Tirol
[* 2] (fälschlich
Tyrol), eine zum cisleithanischen
Teile der Österreichisch-Ungarischen Monarchie gehörige gefürstete
Grafschaft, seit 1782 mit
Vorarlberg (s. d.), welches jedoch ein selbständiges Kronland bildet, zu
einem Verwaltungsgebiet vereinigt, grenzt im N. an
Bayern,
[* 3] im O. an
Salzburg,
[* 4] Kärnten und
Italien,
[* 5] im
S.
an
Italien, im
W. an
Vorarlberg, die
Schweiz
[* 6] und
Italien und hat einen Flächeninhalt von 26684,35 qkm,
d. i. 8,89 Proz. der Gesamtfläche
der österr. Reichshälfte, mit
Vorarlberg 29286,80 qkm. (Hierzu Karte: Tirol
und
Vorarlberg.)
Bodenbeschaffenheit. Die
Gebirge nehmen fünf Sechstel der
Fläche ein. Man findet hier fast ebenso hohe
Gebirge wie in der
Schweiz, dieselben Schneefelder,
Gletscher (hier Ferner), Schnee-,
Stein- und Sandlawinen (hier Kare und Muren), Wasserfälle
und Abgründe, nur fehlen die großen Seen. Das
Tiroler Gebirgsland, welches unter allen Alpenländern die größte
durchschnittliche
Erhebung hat, gehört den Ostalpen (s. d.) an. Die
Tiroler Centralalpenmasse (die
Kette der Ötzthaler
Alpen)
[* 7] wird durch die Gebirgsscharte des Passes Reschenscheideck (1495
m) an der Hauptquelle der Etsch und durch den bei
Alt-Finstermünz
(977
m) in das Land eintretenden Inn von den Rhätischen
Alpen Graubündens, welche mit der Rhätikon-
und Fervallgruppe den südl.
Teil von
Vorarlberg einnehmen und in Tirol
bis
Landeck reichen, getrennt und zieht sich ostwärts
bis zur Dreiherrnspitze an der Grenze von
Salzburg und Kärnten.
Sie bildet die
Wasserscheide zwischen der Donau und Etsch
(Schwarzes und
Adriatisches Meer) und die natürliche Grenze zwischen
Nord- und Südtirol.
Sie enthält die Ötzthaler
Alpen mit den ausgedehntesten
Gletschern und Schneefeldern
mit 3200-3783 m hohen
Spitzen, dann die
Stubaier
Alpen mit dem Zuckerhütl (3517 m) und die Sarnthaler Gruppe. Das Wippthal
und das
Thal
[* 8] der Eisack, die durch den
Brenner voneinander getrennt sind, scheidet die vorgenannten Gebirgsgruppen von den
Zillerthaler
Alpen mit dem Hochfeiler (3523 m) und den Duxer oder
Tuxer
Alpen mit dem Olperer (3480
m) als Kulminationspunkt.
An diese schließen sich östlich die
Hohen Tauern mit der Dreiherrnspitze (3505 m), dem Großvenediger (3660 m) und
Großglockner
(3798 m), welcher sich an der Grenze der drei
Länder Tirol
,
Salzburg und Kärnten erhebt.
Die
Hohen Tauern bilden die Nordgrenze gegen
Salzburg und senden als Nebengruppen aus: die Rieserferner Gruppe mit dem Hochgall
(3140 m), das Villgrattner
Gebirge mit der Weißspitz (2960 m) und die Schobergruppe mit dem Hochschober (3250 m). Die
Nordalpen, unter dem
Namen der
Allgäuer
Alpen (s.
Allgäu) und
Vorarlberger Alpen, durchziehen das Land an der
linken Seite des
Inns bis zum
Lech. Hier schließen sich die Nordtiroler
Kalkalpen an, welche bis
Salzburg reichen.
In den höchsten Spitzen, dem Großen Solstein unweit Innsbruck, [* 9] mit der durch Kaiser Maximilians Jagdgefahr berühmten Martinswand (1113 m), erreichen sie 2641 m und in der Zugspitze im Wettersteingebirge mit 2968 m ihre höchste Erhebung. Östlich vom Durchbruche des Inns erhebt sich das Kaisergebirge (2344 m). Die Südalpen, durch das obere Etschthal oder das Vintschgau und durch das untere Eisack- sowie das Pusterthal (s. d.) von der Centralmasse geschieden, zerfällt durch das mittlere, gegen Süden durchbrechende Etschthal in zwei Abteilungen: die Ortleralpen im Westen, mit der von ungeheuren Schnee- und Eismassen bedeckten Ortlerspitze (3902 m) und dem Stilfser Joch (s. d.), ferner mit der Adamellogruppe südlich von den vorigen mit dem Monte-Adamello (3554 m) als Hauptgipfel und einer großartigen Eisbedeckung, dann den Nonsberger Alpen, der Brentagruppe und den Tridentinischen Alpen, welche letztere drei Gruppen bereits Kalkalpen sind.
Östlich von der Etsch, der Eisack und südlich vom Pusterthal erheben sich die durch die Eigentümlichkeit ihrer Gipfelbildungen, bald Nadeln, [* 10] bald Hörner und Türme, sowie durch ihre wilde Schluchten und furchtbare Zerrissenheit so interessanten Südtiroler Dolomiten. Sie sind eine Anhäufung zerrissener Bergstöcke mit meistens domartigen, zum Teil 2560-3200 m hohen Kuppen und dem Kulminationspunkte der 3344 m hohen Marmolada im Hintergrunde des vom Wildbach Avisio oder Lavis durchflossenen Fleimser Thals, dessen oberer Teil, das Fassathal, durch die prachtvollsten Dolomitfelsen und durch völlig senkrechte Bergwände von mehr als 960 m Höhe, wie sie sich nirgends in dem ganzen Alpensystem finden, berühmt ist.
Südlich von den durch das Valsugana geschiedenen Dolomiten erheben sich östlich der Etsch die Vicentinischen
Alpen, welche
auch zum
Teil die Grenze gegen
Italien bilden. Ihr Kulminationspunkt ist die
Cima Dodici (2331 m). Wenige
Länder sind so
reich an schönen
Thälern wie Tirol.
Die Hauptthäler sind das Innthal, 212 km lang, das Pusterthal (100 km) und das Etschthal
(250 km). Unter den Nebenthälern sind, außer dem Fleimser und dem Fassathal, das wilde Ötzthal,
das Grödner
Thal, das Passeierthal, das Eisackthal, das Wipp- und das Zillerthal zu nennen.
Bewässerung. Nordtirol
gehört zu dem
Flußgebiet der Donau, ebenso auch der östl.
Teil des Pusterthals, aus welchem die Drau
nach Kärnten übertritt.
Alles übrige Land fällt in das Gebiet des
Adriatischen
Meers. Der Hauptfluß von ganz Nordtirol
ist der
Inn, der das Land bei Finstermünz betritt und unterhalb
Kufstein nach einem Laufe von 250 km wieder
verläßt, nachdem er die Rosanna, den Ötzbach, die Sill und den Ziller aufgenommen. Ganz im Norden
[* 11] entspringen die Iller,
der
Lech und die Isar, die erst in
Bayern zu größern
Flüssen erwachsen.
Der Hauptfluß von Südtirol
ist die Etsch, die aus dem Reschensee auf der
Malser Heide entsteht, links
die Passer, die Eisack mit der Rienz, den
Avisio oder Lavis, rechts den Noce aufnimmt und nach einem Laufe von 182 km unterhalb
Ala nach
Italien austritt. Außerdem fließen im Südwesten die Sarca in den Gardasee, im Südosten die
Brenta durch das Valsugana.
Abgesehen vom
Boden- und Gardasee, deren
Spiegel
[* 12] teilweise zu Tirol
gehören, besitzt das Land viele kleine
Seen, darunter den von Felswänden eingeschlossenen
Achensee, der durch die
Ache in die Isar abfließt, einer der schönsten
des Hochlandes und der höchste (920 m) unter den größern deutschen Seen, ferner den Plansee, den reizenden
Kalterer See, südwestlich von Bozen [* 13] u. s. w.
Das Klima ist sehr verschieden; die centrale Gebirgskette bildet eine Klimascheide. Im nördl. Teil des Landes, besonders im obern Innthal, auf der Malser Heide, in den den Fernern benachbarten Thälern ist die Luft stets rauh und kalt; auch im Pusterthal hält der Winter lange an und ist sehr ¶
mehr
streng. Dagegen ist in den südlichen, vornehmlich in den tridentinischen Alpenthälern die Hitze oft so heftig, daß die Einwohner genötigt werden, während des Sommers im Gebirge gelegene Wohnungen aufzusuchen. Der Südwind fällt zuweilen durch die ermattende Schwüle lästig. Besonders gemäßigt und gesund ist die Gegend von Meran [* 15] und Arco. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt in Bludenz 8,2, Innsbruck 8,1, Vent (im Ötzthal, 1845 m) nur 1, Lienz (im Pusterthal) 7,5, Bozen 12,2, Meran 11,7, Trient [* 16] 12,6° C. Die mittlere jährliche Regenmenge
ist am geringsten im obern Innthal, am bedeutendsten in Vorarlberg (Bregenz
[* 17] 1500 mm). Tirol
zählt mehr als 200 Heilquellen, von
denen das Mitterbad im Thale Ulten (Eisenquelle), das Brennerbad auf dem Brenner (eine indifferente Therme), Prags und Innichen
im Pusterthal, Obladis im Oberinnthal und Rabbi im Sulzberg am besuchtesten sind.
Bevölkerung. [* 18] Die Bevölkerung nimmt wie die aller Alpenländer nur sehr langsam zu. Sie betrug 1880: 805176, 1890: 812696 (397979 männl., 414717 weibl.) E., d. i. eine Zunahme von jährlich 0,09 Proz.;
mit Vorarlberg 1830: 797405, 1840: 830948, 1850: 858203, 1857: 851016, 1869: 878907, 1880: 912549 und 1890: 928769 (454769 männl., 474000 weibl.) E., d. i. eine Zunahme von 0,18 Proz. Dem Religionsbekenntnis nach waren 809594 römische Katholiken (99,6 Proz.), 1662 Evangelische Augsburger und 523 helvetischer Konfession und 601 Israeliten;
der Nationalität nach 437393 (54,8 Proz.) Deutsche, [* 19] 359931 (45 Proz.) Italiener und Ladiner.
Die Sprachgrenze zwischen Deutschen und Italienern, im Osten Ladinern, beginnt an der Zufallspitze im
Ortlergebiet im Westen, verläuft längs der Wasserscheide zwischen dem Vintschgau (oberes Etschthal) und dem
Sulzberg bis Fondo und biegt hier nach Süden um, wo Salurn im Etschthal die Südgrenze des zusammenhängenden deutschen Sprachgebietes
bildet. (Einige deutsche Sprachinseln liegen noch weiter im Süden, besonders um Trient und Rovereto.) Sie biegt hier nach
Osten ab, verfolgt den Westabhang des Fleimser und Fassathals, geht dann über die Seißer Alpe nach St.
Ulrich im Grödener Thal und erreicht in Welsch Ellen im Vigilthal den nördlichsten Punkt, von wo an sie nach Osten bis Landro
an der Toblacher Reichsstraße zieht und hier die Grenze zwischen Tirol
und Italien erreicht.
Die Sprachgrenze zwischen Italienern (im Süden) und Ladinern (im Nordosten) verläuft zwischen Forno und Predazzo bis an die Landesgrenze. Die Ladiner (ungefähr 16000) bewohnen das Fassa-, das Grödener, Abtei- und Enneberger Thal. (S. die Ethnographische Karte von Österreich-Ungarn.) [* 20] In Tirol und Vorarlberg konnten 90,37 Proz. Männer und 87,35 Proz. Frauen lesen und schreiben. Die Zahl der Geburten betrug 1895: 25027 (davon 580 Totgeborene), der Eheschließungen 5514, der Sterbefälle 21325.
Land- und Forstwirtschaft. Der Boden ist nur mittelmäßig fruchtbar, größtenteils steinig und felsig und selbst in den Thälern mehr zu Weiden als zu Ackerland tauglich. Von der ganzen Bodenfläche sind 81,1 Proz. produktiv; hiervon kommen 5,3 Proz. auf Äcker, 0,4 Proz. auf Weingärten, 6,1 Proz. auf Wiesen, 4,2 Proz. auf Hutweiden, 0,15 Proz. auf Gärten, 25,7 Proz. auf Alpen und 38,8 Proz. auf Waldungen. Der Hauptsitz des Ackerbaues ist im untern Innthal und in Südtirol.
Geerntet wurden im zehnjährigen Durchschnitt 1885-94 in Tirol und Vorarlberg 234900 hl Weizen, 419200 hl Roggen, 175500 hl Gerste, [* 21] 140200 hl Hafer, [* 22] 431700 hl Mais, 1170900 hl Kartoffeln, 33456 hl Hülsenfrüchte, 715287 t Heu. Flachs (517 t), Hanf (221 t) und Tabak [* 23] (323 t) werden im großen gebaut. Ein Haupterzeugnis von Südtirol ist der Wein (s. Tiroler Wein); im zehnjährigen Durchschnitt betrug die Jahresernte 331771 hl. Der Obstbau wird am stärksten im südlichen Tirol, besonders um Trient, Bozen, Meran und im Etschthal betrieben.
Die Äpfel des Innthals werden weit versendet. Das Klima des südlichen T.s gestattet schon die Kultur der Südfrüchte (Orangen, Citronen, Feigen und Oliven). Quitten, Kastanien (1167 t), Mandeln und Pfirsiche gehören in Südtirol schon zu den gemeinern Fruchtgattungen. Die Rindviehzucht blüht in hohem Maße. 1890 wurden in Tirol gezählt 15246 Pferde, [* 24] 6248 Maultiere und Esel, 402989 Rinder, [* 25] 207329 Schafe, [* 26] 96733 Ziegen, 63597 Schweine, [* 27] 41092 Bienenstöcke. Die Bienenzucht [* 28] wird in einigen südl. Gegenden viel betrieben, die Seidenraupenzucht, als ein wichtiger Nahrungszweig, in Südtirol.
Die Waldungen sind von großer Bedeutung, wenngleich durch schlechte Bewirtschaftung herabgekommen. Neuerdings werden seit der Überschwemmung 1882 von seiten des Staates Wiederaufforstungen und Wildbachverbauungen, namentlich in den südlichern Landesteilen, unternommen. Tirol und Vorarlberg haben einen Waldstand von (1895) 1108576 ha, meist Nadelholz. Die Jagd ist sehr ansehnlich, hauptsächlich auf Gemsen, Rotwild, Hasen und Federwild. In Südtirol wird der Vogelfang getrieben. Die Gebirgswässer und Seen enthalten treffliche Fische. [* 29]
Bergbau. [* 30] Der Bergbau besteht seit alter Zeit. 1895 wurden gewonnen 17453 t Braunkohlen, 1588 t Eisenerze, 1066 t Kupfererze, wovon 78 t silberhaltig waren, 209 t silberhaltige Bleierze, 1986 t Zink-, 107 t Schwefelerze und 404 t Asphaltsteine. Hieraus wurden im Hüttenbetriebe erzeugt: 982 kg Silber, 147 t Kupfer, [* 31] 865 t Frischroh- und 186 t Gußroheisen und 80 t Kupfervitriol im Werte von 225403 Fl. Die Staatssaline Hall [* 32] bei Innsbruck lieferte 1895: 13 t Steinsalz, 14369 t Sudsalz und 559 t Industrialsalz im Werte von 1163822 Fl. Die Zahl der beim Bergbau und Hüttenbetrieb beschäftigten Arbeiter betrug 1892: 1622.
Industrie. Am bedeutendsten ist entwickelt in Nordtirol die Baumwollspinnerei mit 7 Fabriken, 1118 Arbeitern und 109636 Feinspindeln, die Streichgarnspinnerei (8 Fabriken, 6710 Feinspindeln), die Streichgarnweberei (8 Fabriken, 120 mechan. Stühle), die Baumwollweberei (8, 1767) und in Südtirol die Erzeugung von Rohseide (33 Fabriken lieferten 1890: 71605 kg), die Seidenspinnerei (12 Fabriken, die mit 22 662 Spindeln 20000 kg Seide [* 33] spannen) und die Seidenwebereien (5). Die Spinnerei und Weberei [* 34] von Flachs und Schafwolle ist Hausindustrie. Zu erwähnen sind ferner die Eisenwarenfabrikation im Stubaier Thal, die Holzschnitzerei im Grödener Thal, die Teppichweberei im Pusterthal, die Verfertigung von Büchsen, die Marmorindustrie in Südtirol (Laaser Marmor). Die Zahl der Branntweinbrennereien beträgt 7112 in Tirol und Vorarlberg, es sind aber nur kleine mit der Landwirtschaft verbundene Brennereien, die 1895: 3454 hl Alkohol erzeugten. Auch die Bierbrauereien (1895: 115) sind meist kleinere Unternehmungen, welche 309174 hl Bier erzeugten. In den beiden Staatsfabriken zu Schwaz ¶
mehr
(Nordtirol) und Sacco (Südtirol) wurden von 2749 Arbeitern 2139 t Tabak verarbeitet; der Erlös betrug 3099399 Fl.
Handel und Verkehrswesen. Die Zahl der Handelsgewerbe betrug 1890: 13925. Die Lage T.s zwischen Deutschland [* 36] und Italien sowie die guten Straßen und Verkehrswege über die Alpenpässe (Brenner, Stilfser Joch, Arlberg, Finstermünzpaß, Ampezzo und Valsugana) begünstigten seit alters her den Handel, der sich namentlich im Mittelalter in großartiger Weise in Tirol entwickelte. Tirol und Vorarlberg hatten 1895: 4603 km Straßen (darunter 1618 Staatsstraßen), 117 km flößbare und 221 km schiffbare Wasserstraßen, 787 km Eisenbahnen, 1938 km Telegraphenlinien und 6996 km Drähte sowie 424 Postämter und 180 Telegraphenstationen.
Hauptgegenstände der Ausfuhr sind: Rindvieh, Käse, Schmalz, Kräuter, Wein, Obst, Teppiche, Seide und Seidenwaren, Eisenwaren, Schleif- und Mühlsteine, [* 37] Marmorarbeiten, Holz [* 38] und Holzwaren. Jährlich wandert eine nicht geringe Anzahl von Tirolern in die benachbarten Länder, wo sie entweder durch Handel mit Gegenständen verschiedenster Gattung, Bildern, Decken, Holzwaren, Handschuhen, Vögeln u. s. w., oder als Handwerker sich ein kleines Vermögen zu erwerben suchen, das sie in ihre Heimat zurückbringen. Die Verkehrspunkte sind Innsbruck, Bozen, Trient und Rovereto.
Unterrichts- und Kirchenwesen. Für Unterricht sorgen in Tirol und Vorarlberg (1895) 1747 Volksschulen mit 142738 Schülern, 10 Gymnasien, 4 Realschulen, 4 Lehrer- und 4 Lehrerinnenbildungsanstalten, die Universität in Innsbruck, ferner 17 theol. Lehranstalten, 3 Schulen für Land- und Forstwirtschaft, 4 Handelslehranstalten, 2 Staatsgewerbeschulen, 17 gewerbliche Fachschulen, 1 allgemeine Handwerkerschule, 22 gewerbliche Fortbildungsschulen, 4 Musik- und Gesangschulen u. s. w. Weiter bestehen in Innsbruck ein Nationalmuseum (Ferdinandeum), eine Landwirtschaftsgesellschaft, in Rovereto eine Gelehrtengesellschaft. In Tirol bestehen zwei röm.-kath. Fürstbistümer zu Brixen und Trient, 279 Pfarreien mit 1969 Weltgeistlichen, 53 Mönchs- und 32 Nonnenklöster mit 1239 und 2580 Ordensmitgliedern. Das Stammvermögen der Domkirchen beträgt 113000 Fl., der Bistümer 1258000 Fl., der Domkapitel 602000 Fl., der Pfarr- und sonstigen Kirchen 14884300 Fl., der Kuratpfründen 10498000 Fl. und der Stifte und Klöster 5307419 Fl.
Verfassung und Verwaltung. Die gegenwärtige Landesverfassung T.s gründet sich auf die Landesordnung und Landtagswahlordnung vom Der Landtag ist aus 68 Mitgliedern zusammengesetzt, nämlich aus dem Fürst-Erzbischof von Salzburg (dessen Sprengel sich auf einen Teil T.s erstreckt), den Fürstbischöfen von Trient und Brixen, dem Rektor der Universität Innsbruck, 4 Abgeordneten der Äbte und Pröpste, 10 Abgeordneten des adligen großen Grundbesitzes, 13 Abgeordneten der Städte und andern größern Orte, 3 Abgeordneten der Handels- und Gewerbekammern zu Innsbruck, Bozen und Rovereto und 34 Abgeordneten der Landgemeinden.
Die Abgeordneten werden auf sechs Jahre gewählt, und der Landtag tritt jährlich einmal in Innsbruck zusammen. Den Landtagspräsidenten (Landeshauptmann) ernennt der Kaiser. Vorarlberg hat seine besondere Verfassung und seinen eigenen Landtag. Nach dem neuen Wahlgesetz von 1896 sendet in das österr. Abgeordnetenhaus 21 Vertreter, und zwar 5 Abgeordnete des großen Grundbesitzes, 5 der Städte, Märkte und Handels- und Gewerbekammern zu Innsbruck, Bozen und Rovereto, 8 der Landgemeinden und 3 der allgemeinen Wählerklasse (gewählt durch allgemeines Stimmrecht).
Das Land zerfällt in 4 Städte mit eigenem Statut und 21 Bezirkshauptmannschaften:
Städte und Bezirkshauptmannschaften | qkm | Häuser | Wohnparteien | Einwohner | Einw. auf 1 qkm |
---|---|---|---|---|---|
Innsbruck | 3,07 | 842 | 4070 | 23320 | 7596 |
---|---|---|---|---|---|
Bozen | 0,69 | 586 | 2362 | 11744 | 17020 |
Rovereto | 7,91 | 730 | 1847 | 9030 | 1142 |
Trient | 18,44 | 1227 | 3741 | 21486 | 1165 |
------------------
Bezirkshauptmannschaften.
Ampezzo | 369,76 | 853 | 1245 | 6074 | 16 |
---|---|---|---|---|---|
Borgo | 729,13 | 9277 | 9198 | 40611 | 56 |
Bozen (Umgebung) | 1740,29 | 9953 | 14689 | 67496 | 39 |
Brixen | 1202,89 | 4240 | 5429 | 27050 | 23 |
Bruneck | 1837,55 | 5238 | 7089 | 34919 | 19 |
Cavalese | 764,82 | 4522 | 5514 | 23324 | 31 |
Cles | 1166,26 | 7289 | 11299 | 47262 | 41 |
Imst | 1704,22 | 4124 | 5021 | 22050 | 13 |
Innsbruck (Umgebung) | 2088,34 | 8009 | 11883 | 58847 | 28 |
Kitzbühel | 1164,17 | 4532 | 4960 | 23092 | 20 |
Kufstein | 1044,27 | 5644 | 6687 | 31868 | 31 |
Landeck | 1877,56 | 3982 | 5168 | 23201 | 12 |
Lienz | 2149,82 | 4436 | 5261 | 30343 | 14 |
Meran | 2397,79 | 8065 | 13597 | 60744 | 25 |
Primiero | 414,85 | 2217 | 2586 | 10622 | 26 |
Reutte | 1096,08 | 3527 | 3640 | 15506 | 14 |
Riva | 353,34 | 4310 | 6634 | 25646 | 73 |
Rovereto (Umgebung) | 718,69 | 10667 | 10508 | 52098 | 73 |
Schwaz | 1651,11 | 5471 | 5373 | 27209 | 17 |
Tione | 1226,77 | 6356 | 9227 | 35373 | 29 |
Trient (Umgebung) | 956,53 | 14317 | 17139 | 83751 | 83 |
An der Spitze der polit. Verwaltung von Tirol und Vorarlberg steht der Statthalter in Innsbruck. Das Gemeindewesen ist durch die Gemeindeordnung vom geregelt. Für die Rechtspflege in oberster Instanz besteht der Oberste Gerichtshof in Wien, [* 39] in zweiter Instanz das Oberlandesgericht in Innsbruck für Tirol und Vorarlberg, in erster Instanz das Landesgericht in Innsbruck, die 4 Kreisgerichte in Bozen, Trient, Rovereto und Feldkirch, endlich 72 Bezirksgerichte (darunter 5 städtisch delegierte in Innsbruck, Bozen, Trient, Rovereto und Feldkirch).
Für die Finanzverwaltung besteht die Finanzlandesdirektion in Innsbruck, die Finanzprokuratur ebenda, die Finanzbezirksdirektionen in Innsbruck, Bozen, Trient und Feldkirch, 11 Haupt- und 45 Nebenzollämter, 4 Haupt- und 68 Steuerämter. Ferner besteht in Innsbruck eine Eisenbahnbetriebsdirektion mit 7 Bahnämtern, eine Post- und Telegraphen-, eine Forst- und Domänendirektion, ein Landeskulturrat, ein Gewerbe- und ein Aichinspektor. In militär. Beziehung bildet das Land das 14. Korps (Kommando in Innsbruck) und den Ergänzungsbezirk der vier Tiroler Jägerregimenter und genießt hinsichtlich der Landesverteidigung (Tiroler Landesschützen) besondere Vorrechte. Das Wappen der Grafschaft zeigt in silbernem Felde einen roten, einköpfigen gekrönten Adler [* 40] mit goldenen Kleestengeln auf den Flügeln und mit goldenen Klauen. Auf dem Schilde ein Fürstenhut. [* 41] (S. Tafel: Wappen [* 42] der Österreichisch-Ungarischen Kronländer, [* 35] Fig. 6.) Die Landesfarben sind Weiß-Rot.
Geschichte. Tirol wurde anfangs von den Rätern (s. Rhätien) und von Kelten bewohnt. Unter dem Kaiser Augustus wurde es von den Römern ¶