Troubadour
(spr. trubaduhr), s. Provençalische Litteratur.
784 Wörter, 5'536 Zeichen
Litteratur — Französische Literatur — Provencalische Literatur
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
(spr. trubaduhr), s. Provençalische Litteratur.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
(spr. trubaduhr), Trobaire, Trobador, in der provençal. Litteratur der Name des Dichters, der, im Gegensatz zu den um Lohn singenden Spielleuten, den Jongleurs (s. d.), die Poesie zu seinem Vergnügen trieb und der Gedichte erfand (trobar) und musikalisch komponierte. Mancher Troubadour hatte Jongleurs im Sold, oder war selbst Jongleur, weil er seine Gedichte um Lohn selbst verbreiten mußte. Die meisten gehörten dem niedern Adel an und lebten von der Freigebigkeit der Fürsten und Herren, die zum Teil selbst die Poesie ausübten. Mit den Albigenserkriegen (1210) erhielt die Troubadourdichtung, die bis 1100 sich zurückverfolgen läßt, den Todesstoß, verbreitete sich aber auch dann noch über Spanien und Italien. In Frankreich waren die Grafen von Provence, von Toulouse, Richard Löwenherz von England u. a., in Nordspanien die Fürsten von Aragonien und Castilien, unter den ital. Fürsten Bonifaz von Montferrat und Azzo VII. von Este (1215-65) hervorragende Beförderer der provençal. Lyrik. Auch Frauen der höhern Stände beteiligten sich selbstthätig an der provencal. Dichtung. Den Mittelpunkt dieser Poesie bildet das der Frauenverehrung und dem Ausdruck der Liebesfreude und des Liebesschmerzes dienende Minnelied (canzó = chanson, s. Canzone), ursprünglich wie jede andere Liedart vers (Vers) genannt.
Als Canzonendichter zeichneten sich Bernard von Ventadour, Guiraut von Borneil, Peire Vidal, Gaucelm Faidit, Peirol, Aimeric von Peguillan u. a. aus. Die Canzone tritt in Gegensatz zum Sirventes, wörtlich Dienstgedicht (servir), d. h. ein im Dienste fremder oder allgemeiner Interessen gedichtetes Lied, das sich mit öffentlichen Angelegenheiten polit. und religiöser Art, Kriegen, Kreuzzügen (Kreuzlied) u. dgl. beschäftigt. Der Hauptvertreter des polit. Sirventes ist Bertran de Born (s. d.). Im religiösen und moralischen Sirventes ragt Peire Cardenal hervor. Voll flammender Leidenschaft ist des Guillem Figueira Lied gegen die Römische Kurie. Litterar. Inhalt haben zwei Sirventesen Peires von Auvergne und des Mönchs von Montaudon; Kreuzlieder dichteten Pons von Capdoil, Peire Vidal, Gaucelm Faidit u. a. Das Klagelied (planh) trauert um einen verstorbenen Gönner oder um eine verstorbene Geliebte; polit. Natur sind die Klagelieder auf den Tod des Grafen Blacatz (gest. 1236). Die Tenzone (tensos), d. h. Streitgedicht, auch jocs partitz, d. h. geteiltes Spiel oder partimen (Teilung) genannt, stellt ein Gespräch oder einen Meinungsaustausch zwischen zwei oder drei Dichtern über eine in der ersten Strophe aufgeworfene Frage dar, über den ein Richter zu entscheiden aufgefordert wird.
Die Kunst der Troubadour wurde mehr und mehr eine Formkunst. Das erschwerte Dichten, worunter die Anwendung besonders schwieriger Formen und seltener Reime verstanden wurde, und das schon Peire von Auvergne, Graf Raimbaut von Orange, Guiraut von Borneil, besonders aber Arnaut Daniel übte, der eine von der ital. Poesie aufgenommene und in dieser ständig gewordene Form, die Sestine (s. d.), geschaffen hat, zeigt, wie der im Minnelied behandelte Gegenstand früh erschöpft war. Ausgeklügelt ist auch die Form des Descort, das aus Absätzen von verschiedener rhythmischer Form und Melodie besteht; die Dichter wollen damit einen Zwiespalt der Empfindungen ausdrücken. Raimbaut de Vaqueiras wendet, um diesen Mangel an Harmonie auszudrücken, einmal auch verschiedene Sprachen an. Schlichter empfunden ist die Alba, die das Scheiden der Liebenden am Morgen nach süßverflossener Nacht schildert; die Serena, das Abendlied, die das Sehnen des Liebenden nach der verheißenen Liebesnacht ausdrückt; die Retroensa, die einen Refrain hat und dadurch als volkstümlich sich zu erkennen giebt; die Balada und Dansa, ebenfalls häufig mit Refrain versehen, die zum Tanz gesungen wurden; die Pastorela oder Pastoreta, das Schäferlied, das den Ritter in einer Liebschaft mit einer ländlichen Schönen vorführt u. a. In Reimpaaren wurden gedichtet die Liebesbriefe (breus oder salutz d'amors), von denen mehrere Arnaut von Maroill seinen Damen widmete, während Guiraut Riquier dem Briefe lehrhaften Inhalt gab.
Die Biographien der Troubadour wurden schon im 13. Jahrh. aufgezeichnet, zum Teil von namhaften Dichtern, welche die Nachrichten über ältere Troubadour zusammenstellten. Gesammelt findet man sie bei Mahn, Die Biographien der Troubadour (2. Aufl., Berl. 1878) und Chabaneau (Montpellier 1885); verarbeitet hat sie Diez, Leben und Werke der Troubadour (Zwick. 1829; 2. Aufl., Lpz. 1882); ders., Die Poesie der Troubadour (Zwick. 1827; 2. Aufl., Lpz. 1883). - Vgl. Fauriel, Histoire de la poésie provençale (3 Bde., Par. 1816); Galvani, Osservazioni sulla poesia de' Trovatori (Modena 1829); ders., Fiore di storia letteraria e cavalleresca della Occitania (Mail. 1845); Milá y Fontanals, De los Trovadores en España (Barcel. 1861); Bartsch, Grundriß zur Geschichte der provençal. Litteratur (Elberf. 1872); Brinckmeier, Die provençalischen Troubadour (Gött. 1882).
Zahlreiche Dichtungen der Troubadour enthält Raynouard, Choix de poésies originales des Troubadour (6 Bde., Par. 1816-21); Mahn, Die Werke der Troubadour (Berl. 1846 fg.); ders., Gedichte der Troubadour (Bd. 1-4, ebd. 1856-73); Brinckmeier, Blumenlese aus den Werken der Troubadour (Halle 1849); Bartsch, Provençal. Lesebuch (Elberf. 1855; 5. Ausl.u. d. Troubadour: Chrestomathie provençale, Berl. 1892). Eine Sammlung von Übersetzungen, die freilich die von Diez nicht erreichten, lieferte Kannegießer, Gedichte der Troubadour (Tüb. 1852; 2. Aufl. 1855).