Tripolis
oder Tripoli, in unmittelbarem Besitz der Pforte befindliches türk. Wilajet, an der Nordküste Afrikas (s. Karte: Sahara), wird im W. von Tunis, [* 3] im O. von der Landschaft Barka (Wilajet Bengasi) und im S. von dem zu ihm gehörenden Oasenlande Fessan (s. d.) begrenzt, ohne welches es einen Raum von 220000 qkm umfaßt. Das seit dem letzten Jahrzehnt Europäern völlig verschlossene und deshalb in seinem Innern ziemlich unbekannte Land ist bei weitem nicht so fruchtbar als die übrigen afrik.
Mittelmeerländer, denen es hinsichtlich seiner physischen und ethnogr. Beschaffenheit ähnlich ist. Der größte Teil ist Sand oder völlig vegetationsloses Gebirgsland; die Wüste dringt tief in das Land ein und erstreckt sich stellenweise bis ans Meer. Der Osten des Landes und die Küsten sind im allgemeinen niedrig und sandig; nach W. zu steigt das Innere zu einem etwa 300 m hohen Plateau an, in das 130-60 m tiefe, zum Teil sehr fruchtbare, mit Feigen, Datteln und Oliven bebaute Wadis eingeschnitten sind.
Nach S. zu erhebt sich das Land zu dem etwa 600 m hohen Kalksteinplateau der Hammada el-Homra, nach NO. fällt es allmählich zum Meere ab, und den Nordwestrand bildet der Dschebel Churian, an dessen Fuße die den Nordwesten des Landes einnehmende Dschefaraebene liegt. Es unterscheidet sich von dem westl. Teil der Berberei dadurch, daß es viel weniger den Charakter der Mittelmeerländer in Pflanzenwelt zur Schau trägt, dagegen mehr schon den Stempel der Sahara zeigt. Hier erreicht die atlantische Pistazie ihre Ostgrenze, der Kameldorn mit der arab. Akazie das Ende ihrer Verbreitung nach Westen. Dieses Begegnen verschiedenartiger Pflanzenformen findet hier um so freier statt, als die ¶
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natürlichen Scheidelinien der Atlasketten von Marokko bis Tunis fehlen, und nur die östl. niedrigen Ausläufer die Ebene des Landes unterbrechen. Längs des westl. Syrtenrandes zieht sich sehr fruchtbares Weideland hin, namentlich in der Umgegend der Hauptstadt gedeihen alle Südfrüchte, Baumwolle, [* 5] Krapp und Wassermelonen. Die Fauna ist die charakteristisch nordafrikanische, aber ärmer als die von Tunis und Algerien. Infolge seiner im ganzen steppen- und wüstenartigen Beschaffenheit hat das Land keinen einzigen bedeutenden Fluß.
Dagegen findet sich längs des Küstensaums und am Fuße des Churian eine Reihe Quellen, welche zur Regenzeit periodische Bäche bilden, die dem Meere zueilen oder nach kurzem Lauf wieder versanden. Das Klima ist im ganzen gesund, im Sommer sehr heiß, namentlich wenn der Samum aus der Sahara weht. An der Küste herrscht europ. Frühling, und nur selten hat man Schnee [* 6] beobachtet. Auf den innern Hochflächen kündigt sich der Winter durch heftige, mit Gewittern verknüpfte Regen an.
Die Bevölkerung wird auf über 800000 Seelen geschätzt. Sie besteht, wie in der übrigen Berberei, hauptsächlich
aus Mauren in den Städten, aus arab. Beduinen und berberischen Ureinwohnern (Ademser) auf dem Lande, alle mehr oder minder
mit Negern gemischt. Außer diesen, sämtlich dem Islam angehörig, giebt es wenige Türken in den Militärposten, viele
Juden und einige Europäer in der Stadt Tripolis
Hauptbeschäftigungen sind Viehzucht
[* 7] und Handel, von denen erstere vorzugsweise
von den nomadischen Beduinen, letzterer, meist Karawanenhandel, von den Mauren betrieben wird.
Der Ackerbau ist von minderer Bedeutung, doch liefert das Churian vorzüglichen Mais, Weizen und Gerste. [* 8] Die Hauptprodukte des Landes sind Schafe [* 9] mit schöner Wolle, Kamele, [* 10] Rindvieh, Büffel, Pferde, [* 11] Tierhäute, Weizen, Datteln, Südfrüchte aller Art, Halfa, Wein, Oliven, Johannisbrot, Krapp, Safran, Lotusbohnen, Koloquinten, Sennesblätter, Ricinusöl, Wachs und Honig, Salz, [* 12] welches Seen und Sümpfe an der Küste in Menge liefern, und Schwefel in der Nähe des Sidragolfs.
An den Küsten betreiben Griechen bedeutende Schwammfischerei. Die Hauptgegenstände des Handels sind europ.
Manufakturwaren, die bis ins Innere Afrikas verführt werden, Straußenfedern, Elfenbein, Sennesblätter, Saffian, Gummi und
Gold,
[* 13] welche durch Karawanen aus dem Sudan und der Wüste ankommen, während von den Produkten des Landes selbst Getreide,
[* 14] Öl,
Wolle, Halfa und Vieh (Rindvieh nach Malta) ausgeführt werden, außerdem Wolle, Schmucksachen
[* 15] von Silber,
Henna, Butter und Krappwurzeln. Der Handel mit dem Ausland geht fast ausschließlich über den Haupthafen Tripolis;
im Innern ist Mursuk
wichtig. Über die Flagge von s. Tafel: Flaggen
[* 16] der Seestaaten, beim Artikel Flaggen.
Tripolis
bildete im Altertum den östl. Teil des Gebietes von Karthago,
[* 17] die Regio syrtica, die bei den sikelischen
Griechen nach den drei bedeutendsten Städten Oea, Sabrata und Leptis den Namen Tripolis
führte. Das Land ward nach dem zweiten
Punischen Kriege 201 v. Chr. von den Römern an die Könige von Numidien verliehen, nach deren Unterwerfung (46 v. Chr.) mit der
röm. Provinz Afrika
[* 18] vereinigt und durch Septimius Severus in eine eigene Provincia Tripolitana verwandelt. 644 eroberten
die Araber unter Amru das Land und führten daselbst den Islam ein.
Nach dem Zerfall des Chalifats der Abbâsiden stand Tripolis
mit Tunis zusammen 801-909 unter der Herrschaft der
Aghlabiden, hierauf
unter der der Fatimiden, Almoraviden und Almohaden. Im 14. Jahrh. war Tripolis
mit Tunis unter den Abu Hassiten
vereinigt. Am wurde die Stadt Tripolis
von den Spaniern erstürmt und gehörte 1530-51 den Johannitern. 1551 wurde Tripolis
von
dem türk. Seeräuber Dragut erobert und zur türk. Provinz gemacht. Seitdem war das Land einer der Hauptsitze
der Seeräuber in Nordafrika und wurde allmählich zu einer anarchischen Janitscharendespotie.
Den Seeräubereien setzte zuerst 1663 der engl. Admiral Blake durch einen Vertrag eine Grenze, und als die Piraten sich wortbrüchig
zeigten, zerstörte John Narborough einen Teil der Hauptstadt. Bedeutende Kriegszüge wurden von den Franzosen 1665 und 1728 gegen
Tripolis
unternommen, die beide mit der fast gänzlichen Zerstörung der Stadt Tripolis endigten. 1835 stürzte
endlich eine Expedition von Konstantinopel
[* 19] aus die Herrschaft der Familie Karamanli, aus der seit 1714 die Deis genommen worden,
worauf Tripolis
als Ejalet mit dem türk. Reiche verbunden ward. 1869 wurde die Landschaft Barka als Mutessariflik
Bengasi (s. d.) von Tripolis
getrennt und 1879 wurde sie zum Wilajet
erhoben. Die Grenze gegen Tunesien wurde 1886 geregelt.
Vgl. Maltzan, Reise in den Regentschaften Tunis und Tripolis
(3 Bde., Lpz.
1870);
Nachtigal, Sahara und Sudan (Bd. 1 u. 2, Berl. 1879-81; Bd. 3, Lpz. 1889).