Tscherkessen
(in ihrer eigenen
Sprache
[* 3]
Adighe), ein Volksstamm, der früher das östl. Ufer des
Schwarzen
Meers, einen großen
Teil der beiden Abhänge des
Großen
Kaukasus, die Ebenen am
Kuban und einen großen
Teil der Kabardinischen
Ebene bewohnte. Es bestanden mehrere Zweige, wie die Abadsechen, Bscheduchen, Kabardiner, Beslenejewer, Shapsugen. Gegenwärtig
zählt man im
Kubangebiet etwa 69000
Köpfe, im
Schwarzen-Meer-Gebiet 1200; der größte
Teil aber unter
dem
Namen Kabardiner (etwa 82000) bewohnt das
Terekgebiet. Die Gesamtzahl aller Tscherkessen
im russ.
Kaukasien beläuft sich auf 152000. Eine
Verwandtschaft der Tscherkessen
mit
^[Artikel, die man unter Tsch vemißt, sind unter Cz aufzusuchen.] ¶
mehr
andern Völkern hat bisher nicht festgestellt werden können. Man kennt auch ihre Herkunft nicht; doch steht außer Zweifel,
daß sie schon vor Christi Geburt die Ufer des Asowschen und Schwarzen Meers bewohnt haben. Bei den griech. Schriftstellern werden
sie erwähnt unter dem Namen Zichi, Toreti und Kerketi (daraus ist wohl das ital. Circassi
und das Wort Tscherkessen
entstanden). Im Frieden von Adrianopel (1829) trat die Türkei
[* 5] die tscherkess
ischen Völker an Rußland ab, aber
sie hielten sich für gänzlich unabhängig und bildeten eine Menge kleiner Republiken, die eine Art von Bund miteinander
hatten.
Das war der größere Teil derselben, die sog. Freien Tscherkessen
, im Gegensatz zu den Friedlichen Tscherkessen. Diese wurden
von Fürsten regiert, die Rußland über sie setzte; jene mußten durch Krieg überwunden werden. (S. Kaukasische Kriege.) Dabei
wurden sie zu größerer Vorsicht aus ihren schwer zugänglichen Thälern auf die fruchtbaren Ebenen des Kubanbassins übergesiedelt.
Dies hatte zur Folge, daß von 400000 Freien Tscherkessen
gegen 300000 in die Türkei auswanderten; von einzelnen
Stämmen, wie den Shapsugen und Ubychen, ist fast niemand zurückgeblieben; von den Abadsechen und Bscheduchen weniger als
die Hälfte. Zu den auswandernden Tscherkessen
gesellten sich noch die Bewohner der nordöstl. Ufer des Schwarzen Meers, so daß 1864 wohl
gegen ½ Mill. kaukas. Bergvölker in die Türkei auswanderte. Die Übriggebliebenen wurden hauptsächlich
in den Bassins der Bjelaja und Laba, im Ober- und Mittellauf des Kuban und seiner Zuflüsse Urup, dem Großen und Kleinen Selentschuk
angesiedelt und die einzelnen Stämme vielfach mit andern vermischt. Nur wenige wurden in ihren alten
Wohnsitzen belassen. - Die Tscherkessen
sind im allgemeinen von mittlerm Wuchs und kräftig gebaut; sie haben regelmäßige
und männliche Gesichtszüge, oftmals mit wildem Ausdruck.
Unter den Weibern findet man, besonders in den höhern Ständen, wirkliche Schönheiten, doch vergeht die Schönheit bald,
da die Frauen schwere Arbeit verrichten müssen. Das Familienleben trägt einen patriarchalischen Charakter;
für die Frau wird ein sog. Kalym (Brautkaufpreis) bezahlt; Achtung vor dem Alter und unbedingte Gastfreundschaft sind die
guten Seiten des Tscherkessen
, doch giebt er sich wilder Blutrache hin. Das Kostüm
[* 6] (besonders den langen Rock, Tscherkeßka
genannt) der Männer haben die kaukas.
Kosaken ebenso wie die Bewaffnung und die Haltung zu Pferde
[* 7] von den Tscherkessen
entlehnt. Das weibliche Kostüm
ist sehr malerisch. Der kriegerische Geist der Tscherkessen
, ihre Waghalsigkeit und Gewandtheit haben sehr abgenommen, seitdem sich
das Volk an ein friedliches Leben gewöhnt hat. Alle bekennen sich zum Islam und sind Sunniten, doch giebt es Beweise,
daß sie einst Christen gewesen sind, wie auch die Verehrung Christi, der Mutter Gottes und des Kreuzes bei ihnen besteht,
freilich neben manchen heidn. Gebräuchen. Um die Verbreitung des Christentums unter diesen Völkern hat sich besonders Kaiser
Justinian verdient gemacht, dessen Name in Liedern fortlebt. Über die Sprache der (s. Kaukasische Sprachen)
vgl. L'huilier, Russ.-tscherkess. Wörterbuch mit Grammatik (Odessa
[* 8] 1846); Löwe, Circassian dictionary (Lond. 1854).