[* 1] (spr. tokjo; auch Tokei, spr. toke, »Osthauptstadt«),
Hauptstadt des japan.
Reichs und seit 1868 dauernde
Residenz des
Mikado, vordem
Jedo
(Yeddo) genannt, liegt unter 35° 40' nördl.
Br. und 139° 47' östl. L. v. Gr. am nordwestlichen
Ende der seichten Jedobucht und am Südrand einer fruchtbaren
Ebene, welche der Tonegawa mit verschiedenen
seiner Nebenflüsse, der Sumidagawa sowie zahlreiche
Kanäle durchschneiden. Sie wurde von Iyeyasu (s.
Japan,
[* 2] S. 165) angelegt, 1598 zur
Residenz gemacht und durch ihn und seine Nachfolger, die
Shogune aus dem
Haus Tokugawa, zu einer der umfang- und menschenreichsten
Städte derWelt, welche zur Zeit ihrer größten
Blüte
[* 3] auf einem
Areal von 75 qkm gegen 2 Mill. Einw. hatte.
Von
Jedo aus regierten die
Shogune das Land. Um das
Schloß (O-Shiro), welches sich in der Mitte der Stadt auf niedrigem, künstlichem
Hügel erhob, und seine vielen Nebengebäude und Parkanlagen waren Festungswerke mit Ringmauern und
schweren
Thoren sowie drei
Systeme Wallgräben angebracht, an deren Seiten sich die ausgedehnten Yashikis oder
Residenzen
des
Feudaladels (der
Daimios oder
Fürsten des
Landes, welche hier mit großem
Gefolge jedes zweite Jahr wohnen mußten) befanden;
dann folgte die eigentliche Stadt mit den
Wohnungen der Gewerbtreibenden und Kaufleute.
Die
Revolution von 1868, welche dem Shogunat mit seinem komplizierten Feudalsystem ein Ende machte und
die unbeschränkte Macht des
Mikado wiederherstellte, brachte der Stadt große Verluste. Die Yashikis der
Daimios verödeten,
häufige
Brände kamen hinzu und zerstörten ganze Stadtteile mit ihren leicht gebauten, dicht aneinander gereihten Holzhäusern.
Allmählich aber erholte sich Tokio wieder, neues
Leben floß ihr durch den
Verkehr mit dem
Ausland und als
Regierungssitz zu, so daß die Stadt Ende 1887 wieder 982,043 Einw. zählte.
In der
Nähe des Sumidagawa, welcher den westlichen Stadtteil durchfließt, liegt der erste
Bahnhof. Seit 1872 erreicht man
von hier aus auf dem 30 km langen Schienenweg in einer
Stunde den
HafenYokohama. Vom
Bahnhof aus führt
eine weite
Straße, Shimbashi-dori genannt, nordwärts nach dem schönen
Park Uyeno hin über Nihonbashi, die Sonnenaufgangsbrücke,
von der aus man die
Entfernungen berechnet und den riesigen
Kegel des
Fujiyama schaut. Shimbashidori, die wichtigste und schönste
Verkehrsstraße von Tokio, wurde nebst vielen Seitenstraßen in fremdem
Stil mit zweistöckigen, feuersichern
Backsteinhäusern angelegt, nachdem eine große Feuersbrunst den Stadtteil zerstört hatte. Am brannte auch das
O-Shiro nieder.
Der
Mikado residierte seitdem im Yashiki eines ehemaligen Daimio, so daß seine
Wohnung viel bescheidener war als die neuen
großen Backsteinbauten der englischen und deutschen Gesandtschaft. Inzwischen ist seine neue
Residenz
an
Stelle des alten
Schlosses vollendet u. im
Januar 1889 von ihm bezogen worden. In Tokio wohnen die fremden
Gesandten u.
Konsuln,
wo sie wollen,
Ausländer in japanischem
Dienst in den ihnen überwiesenen ehemaligen Yashikis oder neuen Holzbauten auf
Yashikigrund, fremde Kaufleute aber und Gewerbtreibende nur in einem bestimmten Stadtteil.
Die Stadt hat
Gasbeleuchtung und manche andre europäischen
Städten nachgebildete Einrichtung. Für den Straßenverkehr ist
an
Stelle der
Sänfte seit 20
Jahren hier wie in ganz
Japan die Shinrikisha getreten, ein
Karren,
[* 4] den ein oder zwei sich in, resp.
vor die
Schere
[* 5] spannende
Kulis ziehen, während der
Passagier über der
Achse auf einem Rohrsitz mit kutschenartigen
Rück- und
Seitenlehnen sitzt. In ihren ein- oder zweistöckigen, meist nur 7 m hohen Holzhäusern, deren Gemächer möbellos mit Binsenmatten
bedeckt und durch leichte Schiebewände getrennt sind, gleichen sich alle japanischen
Städte. Das
Licht
[* 6] dringt von der
Straße oder dem
Hof her
[* 7] matt ein durch die Papierscheiben, womit man die
Quadrate der Schieberrahmen überzogen
hat. In diesen japanischen
Häusern ist die Petroleumlampe eingeführt, während für die Bekleidung und
Ausstattung des noch nicht ganz europäisierten Japaners von fremden Artikeln zuerst Filzhut und Regenschirm Eingang fanden.
Seit der neuen politischen EinteilungJapans 1871 bildet die Stadt mit ihrer nächsten Umgebung ein besonderes Territorium,
das Tokiotu, mit ca. 1½ Mill. Einw.
[* 1] auch Tokei (d. h. Hauptstadt des Ostens), seit der offizielle Name von Jedo, der Hauptstadt des JapanischenReichs und seit 1869 Residenz des Kaisers, liegt an der geräumigen und von allen Seiten geschützten,
aber in der Nähe des Ufers seichten Tokiobai (Bai von Jedo), an der Mündung des Flusses Sumidagawa, in einer fruchtbaren und
musterhaft bebauten Ebene, an deren südwestl. Grenze sich der VulkanFusijama (s. d.) erhebt. (S. Karte:
Jokohama und Tokio mit Nebenkarte, beim ArtikelJokohama, Bd. 9, sowie den PlanTokio, Bd. 17.) Tokio bildet mit seiner nächsten
Umgebung einen besondern Stadtbezirk (Fu) und gehörte zu der Provinz Musashi. Tokio hat (1895) 1342153 E., darunter 655 Ausländer,
mit der dazu gehörigen Landbevölkerung aber 2 Mill. E. Die Stadt wird vom Sumidagawa in eine kleinere
östliche und eine größere
¶
mehr
westl. Hälfte geteilt, sowie von einer Anzahl breiter und tiefer, wohl unterhaltener Kanäle durchflossen. Von den vielen
meist hölzernen Brücken
[* 11] sind die Niponbashi (d. h. Japanbrücke), Azumabashi (jetzt Kettenbrücke) und
Riogokubashi zu nennen. Tokio besteht aus 15 Stadtteilen, von denen zwei, Hondsho und Fukagawa, auf dem östl.
Ufer des Sumidagawa liegen. Das Ooshiro oder Schloß ist mit einem breiten Graben und einer hohen und
dicken Mauer umgeben und enthält jetzt die Residenz des Kaisers, einen Komplex von Wohngebäuden, prachtvollen Gärten u. s. w.
Diesen Teil umgiebt gürtelförmig und mit Ringmauer und Gräben versehen das Sotoshiro, worin sich früher die Quartiere der
frühern Reichsvasallen (Daimio) sowie der Hatamoto befanden, die jetzt modernen Gebäuden, wie Ministerien
u. s. w., Platz gemacht haben.
Ringsherum breitet sich die übrige Stadt aus, deren oft unregelmäßige Straßen in manchen Teilen, z. B. dem vornehmsten
Teil, dem Westen, Hohlwege bilden. Nahe der Mündung des Sumidagawa liegt das Fremdenviertel Tsukidshi, wo die Fremden
allein Landbesitz erwerben dürfen. Die schönsten Parkanlagen sind der Ujenopark im Norden
[* 12] mit Museum
und einer Rennbahn sowie der Shibapark im Süden mit den Gräbern von sechs Shogunen. Die wichtigsten Straßen sind die Ginza
und deren Fortsetzungen nach beiden Seiten mit Kaufläden europ. Stils, die Nakadori mit den Verkaufsstellen japan. Kuriositäten,
deshalb auch Curiostraße genannt, die Nagata-tschu mit den Residenzen der meisten europ.
Diplomaten u. s. w. Der beste Bazar in Tokio ist der Kwankoba (d. i. Bazar) am Nordeingang in den Shibapark. Es befinden sich in
Tokio 2 engl., 1 amerik., 1 röm.-kath., russ.-orthodoxe
und deutsch-evang. Kirche.
Von den zahlreichen Tempeln sind erwähnenswert: im Stadtteil Asakusa der Tempel
[* 13] des Kwannon, dessen Bild
aus dem 6. Jahrh. v. Chr. stammen soll. Der ihn umgebende Garten
[* 14] (Asatusa Koëntschi) ist der Hauptvergnügungsort für die
mittlern und untern Klassen und enthält einen 1890 erbauten, in 12 Stockwerken 70 m hohen Turm.
[* 15] Der Shokonsha oder Jasukuni, 1869 errichtet,
ist ein Shintotempel modernster Art, im strengsten Sinne des Shintoismus gehalten und deshalb fast leer.
Der berühmte buddhistische TempelEko-in am linken Ufer des Sumidagawa wurde 1657 zur Erinnerung an eine Feuersbrunst gebaut,
der über 100000 Menschen zum Opfer gefallen sein sollen. Er ist die Hauptverehrungsstätte der Toten, besorgt aber
auch Totenfeiern für Haustiere. Der Higashi Hongwandschi, gewöhnlich Monseki genannt, ist der ungeheure Haupttempel der
buddhistischen Montosekte. Der Confuciustempel Seido, ein prächtiges Beispiel chines. Stils, enthält jetzt ein Unterrichtsmuseum.
Shogunengräber befinden sich auch in zwei Tempeln in der Nähe des Ujenoparks, wovon besonders der zweite ein prächtiges
Gebäude in Gold
[* 16] und blendenden Farben ist. Im NO. der Stadt befindet sich der Joshiwara, das staatlich überwachte
Quartier der Freudenmädchen. Seit 1885 hat Tokio ein Elektricitätswerk und seit 1890 Telephonanlage. Eine eigentümliche Erscheinung
in den Straßen sind die Jinrikisha, d. h. leichte, zweiräderige, von einem Mann gezogene Fuhrwerke, die mehr und mehr an
die Stelle der Sänften getreten sind.
Auch finden sich seit 1882 Pferdebahnen. Von den zwei Bahnhöfen liegt der Shimbashibahnhof im Süden, der Ujenobahnhof im
Norden, ersterer für die Linie nach Jokohama und die Südbahn, letzterer
für die Nordbahn. Beide sind miteinander verbunden
durch die Tokio-Akabane-Verbindungsbahn, meist Ringbahn genannt, mit mehrern Stationen in den Vororten der
Stadt; von einer derselben führt eine Zweiglinie nach Hatschiotschi im W. von Tokio. Die Universität von Tokio, bis 1896 die einzige
des Landes, zählte Ende Juni 1896: 86 Professoren, 28 Docenten und 1588 Studierende. Sie zerfällt in 6 Fakultäten, 36 Abteilungen
und 127 verschiedene Fächer.
[* 17] - Tokio wurde 1456 gegründet, blieb aber bis Ende des 16. Jahrh,
unbedeutend und ist recht eigentlich eine Schöpfung der Shogune der letzten Dynastie, welche 1590 ihren Wohnsitz dorthin
von Suruga verlegten. Tokio ist seit 1869 dem Fremdenverkehr geöffnet, doch ist Jokohama, mit dem es schon seit 1872 durch eine
Eisenbahn verbunden ist, als der eigentliche Hafen für den Handel mit dem Auslande anzusehen. Am wurde Tokio von einem
verheerenden Erdbeben
[* 18] heimgesucht.