Tiger
Raubtiere III

* 3
Raubtiere III.(Königstiger, Felis Tigris L., s. Tafel »Raubtiere [* 2] III«), [* 3]
Raubtier
[* 4] aus der
Gattung und der
Familie der
Katzen,
[* 5] gewöhnlich
1,6 m lang mit 80
cm langem, quastenlosem
Schwanz und am
Widerrist etwa ebenso hoch.
Alte Männchen erreichen
eine Gesamtlänge von 2,9 m. Das Weibchen ist kleiner. Der Tiger
ist
gestreckter, leichter und höher gebaut als der
Löwe, der
Kopf ist runder. Die
Behaarung ist kurz und glatt und nur an den
Wangen bartartig verlängert. Auf dem
Rücken ist die rostgelbe Grundfarbe dunkler, an den Seiten lichter,
auf der Unterseite, den Innenseiten der
Gliedmaßen, dem
Hinterleib, den
Lippen und dem untern Teil der
Wangen weiß.
Asien. Fluß- und Gebir

* 7
Asien.
Vom
Rücken
aus ziehen sich unregelmäßige, zum Teil doppelte, schwarze Querstreifen in schiefer
Richtung nach der
Brust und
dem
Bauch
[* 6] herab. Der
Schwanz ist lichter als der Oberkörper, dunkel geringelt; die Schnurren sind weiß,
die rundsternigen
Augen gelblichbraun. Der Tiger
findet sich in
Asien
[* 7] vom 8.° südl.
Br. bis zum 53.° nördl.
Br., also bis in
das südliche
Sibirien und vom
Kaukasus bis zum untern
Amur. Von seinem Hauptsitz, Vorder- und
Hinterindien,
[* 8] aus verbreitet er
sich durch
Tibet,
Persien
[* 9] und die weite
Steppe zwischen
Indien,
China
[* 10] und
Sibirien bis zum
Ararat im W. von
Armenien, nach N. bis in die
Bucharei und
Dsungarei, nach O. vom
Baikalsee durch die
Mandschurei bis nach
Korea an die Meeresküste.
In
China findet er sich fast überall, und nur in den höhern Gegenden der
Mongolei und in den waldlosen
Ebenen von
Afghanistan
[* 11] trifft man ihn nicht.
Ebenso scheint er auch auf den Inseln des Indischen Archipels, mit Ausnahme Javas und Sumatras, zu fehlen. Sein Aufenthalt sind ebensowohl Dschangeln oder Rohrdickichte mit Gesträuch wie hochstämmige Wälder, aber immer nur bis zu einer gewissen Höhe über dem Meer. Auch kommt er dicht an Dörfer und Städte heran. Er zeigt die Gewohnheiten der Katzen. Seine Bewegungen sind ungemein rasch und ausdauernd; er schleicht unhörbar dahin, macht gewaltige Sätze, klettert gewandt an Bäumen empor und schwimmt über breite Ströme. Er streift zu jeder Tageszeit umher, am liebsten in den Stunden vor und nach Sonnenuntergang.
Katze

* 12
Katze.
Der Tiger
ist ein weit gefährlicheres
Raubtier als der
Löwe. Seine
Beute schlangenartig beschleichend, stürzt er sich pfeilschnell
mit einigen
Sätzen auf dieselbe und schlägt mit seinen
Krallen furchtbare, fast immer tödliche
Wunden. Eine verfehlte
Beute
verfolgt er als echte
Katze
[* 12] nicht weiter.
Wild und verwegen, zeigt er doch in der
Gefahr wenig
Mut, und wenn
er sich verfolgt sieht, ergreift er fast feig die
Flucht.
Beim Fortschaffen der
Beute bekundet er sehr viel
Klugheit und
List.
Er besitzt außerordentliche
Kraft,
[* 13] trägt einen
Menschen und selbst ein
Pferd
[* 14] oder einen
Büffel im
Rachen fort,
und nur die stärksten
Säugetiere, wie
Elefant,
[* 15]
Nashorn, Wildbüffel, sind vor ihm sicher. In
Ostindien
[* 16] sind einzelne Engpässe
und Schluchten durch seine Räubereien berüchtigt, und aus manchen Ortschaften hat er die Bewohner völlig vertrieben.
Lager (militärisch)

* 18
Lager.
Durch große
Treibjagden
ist er in einzelnen Gegenden, z. B. auf
Ceylon,
[* 17] fast ganz ausgerottet worden; in
andern findet er sich aber noch sehr zahlreich vor, namentlich würde in
Gudscharat, wo man nur des
Nachts reisen kann, ohne
Aufbieten von Lanzenträgern, Trommlern und Fackelträgern kaum ein
Verkehr möglich sein, und manche Lokalitäten sind durch
den Tiger
völlig ungangbar geworden.
Hat ein Tiger
einmal Menschenfleisch gekostet, so zieht er dasselbe jedem
andern vor. Er schwimmt dreist auf
Kähne zu und dringt in Ortschaften und von Wachtfeuern umgebene
Lager
[* 18] ein, um
Menschen zu
rauben.
Auf
Singapur,
[* 19] wohin der Tiger
nur durch die
Meerenge schwimmend gelangen kann, werden jährlich an 400
Chinesen von Tigern
zerrissen,
und auf
Java beträgt die Zahl der
Opfer etwa 300. Die Tigerin
trägt 105
Tage und wirft 2-3
Junge. In
Indien
betrachtet man den Tiger
mit abergläubischer
Furcht und sieht in ihm eine Art von strafendem Gott. Auch in
Ostsibirien herrschen
ähnliche
Vorstellungen, und auf
Sumatra erblickt man im T. nur die
Hülle eines verstorbenen
Menschen und
wagt nicht, ihn zu töten. In
Indien verbieten einige
Fürsten die Tigerjagd
, welche sie für sich selbst reservieren.
Rom

* 21
Rom.
Dagegen thut die englische
Regierung sehr viel, um den Tiger
auszurotten. Den alten Griechen war der Tiger wenig bekannt, selbst
Aristoteles wußte von ihm soviel wie nichts. Auch die
Römer
[* 20] wurden erst seit
Varros Zeit mit dem Tiger
bekannt,
und
Scaurus zeigte zuerst im J. 743 der Stadt einen gezähmten im Käfig; später kamen Tiger
häufig nach
Rom.
[* 21] Der
Kaiser
Heliogabalus
soll sogar gezähmte Tiger
vor seinen
Wagen gespannt haben. Nach dem
Bericht von
Marco Polo benutzte der
Chan
der
Tatarei gezähmte Tiger
zur
Jagd.
Noch heute lassen indische Fürsten gefangene Tiger mit andern starken Tieren kämpfen, auf Java auch mit Lanzenträgern. Der Tiger ist zähmbar, bleibt aber stets gefährlich. Er hält sich gut in der Gefangenschaft und pflanzt sich auch fort. Man hat auch Bastarde von Löwen [* 22] und Tigern erhalten. Die Tigerfelle, welche über England und Rußland häufig in den Handel kommen, werden hauptsächlich zu Pferde- und Schlittendecken benutzt. Die Kirgisen benutzen sie zur Verzierung der Köcher und schätzen sie sehr hoch. Das Fleisch soll wohlschmeckend sein, und die Tungusen glauben, daß es Mut und Kraft verleihe; in China dient es als Arzneimittel. In andern Ländern schätzt man mehr Zähne, [* 23] Klauen, Fett und Leber.
Vgl. Brandt, Untersuchungen über die Verbreitung des Tigers (Petersb. 1856);
Fayrer, The royal tiger of Bengal (Lond. 1875).