Titel
Tolēdo.
1)
Span.
Provinz in Neucastilien, die Mitte der Iberischen Halbinsel, liegt zwischen den
Provinzen
Avila im NW.,
Madrid
[* 2] im
NO., Cuenca im O.,
Ciudad-Real
(La Mancha) im
S. und
Caceres im W., ist wenig gebirgig, nur im NW. ist die 1366 m aufsteigende
Sierra de
San Vicente (eine kürzere Vorkette der
Sierra de Gredos) und im
SW. sind die Montes de Toledo
, im Tejadillas 1400 m hoch,
meist kahle, verzweigte Kalk-, Granit- und Schieferberge, zum größten
Teil baumarm, mit Ausnahme des Südostens, wo der
Giguela mit Rianzares zum Guadiana geht, nur vom
Tajo und seinen Nebenflüssen Algodor, Guadarrama und Alberche bewässerte
Hochebene mit kontinentalem
Klima
[* 3] und fruchtbarem, ungenügend angebautem
Boden, der Getreide,
[* 4] Hülsenfrüchte,
Wein, Öl und
Safran trägt, sowie mit wenig benutzten
Weiden zur Zucht der Haustiere. Toledo
hat auf 15257 qkm (1887) 359562
(181720 männl., 177
842 weibl.) E., 24524 mehr als 1877, und zerfällt in 12
Bezirke mit 206 Gemeinden. - 2) Toledo
, lat.
Toletum,
Hauptstadt der
Provinz Toledo
, rechts am
Tajo, der die an schroff abfallendem, 529 m hohem
Berge liegende Stadt
auf drei Seiten umgiebt, an der Seitenlinie
Castillejo-Toledo (26 km) der Eisenbahn
Madrid-Alicante und 13 km südlich der
Station
Bargas der
Bahn Madrid-Lissabon, ist ein von starken
Mauern geschütztes Gewirr enger, oft steiler, finsterer Gassen und Plätze
mit vielen großartigen Bauten aus frühern Jahrhunderten, ein alter berühmter Sitz des Kardinal-Erzbischofs
und Primas von
Spanien
[* 5] und hat (1887) 20837 E., während im 14. Jahrh, an 200000 E. daselbst gewesen sein
sollen.
[* 1] ^[Abb.]
Auf dem Gipfel des Berges liegt an Stelle des alten maurischen ein von Alfons X. im 13. Jahrh, erbautes Schloß (Alcazar), das durch Feuer zerstört wurde. Von maur. Bauart sind noch die Puerta del Sol (d. i. Sonnenthor, s. Tafel: Kunst des Islam II, [* 1] Fig. 2), zwei Thore an der Flußseite (Alcantara und San Martin) sowie eine der beiden hohen Tajobrücken (Puente de Alcantara, s. Tafel: Steinbrücken I, [* 1] Fig. 1) und das jenseits neben dieser liegende Kastell San Servando, während die andere Brücke [* 6] (de San Martin) den schönsten Blick auf die wilde Schlucht des Tajo bietet.
Das großartigste Bauwerk ist die 1227 von Pedro Perez begonnene Kathedrale. Sie ist 120,4 m lang, 59,13 m breit, 30,5 m hoch, hat eine prächtige, skulpturenreiche Westfaçade in drei Stilarten, fünf Schiffe [* 7] mit 88 Pfeilern, Kostbarkeiten und Kunstschätzen (auch deutsche Gemälde) und unter den 22 Seitenkapellen die des Kardinals Ximenes, die Capilla mozárabe mit achteckiger Kuppel und die herrliche Capilla de los Reyes Nuevos (1531-46 erbaut) mit Königsgräbern, sowie den prächtigen Kapitelsaal und einen 90 m hohen Turm [* 8] mit 14 Glocken. (S. Tafel: Spanische Kunst [* 9] II, [* 1] Fig. 1.) Im erzbischöfl.
Palast befindet sich die 1771 gegründete Provinzialbibliothek mit 70000
Bänden und 678 Handschriften. Neben dem
Dom ist der
frühere Inquisitionspalast, jetzt Provinzialregierung. Am dreieckigen Domplatz (Plaza de
Ayuntamiento) steht das von
Juan de
Herrera, dem Erbauer des Escorial, im Renaissancestil errichtete zweitürmige
Stadthaus. Toledo
hat außer dem
Dom 25
Kirchen, darunter
El Cristo de la Luz, ursprünglich eine Moschee, die
Alfons VI. beim Siegeseinzug zur
Kirche weihte, und Sta. Maria la
Blanca
in maur.
Stil, bis 1405
Synagoge (s.
Tafel:
Arabische Kunst I,
[* 1]
Fig. 3); ferner in dem von Ferdinand und Isabella 1476 gegründeten
Kloster
San
Juan de los Reyes (mit Provinzialmuseum) einen prächtigen got. Kreuzgang. Sodann besitzt
Toledo
19 Nonnenklöster (früher auch 37 Mönchsklöster), 9 Hospitäler, ein Barmherzigenhaus
(Casa de Caridad), 3 Erziehungsanstalten
für adlige Fräulein, ein Instituto, Priester- und Lehrerseminare, Kunstakademie, Kunstgewerbeschule
und Kadettenschule. Die 1498 gegründete
Universität ist 1845 eingegangen, ebenso die
allgemeine Kriegsschule. Am rechten
Ufer des
Tajo, 1 ½ km stromab, liegt eine königl. Waffenfabrik, die vortreffliche Degenklingen
(Toledoklingen), Säbel,
Bajonette,
Dolche und
Messer
[* 10] liefert, auch wird im Kleingewerbe die noch immer bemerkenswerte
Tauschierarbeit
auf
blanke Waffen
¶
mehr
hergestellt. Von der übrigen, ehemals berühmten Industrie, die Seiden-, Gold- und Silberstoffe fertigte, ist nur ein Rest geblieben, bloß die Marzipanbäckerei erfreut sich noch guten Rufs.
Toledo
wurde 192 v. Chr. von den Römern erobert und war Hauptstadt der Carpetaner, sehr fest und durch Stahl- und Waffenarbeiten
berühmt. Nur Reste eines Cirkus
[* 12] sind aus röm. Zeit übrig. Im 5. Jahrh. kam es nacheinander
in den Besitz der Alanen, Sueven und der Westgoten, deren Hauptstadt es 567 wurde, während es zugleich Mittelpunkt der span.
Hierarchie war, die Kirchen- und Priesterstadt, in der von 400 bis 701 allein 18 Kirchenkonzile abgehalten wurden. Die
Blütezeit T.s war jedoch unter der Herrschaft der Mauren (712‒1085), wo es als Tolaitela in der Landschaft Esch-Scharran
den Sitz eines Emirs und seit 1036 eines Königs der Dhulnuniden sowie arab. Gelehrsamkeit bildete,
obwohl es sich zuerst oft im Aufstand gegen den Chalifen von Cordoba
[* 13] befand und wiederholt unterworfen wurde.
Alfons Ⅵ. von Castilien eroberte Toledo
1085 nach vierjähriger Belagerung mit Hilfe des Cid, worauf es sechsmal den Angriffen
der Mauren widerstand. Bis auf Karl Ⅴ. blieb nun Toledo
Residenz der Könige von Castilien, büßte aber seinen Wohlstand in
den Bürgerkriegen von 1467, 1520‒22 (als Hauptort der Communeros gegen Karl Ⅴ.) und 1641 ein. –
Vgl. Gamero, Historia de la ciudad de Toledo
(Toledo
1863).