Titel
Trigonometrie
[* 1] (griech., Dreiecksmessung), der auf die Ähnlichkeitslehre sich gründende
Teil der
Geometrie, welcher aus drei zur Bestimmung ausreichenden
Stücken eines
Dreiecks die übrigen durch Rechnung finden
lehrt. Das Hilfsmittel hierzu bilden die goniometrischen (trigonomet
rischen)
Funktionen, welche den Zusammenhang zwischen
geradlinigen
Strecken und
Winkeln vermitteln. Um die Bedeutung dieser
Funktionen zu verstehen, denke man
sich einen
Winkel
[* 3] u durch Drehung eines
Schenkels um den
Scheitel O entstanden; der
Winkel sei dann positiv oder negativ, je
nachdem die Drehung der
Bewegung eines Uhrzeigers entgegengesetzt oder mit ihr gleichgerichtet ist; es ist also in
[* 1]
Fig. 1 der
spitze
Winkel AOP positiv, dagegen der spitze
Winkel A O S negativ, wenn der zuerst geschriebene
Radius
O
A der Anfangsschenkel ist.
In dem
Kreis
[* 4] (Fig. 1) sind zwei aufeinander senkrechte
Durchmesser gezogen, der horizontale
A' A
und der vertikale B' B. Indem man von P die
Senkrechten
P C auf
A' A u. P D auf B' B fällt, erhält man
die horizontale
Projektion
[* 5] O C und die vertikale O D des
Radius
O P, des Endschenkels des
Winkels u = A
O P. Die horizontale
Projektion
wird positiv gerechnet, wenn sie von O nach rechts, die vertikale, wenn sie nach
oben liegt, bei entgegengesetzter
Lage sind sie negativ. Man versteht nun unter
Sinus von u, geschrieben sin u, die Vertikalprojektion des Endschenkels, dividiert
durch diesen selbst; unter
Kosinus von u, cos u, die Horizontalprojektion, dividiert durch den Endschenkel; es ist also
sin u = O D / O P, cos u = O C / O P.
Dabei wird der im Nenner stehende Radius O P stets positiv gerechnet, während den im Zähler stehen-
Trigynus - Triklinium

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den Projektionen ihr Vorzeichen zu erteilen ist. Ferner ist die Tangente von u (tan u, tang u oder tg u) gleich dem Sinus, dividiert durch den Kosinus, die Kotangente (cot u) gleich Eins, dividiert durch Tangente, die Sekante (sec u) gleich Eins durch Kosinus, die Kosekante (cosec u) gleich Eins durch Sinus. Die früher üblichen Funktionen Kosinus versus (cos vers u = 1 - sin u) und Sinus versus (sin vers u = 1 - cos u) werden jetzt kaum mehr benutzt. Aus [* 6] Fig. 1 und den gegebenen Definitionen ist ersichtlich, daß sämtliche goniometrische Funktionen dieselben absoluten Werte, die sie für einen spitzen Winkel u = A O P haben, auch für die Winkel 180° - u = A O Q, 180° + u = A O R und 360° - u = A O S haben. Das Vorzeichen ist aber in den verschiedenen Quadranten verschieden nach dem folgenden Schema:
0°-90° | 90°-180° | 180°-270° | 270°-360° | |
---|---|---|---|---|
sin | + | + | - | - |
cos | + | - | - | + |
tan | + | - | + | - |
cot | + | - | + | - |
sec | + | - | - | + |
cosec | + | + | - | - |
Drei-Ähren - Dreieck

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Dreieck. Man braucht sonach nur die Werte der trigonomet
rischen Funktionen für die Winkel des ersten Quadranten zu
kennen. Diese Werte, gewöhnlicher die Logarithmen derselben, finden sich in Tabellen zusammengestellt, die den Sammlungen
logarithmischer Tafeln (s. Logarithmus) einverleibt sind. Die Untersuchung der Eigenschaften dieser goniometrischen Funktionen
ist Aufgabe der Goniometrie (s. d.). Im rechtwinkeligen Dreieck
[* 7] (Fig. 2) kann man, mit dem Obigen sachlich übereinstimmend,
definieren den Sinus als die Gegenkathete des Winkels, dividiert durch die Hypotenuse, Kosinus als anliegende
Kathete durch die Hypotenuse, Tangente als Gegenkathete durch anliegende: sin α = a/c, cos α = b/c, tan α = a/b.
Diese drei Gleichungen, in Verbindung mit dem Pythagoreischen Satz c² = a²+ b² und der Formel β = 90° - α, genügen zur Berechnung der fehlenden Stücke eines rechtwinkeligen Dreiecks. In einem schiefwinkeligen Dreieck mit den Seiten a, b, c und den Gegenwinkeln α, β, γ [* 6] (Fig. 3) dienen zur Berechnung der fehlenden Stücke die zwei Formeln: a² = b²+ c² - 2bc.cos α und a sin β = b sin α nebst den vier andern, welche sich durch Vertauschung der Buchstaben ergeben.
Die erste Formel, eine Erweiterung des Pythagoreischen Satzes, lehrt aus zwei Seiten u. dem eingeschlossenen Winkel die dritte Seite (a aus b, c und α) finden, aber auch den Winkel α aus den drei Seiten. Der Unbequemlichkeit der Rechnung halber wendet man aber in beiden Fällen häufig andre Formeln an. Die zweite Formel, der Sinussatz (weil man schreiben kann a : b= sin α : sin β, d. h. zwei Seiten verhalten sich wie die Sinus der Gegenwinkel), dient in Verbindung mit der Formel α + β + γ = 180° dann zur Rechnung, wenn sich unter den bekannten Stücken zwei gegenüberliegende befinden.
Bogen (Baukunst)

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Bogen.
Das hier Angedeutete bildet den Inhalt der ebenen an die sich die Polygonometrie, die Berechnung der Polygone, anschließt.
Die sphärische Trigonometrie
hat es mit der Berechnung sphärischer Dreiecke zu thun, die durch Bogen
[* 8] größter Kreise
[* 9] auf einer Kugel gebildet werden.
Vgl. über ebene und sphärische Trigonometrie
Dienger, Handbuch der Trigonometrie
(3. Aufl., Stuttg.
1867);
Reuschle, Elemente der Trigonometrie
(das. 1873).
Da die Erde keine genaue Kugel, sondern ein Sphäroid ist, so hat man unter dem Namen sphäroidische Trigonometrie
eine
Erweiterung der sphärischen Trigonometrie
ausgebildet, welche sich mit den Dreiecken auf dem Sphäroid beschäftigt.
Vgl. Grunert, Elemente
der ebenen, sphärischen und sphäroidischen Trigonometrie
(Leipz. 1837). -
Die Astronomen des Altertums bestimmten die Winkel durch die Sehnen, die sie in einem um den Scheitel beschriebenen Kreis umspannten; der syrische Prinz Albategnius (Mohammed ben Geber al Batani, gest. 928) führte zuerst die halben Sehnen der doppelten Winkel, d. h. die Sinus als absolute Längen (nicht Quotienten), ein; auch rührt von ihm die erste Idee der Tangenten her, die von Regiomontanus dauernd eingeführt wurden. Die Auffassung der trigonometrischen Funktionen als Verhältniszahlen datiert von Euler.
[* 6] ^[Abb.: Fig. 2. Rechtwinkeliges Dreieck.
Fig. 3. Schiefwinkeliges Dreieck.]