Titel
Tonart
,
in der Musik die Bestimmung des Tongeschlechts (ob Dur oder Moll) und der Tonstufe, auf welcher ein Stück seinen Sitz haben soll. Statt unsrer heutigen beiden Tongeschlechter nahmen die Alten (Griechen, Römer, [* 2] Araber, Inder, das Abendland im Mittelalter) deren eine größere Zahl an (vgl. Kirchentöne); über die Bedeutung dieser verschiedenen Oktavengattungen wie der Tonleitern überhaupt vgl. Tonleiter. Jede Oktavengattung kann beliebig transponiert werden, d. h. dieselbe Intervallenfolge kann von jedem Ton aus gebracht werden; schon die Griechen hatten 15 Transpositionsskalen, die Kirchentöne wurden freilich lange Zeit nur in die Quarte und erst später auch in die Quinte transponiert. Die Einführung noch mehrerer Transpositionen im 16.-17. Jahrh. war schon das Anzeichen des Unterganges der alten Lehre. [* 3] Die heutigen Transpositionen der beiden Grundskalen (C dur und A moll) sind:
1) in die Oberquinte (G dur E moll) mit 1 # (vor F)
2) - - Unterquinte (F dur, D moll) mit 1 b (vor H)
3) - - 2. Oberquinte (D dur, H moll) mit 2 # (vor F, C)
4) - - 2. Unterquinte (B dur, G moll) mit 2 b (vor H, E)
5) - - Obersexte (A dur, Fis moll) mit 3 # (vor F, C, G)
6) - - Untersexte (Es dur, C moll) mit 3 b (vor H, E, A)
7) - - Oberterz (E dur, Cis moll) mit 4 # (vor F, C, G, D)
8) - - Unterterz (As dur, F moll) mit 4 b (vor H, E, A, D)
9) - - große Oberseptime (H dur, Gis moll) mit 5 # (vor F, C, G, D, A)
10) - - große Unterseptime (Des dur, B moll) mit 5 b (vor H, E, A, D, G)
11) - - übermäßige Oberquarte (Fis dur, Dis moll) mit 6 # (vor F, C, G, D, A, E)
12) - - übermäßige Unterquarte (Ges dur, Es moll) mit 6 b (vor H, E, A, D, G, C)
13) - - chromatische Obersekunde (Cis dur, Ais moll) mit 7 # (vor F, C, G, D, A, E, H)
14) - - chromatische Untersekunde (Ces dur, As moll) mit 7 b (vor H, E A, D, G, C, F)
Der verschiedene
Charakter der Tonarten
ist kein leerer
Wahn, hängt aber nicht, wie man hier und da lesen
kann, von der ungleichartigen
Temperatur der
Töne ab (nämlich
C dur als am reinsten gestimmt gedacht), sondern ist eine ästhetische
Wirkung, die in der Art des
Aufbaues unsers Musiksystems ihre
Erklärung findet. Dasselbe basiert auf der
Grundskala der sieben
Stammtöne A-G, und die beiden diese vorzugsweise benutzenden Tonarten
C dur und
A moll erscheinen als schlichte,
einfache, weil sie am einfachsten vorzustellen sind. Die
¶
mehr
Abweichungen nach der Obertonseite (#-Tonarten
) erscheinen als eine Steigerung, als hellere, glänzendere, die nach der Untertonseite
(b-Tonarten
) als Abspannung, als dunklere, verschleierte; die erstere Wirkung ist eine dur-artige, die letztere eine moll-artige.
Dazu kommt die Verschiedenheit der ästhetischen Wirkung der Dur-Tonarten und Moll-Tonarten selbst, welche in der Verschiedenheit
der Prinzipien ihrer Konsonanz wurzelt; Dur klingt hell, Moll dunkel.
Die Dur-Tonarten mit Kreuzen haben daher einen potenzierten Glanz, wie die Molltonarten mit Been potenziert dunkel sind; eigenartige
Mischungen beider Wirkungen sind das Helldunkel der Dur-Tonarten mit Been und die fahle Beleuchtung
[* 5] der Molltonarten mit Kreuzen.
Die Wirkung wächst mit der Zahl der Vorzeichen. Geringe Modifikationen erleidet der Charakter der Tonarten
durch die größere oder geringere Schwierigkeit, mit der die einzelnen Tonarten
von den Instrumenten hervorgebracht werden.
Die Tonarten
mit viel Vorzeichen klingen am besten beim Klavier; dagegen machen manche Tonarten
den Instrumenten mit teilweise
gebundener Intonation besondere Schwierigkeiten. Die Posaunen stehen in Es dur, haben daher eine natürliche
Abneigung gegen #-Tonarten;
umgekehrt stehen Flöte und Oboe in D dur, d. h. sie haben Abneigung gegen B-Tonarten. Auch die
Streichinstrumente sind zufolge der Stimmung der leeren Saiten als in G-, resp. D- oder A dur stehend anzusehen, d. h. sie begegnen
in den B-Tonarten größern Schwierigkeiten. Die Schwierigkeiten der Applikatur belasten in einer ganz
ähnlichen Weise die Vorstellung wie die des Systems der Notenschrift, und Es dur erscheint daher den Posaunisten, D dur den Flötisten,
Oboisten und Violinisten als eine besonders einfache Tonart.