Toulouse
Toulouse (Stadt)

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Toulouse.[* 2] (spr. tuluhs'), Hauptstadt des franz. Departements Obergaronne, ehemals Hauptstadt von Languedoc, 133 m ü. M., in fruchtbarer, aber einförmiger Ebene, an der hier bereits schiffbaren Garonne, am Canal du Midi und an der Eisenbahn von Bordeaux [* 3] nach dem Mittelmeer gelegen, die hier nach Albi, Foix, Bayonne und Auch abzweigt, ist der natürliche Mittelpunkt des ganzen obern Garonnebeckens, zu welchem Ariége und l'Hers sowie auch der Tarn vor seiner Abschwenkung nach NW. hinleiten; zugleich ist es der wichtigste Punkt an der alten historischen Straße vom Mittelmeer zum Ozean.
Dieser
Lage verdankt Toulouse
sein hohes
Alter, die große
Rolle, die es stets in der Geschichte gespielt hat, und seine jetzige
Blüte.
[* 4] Die Stadt ist mit der auf dem linken niedern
Ufer der
Garonne gelegenen Vorstadt St.-Cyprien durch eine
1543-1626 erbaute
Brücke
[* 5] sowie durch zwei
Hängebrücken verbunden und bietet mit ihren einförmigen roten Backsteinhäusern
und im allgemeinen engen
Straßen keinen malerischen Anblick, hat aber namentlich durch die an
Stelle der alten
Wälle getretenen
Boulevards und
Alleen sowie durch die neuen in der innern Stadt ausgeführten
Straßen ein modernes, großstädtisches
Aussehen gewonnen.
Zentrum der Stadt ist der Kapitolsplatz. Von den Kirchen sind besonders zu erwähnen: die Kathedrale St.-Etienne;
Turma - Turmalin

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Turm.die große fünfschiffige romanische Kirche St.-Saturnin (St.-Sernin) mit Krypte und 64 m hohem Turm; [* 6]
die Jakobinerkirche aus dem 14. Jahrh. (jetzt Dominikanerkirche) mit dazu gehörigem Kloster (jetzt Unterrichtsgebäude);
die Kirche Dalbade (ehemalige Malteserkirche) in frühgotischem Stil mit reichem Renaissanceportal.
Unter den übrigen Gebäuden sind die hervorragendsten: das Stadthaus (Kapitol genannt) mit mehreren schönen Sälen, darunter der Salle des Illustres und dem Festsaal der poetischen Blumenspiele (Jeux floraux);
das ehemalige Augustinerkloster, welches mit seinen Kreuzgängen gegenwärtig als Antikenmuseum und Gemäldegalerie benutzt wird;
der Justizpalast, mehrere schöne Renaissancegebäude, das große Theater, [* 7] zwei Spitalgebäude aus dem 11. Jahrh. Die Zahl der Einwohner beträgt (1886) 123,040 (Gemeinde 147,617).
Toupet - Touristenvere

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Seite 15.783.
Die Stadt hat sehr bedeutende
Industrie, darunter an Staatsanstalten eine
Artilleriewerkstätte,
eine
Pulver- und eine Tabaksfabrik, ferner
Fabriken für
Sicheln, Wagenfedern und
Feilen,
Wagen,
Maschinen,
Parkette,
Papier, chemische
Produkte etc. sowie zahlreiche
Mühlen.
[* 8] Von großer Wichtigkeit ist auch der
Handel, besonders mit
Getreide,
[* 9]
Mehl,
[* 10]
Wein,
Bauholz,
Marmor,
Branntwein,
Wolle,
Tuch, Vieh etc. Für den Lokalverkehr dient eine
Pferdebahn; auch ist die
Stadt mit einer ältern und einer neuen
Wasserleitung
[* 11] versehen. Toulouse
hat
Fakultäten für
Rechte, philosophisch-historische
und mathematisch-naturwissenschaftliche
Disziplinen (zusammen mit 1100 Studierenden), eine freie katholische
Universität,
ein
Lyceum, ein
Collège, eine Tierarzneischule, ein großes und kleines
Seminar, eine
Normalschule, eine
Kunstschule, ein
Konservatorium
der
Musik, ein Taubstummen- und Blindeninstitut, eine
Akademie der
Wissenschaften wie auch andre
gelehrte Gesellschaften,
eine öffentliche
Bibliothek von 60,000
Bänden, ein reichhaltiges
Kunst- und Antikenmuseum, eine naturhistorische Sammlung,
eine
Sternwarte,
[* 12] einen botanischen
Garten,
[* 13] 3
¶
mehr
Theater, ein Irrenhaus, eine Börse und eine Filiale der Bank von Frankreich. Toulouse
ist der Sitz der Präfektur, eines Erzbischofs
(von Toulouse
und Narbonne), eines protestantischen Konsistoriums, eines Appell- und Assisenhofs, eines Handelsgerichts, einer Handelskammer
und des 17. Armeekorpskommandos. - Zur Zeit der Römer
[* 15] hieß Toulouse
Tolosa, war die Hauptstadt der Volcae Tectosages
und schon im 2. Jahrh. v. Chr. eine reiche Handelsstadt und Mittelpunkt des westeuropäischen Handels.
In dem heiligen Teich des großen Nationalheiligtums war der ungeheure Schatz von 15,000 Talenten versenkt, durch dessen Raub der Prokonsul Cäpio das Aurum Tolosanum sprichwörtlich machte. Trotz mehrfacher Eroberungen und Plünderungen war es auch im 4. Jahrh. n. Chr. noch immer eine durch Handel, Reichtum und Wissenschaften blühende Stadt. 413 von den Westgoten eingenommen, wurde sie nun Residenz der Könige des westgotischen Reichs, bis Alarich II. sie 507 an den Frankenkönig Chlodwig verlor.
Von da an wurde sie durch fränkische Grafen verwaltet und ward 631 Residenz der Herzöge von Aquitanien
(s. d.). 721 wurden die Araber von Eudo von Aquitanien bei Toulouse
besiegt. Nach dem Untergang der Selbständigkeit Aquitaniens (771)
war Toulouse
778 wieder Sitz einer Grafschaft, deren Dynastengeschlecht die Landschaften Quercy, Albigeois sowie Teile der Grafschaften
Auvergne und Aquitanien und der Provence mit Toulouse
vereinigte. Die Grafen von Toulouse
führten meist den Namen Raimund
(s. Raimund von St.-Gilles), ihre Macht ging in den Albigenserkriegen zu Grunde.
Des letzten Grafen, Raimunds VII., einzige Tochter, Johanna, vermählte sich mit Ludwigs IX. Bruder, dem Grafen Alfons von Poitiers,
dem sie Toulouse
zubrachte. Als dieser 1271 nach einer kinderlosen Ehe starb, vereinigte Philipp III. die Grafschaft
Toulouse
für immer mit der Krone Frankreich, nur den Titel eines Grafen von Toulouse
verlieh Ludwig XIV. seinem dritten Sohn von der Montespan,
Louis Alexandre de Bourbon, Grafen von Toulouse
(geb. gest.
In der Nacht vom 16. zum wurden in Toulouse
gegen 4000 Hugenotten ermordet. Am erfocht
die vereinigte britisch-spanische Armee unter Wellington bei Toulouse
einen Sieg über die Franzosen unter Soult.
Vgl. Catel, Histoire
des comtes de Toulouse
(Toul.
[* 16] 1623);
»Toulouse Histoire, archéologie monumentale, facultés, etc.« (das. 1887);
Jourdan, Panorama historique de Toulouse (2. Aufl., das. 1877).