Troubadour
(spr. trubaduhr), Trobaire,
Trobador, in der provençal. Litteratur der
Name des Dichters, der, im Gegensatz
zu den um Lohn singenden
Spielleuten, den
Jongleurs (s. d.), die
Poesie zu seinem Vergnügen trieb und der
Gedichte erfand (trobar) und musikalisch komponierte. Mancher Troubadour
hatte
Jongleurs im
Sold, oder war selbst Jongleur,
weil er
seine Gedichte um Lohn selbst verbreiten mußte. Die meisten gehörten dem niedern
Adel an und lebten von der Freigebigkeit
der Fürsten und Herren, die zum
Teil selbst die
Poesie ausübten.
Mit den Albigenserkriegen (1210) erhielt die Troubadour
dichtung, die bis 1100 sich zurückverfolgen läßt,
den Todesstoß, verbreitete sich aber auch dann noch über
Spanien
[* 2] und
Italien.
[* 3] In
Frankreich waren die
Grafen von Provence,
von
Toulouse,
[* 4] Richard Löwenherz von England u. a., in Nordspanien die Fürsten von
Aragonien und
Castilien, unter den ital.
Fürsten Bonifaz von Montferrat und Azzo VII. von
Este (1215-65) hervorragende Beförderer der provençal.
Lyrik. Auch Frauen der höhern
Stände beteiligten sich selbstthätig an der provencal.
Dichtung. Den Mittelpunkt dieser
Poesie
bildet das der Frauenverehrung und dem
Ausdruck der Liebesfreude und des Liebesschmerzes dienende Minnelied (canzó = chanson,
s.
Canzone), ursprünglich wie jede andere Liedart vers
(Vers) genannt.
Als Canzonendichter zeichneten sich Bernard von Ventadour, Guiraut von Borneil, Peire Vidal, Gaucelm Faidit, Peirol, Aimeric von Peguillan u. a. aus. Die Canzone tritt in Gegensatz zum Sirventes, wörtlich Dienstgedicht (servir), d. h. ein im Dienste [* 5] fremder oder allgemeiner Interessen gedichtetes Lied, das sich mit öffentlichen Angelegenheiten polit. und religiöser Art, Kriegen, Kreuzzügen (Kreuzlied) u. dgl. beschäftigt. Der Hauptvertreter des polit.
Sirventes ist Bertran de Born (s. d.). Im religiösen und moralischen Sirventes ragt Peire Cardenal hervor. Voll flammender Leidenschaft ist des Guillem Figueira Lied gegen die Römische Kurie. [* 6] Litterar. Inhalt haben zwei Sirventesen Peires von Auvergne und des Mönchs von Montaudon; Kreuzlieder dichteten Pons von Capdoil, Peire Vidal, Gaucelm Faidit u. a. Das Klagelied (planh) trauert um einen verstorbenen Gönner oder um eine verstorbene Geliebte; polit. Natur sind die Klagelieder auf den Tod des Grafen Blacatz (gest. 1236). Die Tenzone (tensos), d. h. Streitgedicht, auch jocs partitz, d. h. geteiltes Spiel oder partimen (Teilung) genannt, stellt ein Gespräch oder einen Meinungsaustausch zwischen zwei oder drei Dichtern über eine in der ersten Strophe aufgeworfene Frage dar, über den ein Richter zu entscheiden aufgefordert wird.
Die Kunst der Troubadour
wurde mehr und mehr eine Formkunst. Das erschwerte
Dichten, worunter die Anwendung besonders
schwieriger Formen und seltener Reime verstanden wurde, und das schon Peire von
Auvergne,
Graf Raimbaut von Orange, Guiraut
von
Borneil, besonders aber
Arnaut
Daniel übte, der eine von der ital.
Poesie aufgenommene und in dieser ständig gewordene
Form, die Sestine (s. d.), geschaffen hat, zeigt, wie der im Minnelied
behandelte Gegenstand früh erschöpft war.
Ausgeklügelt ist auch die Form des Descort, das aus Absätzen von verschiedener rhythmischer Form und Melodie besteht; die Dichter wollen damit einen Zwiespalt der Empfindungen ausdrücken. Raimbaut de Vaqueiras wendet, um diesen Mangel an Harmonie auszudrücken, einmal auch verschiedene Sprachen an. Schlichter empfunden ist die Alba, [* 7] die das Scheiden der Liebenden am Morgen nach süßverflossener Nacht schildert;
die Serena, das Abendlied, die das Sehnen des Liebenden nach der verheißenen Liebesnacht ausdrückt;
die Retroensa, die einen Refrain hat und dadurch als volkstümlich sich zu erkennen giebt;
die Balada und Dansa, ebenfalls häufig mit Refrain versehen, die zum Tanz gesungen wurden;
die Pastorela oder Pastoreta, das Schäferlied, das den Ritter in einer Liebschaft mit einer ländlichen Schönen vorführt u. a. In Reimpaaren wurden gedichtet die Liebesbriefe (breus oder salutz d'amors), von denen mehrere Arnaut von Maroill seinen Damen widmete, während Guiraut Riquier dem Briefe lehrhaften Inhalt gab.
Die
Biographien der Troubadour
wurden schon im 13. Jahrh. aufgezeichnet, zum
Teil von namhaften Dichtern, welche
die Nachrichten über ältere Troubadour
zusammenstellten. Gesammelt findet man sie bei Mahn, Die
Biographien der Troubadour
(2. Aufl., Berl.
1878) und Chabaneau (Montpellier
[* 8] 1885); verarbeitet hat sie Diez, Leben und Werke der Troubadour
(Zwick. 1829; 2. Aufl.,
Lpz. 1882); ders., Die
Poesie der Troubadour
(Zwick. 1827; 2. Aufl., Lpz. 1883). -
Vgl. Fauriel, Histoire de la poésie provençale (3 Bde., Par. 1816);
Galvani, Osservazioni sulla poesia de' Trovatori (Modena 1829);
ders., Fiore di storia letteraria e cavalleresca della Occitania (Mail. 1845);
Milá y Fontanals, De los Trovadores en España (Barcel. 1861);
Bartsch, Grundriß zur Geschichte der provençal. Litteratur (Elberf. 1872);
Brinckmeier, Die provençalischen Troubadour
(Gött. 1882).
Zahlreiche
Dichtungen der Troubadour
enthält Raynouard, Choix de poésies originales des Troubadour (6 Bde.,
Par. 1816-21);
Mahn, Die Werke der Troubadour
(Berl. 1846 fg.);
ders., Gedichte der Troubadour
(Bd.
1-4, ebd. 1856-73);
Brinckmeier,
Blumenlese aus den Werken der Troubadour
(Halle
[* 9] 1849);
Bartsch, Provençal. Lesebuch (Elberf. 1855; 5. Ausl.u.
d. Troubadour:
Chrestomathie provençale, Berl. 1892).
Eine Sammlung von
Übersetzungen, die freilich die von Diez nicht erreichten,
lieferte
Kannegießer, Gedichte der Troubadour
(Tüb. 1852; 2. Aufl.
1855).