Tinte
,
soviel wie Farbenton (s. d. und Farbenlehre).
Tinte
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Tinte,
soviel wie Farbenton (s. d. und Farbenlehre).
Tinte
(Dinte), Bezeichnung für gefärbte Flüssigkeiten, die zum Schreiben mit der Feder benutzt werden. Der Gebrauch
der Tinte
ist schon seit den ältesten
Zeiten bekannt. Fast allgemein bediente man sich der schwarzen Tinte
, die aus
Ruß,
Gummi und
Wasser bereitet wurde. Außerdem waren auch farbige Tinte
im Gebrauch, die ebenso wie die schwarze
Tinte
mit feinen Pinseln aufgetragen wurden. Im 3. oder 4. Jahrh. n. Chr.
tauchte die noch jetzt angewendete schwarze Tinte
auf, die farbigen Tinte der Gegenwart haben dagegen mit Ausnahme
der aus Pernambukholz oder
Cochenille bereiteten roten Tinte
erst mit der Verwendung der
Anilinfarben allgemeinen
Eingang gefunden. Man unterscheidet
Gallus-,
Blauholz- und Anilintinten
, denen sich noch einige andere Tinte anreihen.
Gallustinten sind die aus gerbstoffhaltigem Material (meist aus Galläpfeln oder aus daraus hergestelltem
Tannin) und Eisensalzen
dargestellten Tinte.
Die alten
Gallustinten, wie sie noch vor 40 Jahren ausschließlich fabriziert wurden,
stellten trübe Flüssigkeiten dar, in denen das gerbsaure
Eisenoxyduloxyd
in feinster Verteilung durch Verdickungsmittel,
wie z. B.
arabisches Gummi, schwebend erhalten war. Für ihre
Darstellung mag als
Beispiel die bekannte Rungesche Vorschrift
dienen: Man übergießt 4 kg gestoßene Galläpfel mit 22 l Wasser, läßt unter Umrühren zwei
Tage stehen, preßt
dann ab und setzt die Flüssigkeit im
Sommer zwei
Monate lang der Luft aus.
Hierauf bringt man zu der geschimmelten
Masse 2 kg Eisenvitriol und 11 kg
Gummi in Lösung hinzu, so daß die Menge der Tinte
22 l
beträgt.
Bei den jetzt fabrizierten
Gallustinten geht man zwar beinahe von denselben Rohmaterialien aus,
man hat sich aber die bei der
Darstellung eintretenden chem. Vorgänge zu Nutze gemacht und wesentliche Vervollkommnung
des Fabrikats erzielt. In der weitaus größten Menge der
Gallustinte des
Handels ist das
Eisen
[* 2] als gerbsaures und gallussaures
Eisenoxydul in gelöster Form enthalten; sie bilden deshalb klare, filtrierbare Flüssigkeiten, die
selbst beim
Aufbewahren in offener Flasche
[* 3] zum
Teil wochen- und monatelang klar bleiben und erst nach dem Schreiben auf dem
Papier das Eisensalz in unlöslicher Form ablagern.
Die erste derartig bereitete Tinte
, die heute noch als Vorbild für die meisten im
Handel befindlichen
Gallustinten gelten kann,
war die sog.
Alizarintinte A. Leonhardis in
Dresden
[* 4] (1855). Nach der Patentschrift werden 42
Teile
Gallen
und 3
Teile holländ. Krapp mit so viel Wasser warm ausgezogen, daß die Flüssigkeit 120
Teile beträgt. Der filtrierten Flüssigkeit
werden 1 1/5
Teile
Indigolösung, 5 1/5
Teile Eisenvitriollösung und 2
Teile holzessigsaure Eisenlösung zugesetzt.
Den Krappzusatz hat man später, nachdem man erkannte, daß die
Indigolösung allein genüge, unterlassen
und wohl auch die Vorschrift noch weiter geändert. Häufig ersetzt man die
Indigolösung durch andere sauer reagierende
Substanzen
und erzeugt die verschiedenen
Farbentöne der
Gallustinte durch Zusatz kleiner Mengen
Anilinfarben. Als konservierendes
Mittel
setzt man meist
Carbolsäure hinzu. Die Blauholztinten
werden aus Blauholzextrakt unter Anwendung von
Kaliumdichromat,
Chromalaun und verschiedenen, in der Färberei als
Beizen gebrauchten
Salzen und Säuren dargestellt.
Sie haben gegenüber den
Gallustinten den Nachteil, daß die Schriftzüge leichter vom Papier entfernt werden können, dagegen
den Vorzug einer vorzüglichen Kopierfähigkeit.
Ihrer
Billigkeit wegen benutzt man sie häufig für Schulzwecke
(Kaisertinte). Die Anilintinten
sind halb- bis einprozentige Lösungen der entsprechenden
Farben (z. B. Tiefschwarz, Phenolschwarz,
Resorcinblau,
Methylviolett,
Methylgrün,
Eosin) in Wasser unter Zusatz von etwas
Oxalsäure und Zucker.
[* 5]
Sie stehen in
Bezug auf Echtheit und Beständigkeit den
Gallus- und Blauholztinten
bei weitem nach, besitzen aber meist große
Kopierfähigkeit, die sich je nach der Menge des gelösten Farbstoffes steigert.
Vor der Anwendung der
Anilinfarben stellte man die rote Tinte meist aus Pernambukholz,
Cochenille oder
Karmin, die blaue aus Indigokarmin oder
Berliner Blau
[* 6] dar.
Ihrer Verwendung nach teilt man die Tinte wohl auch in Kanzlei-, Kopier-und Schreibtinten
für Haus- und
Schulgebrauch ein. Die Kanzleitinten
müssen
Gallustinten sein und nach den Grundsätzen für amtliche Tintenprüfung, wenn
sie zur
Klasse I gezählt werden sollen, im
Liter mindestens 30 g Gerb- und
Gallussäure und 4 g metallisches
Eisen enthalten.
Die Kopiertinten
¶
enthalten ihrer Bestimmung entsprechend eine größere Menge Farbstoff als die Kanzleitinten und werden wieder in direkt und indirekt kopierfähige Tinte eingeteilt. Zu erstern gehören Teerfarben-, Blauholz- und Gallustinten, zu letztern die Hektographen- und Autographentinten.
Als Wäschezeichentinte dient eine Lösung von salpetersaurem Silber, mit welcher mittels Gänsekiels auf die mit Gummilösung bestrichene Leinwand geschrieben wird; die beschriebenen Stellen werden, um sie sichtbar zu machen, dem Sonnenlicht ausgesetzt. Häufig ruft man auch die schwarze Farbe der Schrift durch nachträgliche Anwendung einer Lösung von Pyrogallussäure hervor. In neuerer Zeit zeichnet man die Wäsche mit dem gegen chem. Agentien weit widerstandsfähigerm Anilinschwarz, welches als Jetolin und unter andern Namen zum Gebrauch fertig präpariert verkauft wird.
Die sympatheti
schen oder chemischen Tinte lassen die Schriftzüge erst beim Erwärmen oder infolge chem.
Einwirkung zum Vorschein kommen. Schon Ovid empfiehlt den Römerinnen Milch, ihre Korrespondenz Unberufenen unlesbar zu machen:
wenn die Schrift zum Vorschein kommen solle, müsse man Kohlenpulver darauf streuen. Borel schlug 1653 vor,
mit Bleizuckerlösung zu schreiben und die Schriftzüge mit Schwefelleberlösung sichtbar zu machen. Der gothaische Leibarzt
Jakob Waitz entdeckte die Eigenschaft der Lösung des Chlorkobalts, Schriftzüge zu geben, die nach dem Eintrocknen fast unsichtbar
sind, dagegen beim Erwärmen deutlich mit blauer Farbe hervortreten und beim Erkalten wieder verschwinden;
diese Eigenschaft wird vielfach zur Herstellung von sympatheti
schen Tinte benutzt, ebenso auch in neuerer Zeit zu
den Wetter- oder Barometerblumen und Wetterbildern (s. Wetterblumen). Eine mit verdünnter saurer Eisenchloridlösung
geschriebene Schrift, die beim Eintrocknen gänzlich verschwindet, wird durch Schwefelcyanwasserstoffsäure mit blutroter
Farbe sichtbar, durch Ammoniakdämpfe dagegen wieder unsichtbar. - Der jährliche Verbrauch an Tinte ist im
Inlande auf mehrere Millionen Kilogramm zu schützen. Fabrikationsorte sind Dresden, Chemnitz,
[* 8] Berlin,
[* 9] Elberfeld,
[* 10] Köln
[* 11] u. a. -
Vgl. Wattenbach, Das Schriftwesen des Mittelalters (3. Aufl., Lpz. 1896);
Schluttig und Neumann, Die Eisengallustinten (Dresd. 1890);
Lehner, Die Tintenfabrikation und die Herstellung der Hektographen und Hektographiertinten (4. Aufl., Wien [* 12] 1890).