Titel
Tungusen
(s. Tafel »Asiatische Völker«, [* 2] Fig. 11), zur mongol. Rasse gehöriges Jägernomadenvolk in Sibirien, das in ganz Ostsibirien verbreitet ist und in zahlreiche, nach Sprache [* 3] und Sitte mehr oder weniger weit auseinander gegangene Stämme zerfällt. Ihre eigentliche Heimat scheint das Amurland zu sein, in welchem sie das höchste Maß der ihnen bisher zugänglichen Kultur erreicht, und von wo aus sie sich bis zum Jenissei, den Eismeerküsten und Kamtschatka verbreitet haben.
Sie sind von mittlerm Wuchs mit verhältnismäßig ziemlich großem Kopf, breiten Schultern, etwas kurzen Extremitäten und kleinen Händen und Füßen; ihre Konstitution ist eine trockne, hagere, sehnig-muskulöse; fettleibige Gestalten findet man unter ihnen nicht. Die Hautfarbe ist mehr oder weniger gelbbräunlich, das Auge [* 4] braun, das Haar [* 5] schwarz, schlicht, struppig und stark, das Barthaar auf Lippen, Backen und Kinn sehr spärlich; die Kopfbildung ist entschieden, wenn auch abgeschwächt, mongolisch.
Das Gesicht [* 6] trägt den Ausdruck der Gutmütigkeit und Indolenz. Ihre Zahl wird auf 70,000 geschätzt. Unter den verschiedenen Stämmen lassen sich in sprachlicher Beziehung vier Gruppen bilden:
1) Dauren und Solonen, Stämme mit starker mongolischer Beimischung;
2) Mandschu, Golde, Orotschen;
3) Orotschonen, Manägirn, Biraren, Kile;
4)
Oltscha, Oloken,
Negda, Samagirn (s.
Tungusische Sprache). Die beiden ersten
Gruppen bilden den südlichen oder mandschurischen
Ast des tungusischen Volksstammes, die beiden andern umfassen
Zweige seines nördlichen, bis zum
Jenissei, dem
Eismeer und
Kamtschatka
verbreiteten sibirischen
Astes. Der Hauptreichtum der Tungusen
ist das
Renntier, die
Jagd auf Pelztiere ihre Hauptbeschäftigung;
ihre Hauptnahrung besteht in
Fleisch und
Milch des
Renntiers, getrockneten
Fischen, einer Art
Käse und
Butter u. dgl.
Ihre
Kleidung
setzt sich zusammen aus
Beinkleidern, der
Parka, einer Art
Bluse, die vorn geschlossen ist und über den
Kopf weg angelegt wird,
der
Dacha, einem
Mantel ohne Ärmel, alles aus Renntierfell, wobei die beiden letztern
Stücke mit den
Haaren
nach außen getragen werden. Dazu eine Pelzmütze und
Stiefel und
Strümpfe von demselben
Material wie
Parka und
Dacha. Wenige
Tungusen
sind
Christen, die
Mehrzahl bekennt sich zum
Schamanismus.
Vgl. Hiekisch, Die Tungusen
(2. Aufl.,
Dorpat
[* 7] 1882);
F.
Müller, Unter Tungusen
und
Jakuten (russische
Olenek-Expedition, Leipz. 1882);