm weitere Schmuckmotive, die reich verzierten Strebepfeiler und namentlich
die durchbrochenen Helme. Als schönstes Beispiel got. Turmanlagen kann der Turm des Münsters in Freiburg
i. Br. gelten (s. Tafel: Deutsche Kunst
II,
Fig. 4). Die Frauenkirche zu Eßlingen, die Elisabethkirche zu Marburg, die Liebfrauenkirche zu Würzburg sind weitere Beispiele
schöner alter Turm. Die riesigen Doppeltürme der großen Dome wurden meist erst in der Spätgotik oder
gar nicht fertig.
Die bedeutendsten fertig gewordenen Anlagen sind: der Nordturm des Münsters zu Straßburg (von Erwin mit der ganzen Westfaçade
angefangen, von Ulrich von Ensingen 1419 fortgeführt, von Johannes Hültz 1439 vollendet, 142 m hoch;
Fig. 10);
der Nordturm
von St. Stephan in Wien (um 1350 begonnen, wahrscheinlich von Meister Wenzla nach neuem Plan weiter geführt, 1433 von
Hans von Prachatitz vollendet, 1859-64 von Ernst und Schmidt erneuert, 137,8 m hoch;
Fig. 6);
der Nordturm der Kathedrale zu Antwerpen (nach 1500 von Herman van Waghemakere vollendet, 123 m hoch; s.
Tafel: Niederländische Kunst 1,
Fig. 1);
ferner mehrere Turm franz. und engl.
mehr
Kathedralen. Halbfertig und erst in unserm Jahrhundert ausgebaut sind die Turm am Dom zu Köln, zu Regensburg, zu Ulm, zu Frankfurt
u. a. m.
Die Renaissance übertrug den Bau von Ziertürmen auch auf den Profanbau, bildete die Kirchtürme jedoch nicht mehr in altem
Glanz weiter. Doch entstanden namentlich in Belgien, England (durch Chr. Wren) und Oberitalien noch eine
Reihe von in Stein, meist wurde das Hauptgewicht auf die Durchbildung der Holzhelme gelegt, so namentlich in Holland und dem
von ihm künstlerisch abhängigen Oberdeutschland. Die Kuppeln (s. d.) bildeten das Ideal der Kirchenbaumeister jener Zeit,
die Turm erscheinen oft nur als Begleiter dieser.
So an Sant' Agnese in Rom, St. Paulskathedrale in London (s. Tafel: Londoner Bauten,
Fig. 3), La Superga bei Turin, Theatinerkirche
in München, Nikolaikirche zu Prag. Einer der schönsten Turm der Barockzeit ist der der kath. Kirche zu Dresden (von Chiaveri).
In neuerer Zeit hat man den Bau von Kirchtürmen wieder lebhafter betrieben. Die höchsten neuen in Deutschland
sind das Turmpaar des Kölner Doms (160 m hoch; s. Tafel: Kölner Dom, Bd. 10, S. 502), der Turm der Nikolaikirche zu
Hamburg (1845-74 von G. G. Scott, 117 m hoch) und des Münsters zu Ulm (1890 vollendet, 161 m hoch).
Auch die Mohammedaner bauten neben ihre Gebethäuser Turm, welche zum Teil von großer Schönheit sind, z. B. der Turm der Kathedrale
in Sevilla, s. Tafel: Arabische Kunst I,
Fig. 4. (S. Minaret.)
Das Turmdach (s. Dach) ist entweder eine Pyramide (Helmdach, Kaiserdach) oder ein Kegel (Kegeldach). Bei hölzernen Turmdachstühlen
bediente man sich früher des sog. Kaiserstiels, der in der Mittelachse
durch die ganze Höhe reichte und in jedem Geschoß durch sog. Balkenschlösser (kreuzweis übereinander gelegte Balken) befestigt
wurde (s. nachstehende
Fig. 1). Die damit verbundene feste Vereinigung der Turmpyramide mit dem Mauerwerk wirkt jedoch schädlich,
da die erforderliche elastische Bewegung des Turm bei Wind direkt auf das Mauerwerk übertragen wird; ferner
erfordert diese Konstruktion viel Holz, und die Balkenschlösser verbauen den Innenraum. Man wendet daher jetzt nur noch
die Mollersche Konstruktion
(Fig. 2) an, bei der die Turmpyramide auf einem unverschieblichen Kranz von Schwellen steht, die
auf dem abgeglichenen Mauerwerke ruhen, und bei der einer Drehung des Daches durch Wind mittels liegender
Andreaskreuze (s. Kreuzstreben) entgegengewirkt wird.
Nur im obern Teil ist ein kurzer Kaiserstiel eingefügt. Auf gleiche Weise werden die Dachreiter (s. d.) gebildet. Massive Turmdächer
werden aus Haustein oder Ziegel verschieden konstruiert. Eiserne Konstruktionen werden den hölzernen nachgebildet. Die Bekrönung
eines Turm geschieht durch einen Knauf aus Werkstein oder Metall; durch denselben geht eine Eisenstange hindurch,
die oben ein Kreuz, einen Turmknopf (s. d.) oder eine Wetterfahne trägt. Bei Kirchtürmen tritt als
oberer Abschluß auch die Kreuzblume (s. d.) auf. - In neuerer Zeit sind einige
freistehende eiserne Turm von bedeutender Höhe entstanden, wie der Eiffelturm (s. d.)
und der Watkinturm (s. d.). -
Vgl. Sutter, Turmbuch (Berl. 1888; 2. Aufl. 1895).