Torricellisches
Theorem
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Torricellisches
[* 2] die fortschreitende Bewegung einer tropfbaren oder gasförmigen Flüssigkeit durch eine Öffnung ihres Behälters. Die hierbei geltenden Gesetze bilden einen Teil der Hydrodynamik (s. Hydraulik) oder der Aerodynamik (s. d.), je nachdem sie sich auf die tropfbaren oder gasförmigen Flüssigkeiten beziehen. Die Geschwindigkeit, mit der eine Flüssigkeit aus der Öffnung ihres Behälters tritt, nennt man ihre Ausflußgeschwindigkeit. Diese ist für eine tropfbare Flüssigkeit, die durch eine Boden- oder Seitenwandöffnung ausströmt, gerade so groß wie die Geschwindigkeit, welche die Flüssigkeit im freien Fall (s. d.) von dem Flüssigkeitsspiegel bis zur Ausflußöffnung erlangt hatte. Dieses von Torricelli zuerst (1644) gefundene hydrodynamische Gesetz ist als das Torricellische Theorem bekannt und wird durch die Formel
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ausgedrückt, wo v die Ausflußgeschwindigkeit, h die Tiefe der Ausflußöffnung unter dem Niveau und g die Beschleunigung der Schwerkraft bedeutet. Die Ausflußgeschwindigkeit ist hiernach unabhängig von der specifischen Schwere der Flüssigkeit. Dadurch, daß ein lotrecht aufwärts steigender Wasserstrahl sich nahezu bis zur Höhe des Wasserbehälters im Spiegel [* 5] erbebt, bestätigt sich mit Hilfe der Fallgesetze der Torricellische Satz unmittelbar. Zum Nachweis bedient man sich der Mariotteschen Ausflußflasche. (S. [* 3] Figur, S. 145a.) Dieselbe besitzt in dem Seitenrohr rs die Ausflußöffnung o, die in der auswechselbaren Verschlußscheibe gh angebracht ist und verschiedene Formen erhalten kann. Oben ist das Gefäß [* 6] luftdicht verschlossen bis auf die an beiden Enden offene Röhre ba. Die Wassersäule im Gefäße oberhalb a und die darüber befindliche Luft hält während des Ausfließens stets dem äußern Luftdrucke das Gleichgewicht. [* 7] Der Ausfluß bei o erfolgt also unter der gleichbleibenden Druckhöhe h=ao. ¶
Berechnet man hiernach die Ausflußgeschwindigkeit, so läßt sich die Ausflußparabel der gewissermaßen horizontal geworfenen Flüssigkeit (s. Wurf) im voraus konstruieren und mit der wirklichen vergleichen. Die Ausflußgeschwindigkeiten aus kapillaren Ansatzröhren weichen wegen der großen Reibung [* 9] von denen aus weiten Röhren [* 10] ab, indem sie sich bei letztern wie die Quadratwurzeln aus den Druckhöhen, bei erstern dagegen einfach wie die Druckhöhen verhalten. Die Ausflußmenge Q in Volumeneinheiten pro Sekunde ist das Produkt aus der Ausflußgeschwindigkeit und dem Flächeninhalt q der Ausflußöffnung, also
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Wegen der Zusammenziehung (Kontraktion) des Ausflußstrahls ist in der Regel die wirklich ausgeflossene Flüssigkeitsmenge kleiner als die theoretisch berechnete, so daß man letztere mit einem Kontraktionskoefficienten, der für verschiedene Formen der Öffnung verschieden und, immer kleiner als 1 ist (z. B. 0,64 für runde Öffnungen in einer dünnen Wand), multiplizieren muß.
[* 2] ^[Abb]
Der ausfließende Wasserstrahl ist anfangs zusammenhängend und kontrahiert, weiter von der Mündung entfernt in Tropfen geteilt. Durch die Schwingungen des Öffnungsrandes gerät auch der Ausflußstrahl in Schwingung, [* 11] infolgedessen er Anschwellungen und Einschnürungen zeigt. Eingehendere Untersuchungen hierüber rühren von Savart und Plateau her. Die ausströmenden Gase [* 12] befolgen ebenfalls das Torricellische Theorem, wenn der Druck, unter dem das Gas ausströmt, durch die Höhe h einer diesem Druck entsprechenden Gassäule von derselben Dichte ausgedrückt wird. Diese Gassäule ist
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wenn λ die den Druck angebende Quecksilbersäule, σ das specifische Gewicht des Quecksilbers und s dasjenige des Gases bedeutet; es ist dann die Ausflußgeschwindigkeit
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Läßt man daher zwei verschiedene Gase unter gleichem Druck ausströmen, so verhalten sich die Ausflußgeschwindigkeiten umgekehrt, wie die Wurzeln aus den Dichten. Diesen Satz benutzte Bunsen zu einer Methode der Dichtenbestimmung der Gase. (Vgl. Bunsen, Gasometrische Methoden, 2. Aufl., Braunschw. 1877.)