ein im voralpinen Gebiet des schweizer. Kantons Zürich
entspringender
Fluß, der in nordwestlicher
Richtung dem
Rhein zufließt
und fast auf dem ganzen 49 km langen
Lauf durch sein enges, waldiges
Thal
[* 2] im
Dienst industrieller Etablissements
steht.
Auch das Dorf Töß, bei
Winterthur, an der Bahnlinie
Winterthur-Bülach-Koblenz, mit (1888) 3388 Einw., einst Sitz
eines Dominikanerklosters, ist Fabrikort geworden.
Das Tößthal wird von der Bahnlinie
Winterthur-Wald durchzogen.
(Kt. Zürich
u. St. Gallen).
1240-341 m. 54,2 km langer, linksseitiger Zufluss des Rheins. Der Name (urkundlich Tozza
und Toissa) leitet sich ab von «tosen» (mittelhochdeutsch dienen = laut
rauschen) und bezeichnet also ein stark rauschendes Gewässer, einen Fluss mit Wildbachcharakter.
Die Töss entsteht aus zwei Quellarmen: der Hinteren Töss, die bei 1120 m am S.-Abhang des Schindlenberges, und der Vorderen
Töss, die am W.-Abhang des Welschenberges bei 1240 m entspringt. Beide Quellbäche vereinigen sich, nachdem sie den inselartig
zwischen ihnen gelegenen Tössstock umflossen haben, an der Tössscheide (794 m). Bei Boden (Steg) tritt der Fluss in 704 m
Höhe in das Hauptthal des Zürcher Oberlandes ein, um nun vorwiegend nordwestwärts zu fliessen und bei
Teufen am sog. Tössegg (341 m) in den Rhein zu münden.
Die Töss ist ein reiner Mittellandfluss, der an der Grenze der gehobenen subalpinen
Molasse seine Quelle hat und von da aus die gesamte Molasse bis zur Rheinlinie in senkrechter Richtung zu dieser durchquert
(geradliniger Abstand etwa 45 km). Ausser der Glatt stand keinem andern reinen Mittellandfluss ein so
langer Raum zur Ausbildung seines Laufes zur Verfügung. Für die Töss war ausserdem der Umstand wichtig, dass sie von einer
hochliegenden Nagelfluhmasse ausgeht.
Diese reicht von der Kiburg und dem Schauenberg im N. bis zum Bachtel und der Kreuzegg im S. und hat in dieser
Richtung eine Länge von 28 km, sowie im Mittel eine Breite von etwa 10 km. Nur ein schmaler Streifen von etwa 800 m Breite
südöstl. der Kreuzegg liegt südl. der Tössquellen und gehört zu der subalpinen Nagelfluh, welche den ganzen N.-Fuss der
Alpen begleitet. Alles übrige liegt wie eine Insel in das Sandstein- und Mergelgebiet des Mittellandes
hinaus vorgeschoben und bildet das Gebiet, auf dem der Oberlauf der Töss sich gestaltete.
Mitten durch die alten Kiesablagerungen eines verschwundenen Stromes bildete sich ein neuer Fluss, die Töss, deren Hauptader
ursprünglich von Steg an gerade nach S. über Fischenthal und Gibswil reichte, und zwar weiter als heute
ihr Gebiet in diesem Sinne geht. Von S. her nagte aber in direkt entgegengesetzter Richtung an jenem Nagelfluhgebirge die
Jona, die zufolge ihrer nahen und tiefgelegenen Erosionsbasis (Obersee) sich kräftig einschnitt und der Töss ihr südl. von
Gibswil gelegenes Sammelgebiet raubte.
Noch zeugen vom ursprünglichen Zustand zwei Bäche, die erst nach N. fliessen, als wollten sie der Töss zueilen, dann aber
auf einmal rechtsumkehrt machen und der Jona zuströmen. Nur wenn wir ein solches verloren gegangenes Sammelgebiet annehmen,
können wir das breite Thal verstehen, welches sich von Steg bis Gibswil erstreckt, zum guten Teil versumpft
und nur von einem kleinen, lässig strömenden Bach durchzogen ist, welcher nie imstande gewesen wäre, dieses Thal zu bilden.
So verstehen wir auch die Thalwasserscheide bei Gibswil, die später durch eine kleine Moräne verschärft wurde, und die
ganze tiefe Furche, die durch Jona und Töss in die Nagelfluhinsel des zürcherischen
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Oberlandes eingegraben worden ist. Beide Flüsse waren eben infolge bedeutenden Gefälles rüstig an der Arbeit. Da nun
aber der eigentliche Oberlauf der Töss verloren gegangen war, erschien fortan der kräftigste Zufluss jener Furche, das
vom Tössstock herströmende Wasser, als Hauptfluss. Dem abfliessenden Wasser stand ein bedeutendes Gefäll zur Verfügung,
so dass ein tiefes Thal entstand, welches die Hörnli- von der Allmannkette, den Schauenberg vom Tannenberg und den Irchel vom
Dettenberg schied.
Heute liegt die Thalsohle je etwa 330 m unter dem Plateau des Irchel und unter dem Gipfel des Schauenbergs, sowie etwa 430 m
unter dem Gipfel des Hörnli. Im Oberlauf verzweigt sich die Töss in Schluchten hinein, aus denen man
in ununterbrochenen Gehängen, die bis 70% Böschung besitzen, zu den 400-500 m höher gelegenen Gipfeln hinansteigt. Sonst
sind die Gehänge terrassiert. Im obern Tössthal sieht man drei deutlich erhaltene Terrassensysteme in etwa 10, 60 und 100 m
über der Thalsohle. Im mittleren Tössthal sind noch einige grosse Terrassen des letzten Systems vorhanden
(Wolfensberg, Lindberg, Brühl und Eschenberg bei Winterthur; Hornacker bei Wildberg u. s. f.). Auf diesen Terrassen liegen die
ältesten Siedelungen, während die den Ueberschwemmungen ausgesetzte Thalsohle an vielen Orten erst später bewohnbar wurde.
Jetzt hat die Töss im Unterlauf 4‰ und in der Gegend von Turbenthal-Sennhof 7,6‰ Gefälle; von Bauma
bis
zur Tössscheide wächst es von 11‰ auf 19‰. Zwischen Steg und der Tössscheide befinden sich die Stromschnellen im
«Burri» (im ganzen 15 m hoch) und der 12,5 m hohe prachtvolle Wasserfall «im Lauf». Die Gegend zwischen Turbenthal
und Sennhof bietet ein ausgezeichnetes Beispiel eines Thales im Stadium der Erweiterung. Die Töss hatte hier zu wenig Gefäll,
um sich einzuschneiden.
Nur bei Hochwasser transportierte sie ihr Geschiebe, während sie bei gewöhnlichem Wasserstand über dasselbe floss, aber
doch die Gehänge des Thales unterspülte. Diese brachen nach, der Schutt wurde bei Hochwasser fortgenommen,
und es entstanden so die in das Gebirge hineingreifenden prachtvollen Buchten von Zell, Rämismühle und Rikon, zwischen denen
die Sporne der Burghalden, des Horns und des Dettenriederwaldes zurückblieben. Einst floss die Töss in Serpentinen am Fuss
der Gehänge in diese Buchten hinaus; der Mensch aber wies ihr den heutigen geraderen Lauf an. Der Kies
der Thalsohle ist mit Grundwasser erfüllt, das als langsamer und breiter Strom thalabwärts zieht, und zwar auch dann, wenn
das Flussbett trocken liegt. An den Spornen staut sich dieser Grundwasserstrom, um an geeigneten Stellen gewaltige Quellen
zu bilden. Am Horn gegenüber Zell treibt eine solche eine Mühle und Säge. Aus dem unterirdischen Strom
bezieht die Stadt Winterthur ihre Quellwasserversorgung.
Im obern Tössthal ist das Gefälle so gross, dass der
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Fluss bestrebt ist, sein Bett zu vertiefen. Nach dem grossen Hochwasser vom 11.-14. Juni 1876, das Kulturland, Strassen, Brücken
und Stücke der kaum fertig erstellten Tössthalbahn wegriss, begann man die Korrektion von Steg bis Dättlikon. Man gab der
Töss ein Doppelprofil, bestehend aus einem eigentlichen Flussbett für Mittelwasser, an welches sich
beidseitig Vorländer und Dämme zur Fassung der Hochwasser anschliessen. Abwärts wachsen Breite und Tiefe.
Zunächst wurden die Ufer des Mittelwasserprofils durch Senkwalzen (Walzen aus sog. Studen und mit Steinen
gefüllt) fixiert und dabei das Flussbett stark verschmälert, damit dass Wasser beisammen bleibe und genug Stosskraft erhalte,
das Geschiebe abwärts zu führen. Dann wurde der nunmehr unbenutzte Teil des Flussbettes, oft breite Kiesflächen, durch
Querwuhre abgebaut, welche bei einer allfälligen Ueberschwemmung verhindern sollten, dass der Fluss
den Boden mit sich riss.
Zum Schluss erstellte man dann nach und nach die Dämme. Die Konzentration des Querprofils brachte die gewünschte Vermehrung
der Stosskraft, ja noch mehr: der Fluss, dessen Bett vorher hoch mit Kies angefüllt war, begann sich zu vertiefen, die Senkwalzen
sanken unregelmässig nach und wurden durch Wippenwuhre ersetzt. Die Vertiefung der Sohle trat bis oberhalb
Kollbrunn ein und musste durch Einbau von Sohlenversicherungen (verpfählte Steinbänder aus Lägernsteinen) in je etwa 100 m
Abstand wieder gehoben werden, damit der Fluss sich im obern Lauf nicht zu stark einschneide.
Gleichzeitig wurden, da die Holzwuhre bei der starken Geschiebeführung sich rasch abnutzten, alle konkaven
Ufer durch Steinpflästerungen verkleidet. Später setzte man die Korrektion auch oberhalb Steg bis zur Tössscheide und an
der Hintern und Vordern Töss bis zur Kantonsgrenze fort. Weil die Töss sich hier stark einschnitt und dadurch beständig
das Abrutschen der Gehänge verursachte, musste man das Flussbett fixieren, was durch eine grosse Zahl
von Betonsperren erreicht wurde.
Dadurch war zweierlei gewonnen:
1) kamen die Gehänge zum Stillstand und konnten aufgeforstet werden, und 2) wurde die Töss von einer grossen
Geschiebelast befreit, welche dem untern Tössthal hätte verhängnisvoll werden können. Die Gesamtkosten der nun in der
Hauptsache durchgeführten Korrektion belaufen sich auf etwa 6670000 Fr. Die bösesten Verheerungen fanden
in den Jahren 1852, 1855, 1859, 1876, 1881 und 1896 statt. Im obern Tössthal waren sie Uferanbrüche, im untern Kiesüberschüttungen.
Wenn das Bett im Winter tief mit Schnee bedeckt ist und plötzlich Tauwetter eintritt, kann es in seltenen
Fällen geschehen, dass aus Schnee und Wasser eine Art Muhrgang entsteht; staut sich dieser, wie es im Jahr 1889 bei Bauma der
Fall war, so steht die Überschwemmungsgefahr sehr nahe.
Die gesamte Korrektion hatte sich dem Wildbachcharakter des Gewässers anzubequemen, das in seinem
Wasserstand die grössten
Schwankungen aufweist. Während die Minimalwassermenge im Unterlauf nur etwa 0,8 m3 per Sek. beträgt
und im Oberlauf das Wasser oft wochenlang ganz im kiesigen Untergrund verschwindet, ergab das Hochwasser von 1876 bei Rorbas
eine maximale Wassermenge von 400 m3 per Sek. Als mittlere, für die Wasserwerke nutzbare Wassermenge werden bei Winterthur
2,2 m3 und bei Rorbas 3,2 m3 per Sek. gerechnet. Da das Flussgebiet im ganzen eine Fläche von 429 km2
hat, ergibt sich per km2 eine maximale Abflussmenge von nahezu 1 m3 per Sek. und eine mittlere Abflussmenge von rund
7,5 Sekundenlitern. Die Hochwasser treten zu allen Jahreszeiten ein, hauptsächlich aber bei heftigen
Gewittern im Sommer. Die Schneeschmelze, die sich im Oberland lang hinaus zieht, sichert dem Fluss im Frühling einen ziemlich
gleichmässigen Wasserstand, erzeugt für sich allein aber keine gefährlichen Hochwasser.
Seit dem Einzug der Industrie ins Tössthal in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird das Wasser der Töss in ausgedehntem
Masse zum Betrieb von Mühlen, Spinnereien, Webereien, Tuchfabriken, Maschinen- und Metallwarenfabriken benutzt. Es bestehen
zur Zeit an der Töss 36 Wasserwerkanlagen mit zusammen 3914 PS.
Das Quellgebiet der Töss hat 150-125 cm jährliche Niederschlagsmenge, der Teil von Bauma bis Kiburg 125100 cm, der Unterlauf
nur 100-75 cm. Die Temperatur nimmt thalaufwärts ab, was sich in den Kulturen wieder-spiegelt: An den
sonnigen Gehängen des untern Tössthales reift die Traube mancherorts in vorzüglicher Qualität. Bei Töss und Seen sind wir
aber schon an der Grenze des Weinbaus angekommen. Von da an aufwärts bis in die Gemeinde Bauma wird die Thalsohle, allerdings
nur in ganz untergeordneter Weise, als Getreideboden benutzt. Weiter oben bedeckt Grasland alle ebenere
Teile und Wald die steilen Gehänge, während die höchstgelegenen Gebiete des Oberlandes bereits von Alpweiden eingenommen
werden. Der voralpine Charakter dieser Höhen lockt im Sommer, ihre sonnenscheinerfüllte Luft im Winter im Verein mit der
schönen Aussicht immer mehr Besucher an. Doch wäre das Zürcher Oberland ohne die dort blühende Industrie
eine dünn bevölkerte Gegend.
Durch das ganze Thal hinauf führt eine Strasse, die dank dem guten Schotter, den die Töss liefert, als eine der schönsten
gilt. Aber erst seit 1844 ist sie vollendet. Vorher war im obern Tössthal streckenweise das steinige,
breite Tössbett der einzige Fahrweg, und die rasch anschwellende Töss forderte fast alle Jahre Opfer an Waren von stecken
gebliebenen Fuhrwerken und an Menschen und Tieren, die mit deren Bergung beschäftigt waren. Unten im Thal befand sich zwischen
Rheinsberg und Dettenberg die «Wagenbreche», der Ausgang gegen
den Rhein und Basel,
und oben an der Thalwasserscheide bei Gibswil der bequeme Uebergang ins Jona- und Zürichseegebiet. Die Uebergänge
ins Glattgebiet gehen durch die Thäler der Seitenbäche, welche das Gebirge zwischen Töss und Glatt zerschnitten haben;
linker Zufluß des Rheins im schweiz. Kanton Zürich,
[* 7] entspringt mit zwei Quellbächen,
der Vorder- und der Hintertöß am Tößstock (1153 m) in der Hörnlikette, durchfließt das tief eingeschnittene,
von subalpiner Nagelfluh umschlossene Tößthal, tritt bei dem Dorfe Töß unweit Winterthur in das Hügelland und mündet, 49 km
lang, 5½ km südlich von der Mündung der Thur bei Teufen.
Seit den Hochwassern von 1876 bis 1878 ist der
Flußlauf korrigiert. -