Tischrücken
und
Geisterklopfen. Mit Tischrücken
wird eine besondere, drehende, zuletzt gleichsam fortschreitende
Bewegung bezeichnet, die man an einem Tische wahrnimmt, wenn mehrere
Personen, die denselben umsitzen oder
umstehen, eine Zeit lang ihre
Hände auf dem Rande liegen lassen. Diese Erscheinung war schon im
Altertum in
China,
[* 2]
Indien u. s. w.
bekannt, in der Neuzeit wurde sie zuerst wieder in Nordamerika
[* 3] beobachtet und nun als Äußerung abgeschiedener
Geister erklärt,
die durch das Klopfen des sich drehenden Tisches den Fragenden Mitteilungen machten; denn sobald der
Tisch zum Drehen gebracht war, neigte er sich etwas nach hinten und gab darauf durch wiederholtes Zurückkehren in die horizontale
Stellung mit dem einen Fuße die erwartete Zahl oder die
Stelle an, die die zu bezeichnenden
Buchstaben im
Alphabet einnehmen.
Zur Erleichterung dieses etwas schwerfälligen Verkehrs erfand ein Dr. Hare das Spiritoskop oder den Psychographen, einen beweglichen hölzernen Zeiger, der, wenn er von einer oder zwei sensitiven Personen am hintern Ende berührt wird, mit der Spitze auf einem Halbkreise herumfährt und aus dem dort befindlichen Alphabet die erforderlichen Buchstaben bezeichnet. Die Geister (Spirits) sollen sogar hochempfängliche Personen (Medien) ausgemittelt haben, deren Hand [* 4] sie gleich zum willenlosen Schreiben oder Zeichnen benutzen können.
Deutschland
[* 5] ward mit dem Tischrücken
durch einen
Bericht K.
Andrees in der
«Allgemeinen Zeitung»
¶
mehr
vom bekannt, der zunächst bloß das Verfahren zur Hervorbringung jener drehenden Bewegung beschrieb. Es dauerte nicht lange, bis das sich daran knüpfende Klopfen und der Psychograph eine Art geistiger Epidemie erzeugten, welche in Deutschland nur vorübergehend, in Frankreich aber und besonders in England um so länger herrschte. Zur Erklärung des seltsamen Phänomens genügen schon die Gesetze der Mechanik. Das Erzittern der lange aufliegenden Hände summiert sich in dem Tische zu einer Kraftwirkung, die endlich, wenn mehrere unwillkürlich herniederdrückende Seitenpressungen hinzukommen, das Möbel [* 7] in eine wälzende Bewegung versetzt (Faraday, Braid).
Letztere gilt aber den Experimentierenden für eine selbständige, weil sie ihren bisherigen Kraftaufwand
für zu unbedeutend ansehen und von der Geringfügigkeit der Reibung
[* 8] nichts ahnen, die, sobald die Bewegung einmal eingeleitet
ist, zum größern Teile schon durch die Schwere des Tisches überwunden wird. (Vgl. Scheffler, Imaginäre Arbeit, eine Wirkung
der Centrifugal- und Gyralkraft, mit Anwendungen auf die Theorien des Kreisels, des rollenden Rades, des
Polytrops und des Tischrückens
, Lpz. 1866.) Das Klopfen dagegen erklärt sich teils als Betrug, teils daraus, daß sich das
Bewußtsein durch eine längere abtötende mechan. Beschäftigung teilweise hemmen, gleichsam
anästhesieren läßt. Mit dem Hypnotismus hat das Tischrücken
übrigens dem Wesen nach nichts zu schaffen;
lediglich durch die irrtümliche Anschauung, daß beim Hypnotisieren (Magnetisieren) eine Art Fluidum (das sog. Od, s. d.)
von einer Person auf die andere übergehe, hat man beide Vorgänge in Zusammenhang gebracht, ein Fehler, der auch bei neuern
Mystikern wiederkehrt. (S. Spiritismus.)