Titel
Toulouse
[* 1] (spr. tuluhs').
1)
Arrondissement im franz. Depart.
Haute-Garonne, hat auf 1597,79 qkm (1896) 221 300 E., 12 Kantone und 131 Gemeinden.
- 2) Toulouse
, Hauptstadt des Depart.
Haute-Garonne und früher von Languedoc, Mittelpunkt des südl.
Frankreichs, 140 m
ü.
d. M.,
in kahler, aber fruchtbarer Ebene rechts an der schiffbaren Garonne, über die drei
Brücken
[* 2] zur Vorstadt St. Cyprien führen,
oberhalb der Mündung des
Canal du Midi, wo auch der Seitenkanal von
Brienne endet (s. den
Situationsplan,
S. 929), an den Linien
Bordeaux-Cette,
Toulouse-Auch (89 km),
Toulouse-Bayonne (322 km), Toulouse
-Foix-Ax (124 km) der
Südbahn und
Paris-Toulouse (748
km) der Orléansbahn, ist Sitz des
Präfekten, des Erzbischofs von Toulouse
und Narbonne, eines prot. und israel.
Konsistoriums, des Kommandos des 17. Armeekorps, der 34. Infanteriedivision, der 67. Infanterie- und 17. Artilleriebrigade, eines Appellhofs, Gerichtshofs erster Instanz, Handels- und Schiedsgerichts, Zollamtes, einer Ackerbau- und Handelskammer, Forstverwaltung, Sparkasse, der Direktion des Canal du Midi, einer Filiale der Bank von Frankreich und der Société Générale und hat (1896) 124 187, als Gemeinde 149 963 E. (172 mehr als 1891), in Garnison das 126. und Teile des 83. Infanterieregiments sowie das 18. und 23. Artillerieregiment und die 17. Gendarmerielegion; ferner ein Krankenhaus, [* 3] Taubstummeninstitut, prot. Hospital, Irrenanstalt, Charité St. Nicolas und ein Zwangserziehungshaus.
[* 1] ^[Abb.] ¶
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Gebäude, Straßen, Anlagen. Die von Boulevards, Alleen und der Garonne umgebene eigentliche Stadt hat enge und winklige Straßen mit Ausnahme einiger neuern, wie Rue d'Alsace-Lorraine. Dieselbe beginnt im Süden beim erzbischöfl. Palast, nach Osten davon liegt die Präfektur und die Kathedrale St. Etienne mit dickem Turm, [* 5] breitem Schiff [* 6] (13. Jahrh.), schönem Chor und Altarblatt in Marmor, nördlich das Museum in einem alten Augustinerkloster mit Kreuzgang (14. Jahrh.), mit Antiquitätensammlung, Gläsern und Fayencen und einer Gemäldesammlung nebst modernen Skulpturen, (von Pradier, dem hier geborenen Falguière und Mercié u. a.), weiterhin nach Westen das Stadthaus an der Place du Capitole mit einer Statue Heinrichs IV. im ersten Hof, [* 7] in dem 1632 der Herzog Heinrich II. von Montmorency enthauptet wurde, Sitzungssälen mehrerer Akademien und das Théâtre du Capitole.
Nördlich vom Kapitolplatz ist die Kirche du Taur und die schöne roman. Kirche St. Sernin (oder St. Saturnin, «Apostel von
Toulouse»
),
das bedeutendste Bauwerk in Toulouse
, das im 11. Jahrh. begonnen,
im 12. und 13. Jahrh. weiter geführt bis zum unvollendeten Portal. Eine vollständige Erneuerung (1860) hat Viollet le Duc
geleitet. Die Kirche ist 115 m lang, 32 m breit (im Transept 64 m) und im großen Schiff 21 m hoch. Der 65 m hohe Turm
hat fünf Etagen mit Arkaden. Westlich von St. Sernin ist das Arsenal mit Artillerieschule, nach Süden der prot. Tempel,
[* 8] das kleine
Lyceum mit der Jakobinerkirche aus dem 13. und 14. Jahrh., deren Turm (im Toulouser Stil) dreieckige Arkaden hat.
Das große Lyceum daneben befindet sich im alten Hôtel de Bernuy, worin auch die Bibliothek (du Collège) mit 100000 Bänden (284 Inkunabeln) und 950 Handschriften aufbewahrt wird. Weiter südlich an der Garonne, unterhalb des Pont Neuf mit 7 Bogen [* 9] (1543-1626 von Nic. Bachelier und Sohn erbaut), ist die Kirche La Daurade («die vergoldete»),
von da geht nach Nordwesten der Quai de Brienne bis zur Hängebrücke St. Pierre, weiter der Quai St. Pierre zur alten Mühle du Bazacle, daneben die staatliche Tabakmanufaktur. Oberhalb Pont Neuf ist die Insel Tunis, [* 10] an deren oberm Ende die alte Schloßmühle steht. Dieser südl. Teil der alten Stadt enthält in der Straße Dalbade die gleichnamige Kirche (oder Notre-Dame la Blanche, Mitte des 15. Jahrh.), die Hôtels de Clary (oder Maison de pierre) aus dem 17. Jahrh. und östlich davon das Hôtel Lasbordes (oder de Fleyres), ein Meisterwerk von Nic. Bachelier (1515). Ziemlich im Süden ist die Place du Salin, wo die Auto de Fé stattfanden. Am Südende der Altstadt ist das alte Parlamentsgebäude, jetzt Justizpalast, vor dem das Bronzestandbild des Juristen Cujacius steht; daran führt die Allée St. Michel vorüber zum schönen Platz Grand Rond und trennt die südl. Vorstadt ab, in der die mediz.
Schule, die mathem.-physik. Fakultät und der botan. Garten [* 11] liegen. Vom Grand Rond gehen mehrere Alleen ab, die nach Norden [* 12] führende St. Etienne begrenzt die gleichnamige östl. Vorstadt, die bis zum Canal du Midi reicht und nördlich davon, zwischen Boulevard und Kanal, [* 13] die Vorstadt St. Aubin mit der gleichnamigen Kirche, während die östlichste Vorstadt Guilhemery jenseit des Kanals liegt und den großen Park Caousou enthält. Die nach Nordosten führende Allée
[* 4]
^[Abb.: Toulouse
(Situationsplan).]
¶
Industriegebiet von Roubaix-Tourcoing. ¶
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Lafayette trennt die Vorstädte St. Aubin und Matabiau und hat beim Canal du Midi ein Marmorstandbild des Schöpfers desselben,
Riquet, von Rissoul-Dorval (1838). Die große nordöstl. Vorstadt Matabiau zu beiden Seiten des Kanals enthält die Tierarzneischule
und den Hauptbahnhof. Hinter der Schule steht ein Obelisk zur Erinnerung an die Schlacht von Toulouse
,
und weiterhin die Sternwarte.
[* 16] Hinter dem Boulevard d'Arcole liegt die nördl. Vorstadt Arnaud-Bernard, im Nordwesten liegen
Kasernen, im Westen hinter dem Arsenal die Vorstadt St. Pierre und südlich davon die bedeutende Vorstadt St. Cyprien mit dem
Hôtel Dieu St. Jacques (12. Jahrh.) am Pont Neuf und dem Hospice St.
Joseph de la Grave. Diese Vorstadt leidet bei den Überschwemmungen am meisten und wurde 23. bis fast ganz zerstört.
Bildungsanstalten. Die 1233 gegründete Universität hat außer der prot.-theol. Fakultät zu Montauban (s. d.) eine jurist.,mediz.-pharmaceut., mathem.-naturwissenschaftliche und histor.-philos. Fakultät, 93 Lehrer und 1731 Hörer, eine Bibliothek mit 80 670 Bänden (21 320 sind in Montauban). Außerdem giebt es noch freie Fakultäten für Theologie und Philosophie mit zusammen 23 Lehrern, ein Großes und ein Kleines Seminar, Lyceum, Kleines Lyceum, Lehrerinnenseminar, Collège Ste. Marie, eine der drei großen nationalen Tierarzneischulen, Kurse für Chemie, Physik, Agrikultur, Botanik, Geologie [* 17] und Geburtshilfe, Kunstschule, Konservatorium und Schule für Musik, Artillerie- und Reitschule, gelehrte Gesellschaften, wie die Akademie derJeux floraux (s. d.), Akademie der Wissenschaften, der Inschriften und Litteratur, der Landwirtschaft und der Jurisprudenz.
Handel und Industrie. Durch die Lage an der Garonne, dem Canal du Midi und dem Zusammenfluß verschiedener Pyrenäenstraßen ist der Handel von jeher sehr bedeutend gewesen, namentlich mit Landesprodukten und Lebensmitteln mit Spanien. [* 18] Ebenso ist auch die Industrie lebhaft; außer der staatlichen Pulverfabrik und der Tabakmanufaktur sind Fabriken für landwirtschaftliche Maschinen und Geräte, Papierindustrie und Gewerbe aller Art vorhanden. Viele Straßenbahnen durchziehen die Stadt.
Geschichte. Toulouse
, lat. Tolosa, war als Hauptort der Tektosagen schon unter den Römern bedeutend und eine
heilige Stadt der Gallier, mit einem heiligen Teiche, der einen großen Schatz enthielt. Es wurde 419 Hauptstadt des Reichs
der Westgoten, das nach ihm als das «Tolosanische» bezeichnet wird, fiel 507 an
Chlodwig und wurde 778 eine Grafschaft, deren Besitzer mit Raimund VII. 1249 ausstarben (s. den folgenden
Artikel), worauf Toulouse
1271 an die Krone fiel. Sehr verderblich für Toulouse waren von 1208 ab die Albigenserkriege (s.
Albigenser). Im Bürgerkriege von 1562 fielen 4000 Hugenotten und zu Bartholomäus 1572 wurden noch 300 gemordet. Am wurden
bei Toulouse die Franzosen von Engländern und Spaniern unter Wellington geschlagen. -
Vgl. Jourdan, Panorama historique de Toulouse (2. Aufl., Toulouse 1877);
Toulouse, histoire, archéologie monumentale, facultés ect. (ebd. 1887).