der Inbegriff aller
Anordnungen und Bestrebungen, welche zum
Zweck haben, den
Tieren unnötige Quälereien
zu ersparen. Das
Strafgesetzbuch für das
Deutsche Reich
[* 3] bedroht (§ 360, Ziff. 13) »mit
Geldstrafe bis zu 150
Mk. oder mit
Haft
denjenigen, welcher öffentlich oder in Ärgernis erregender
WeiseTiere boshaft quält oder roh mißhandelt«.
Zur Verhütung einzelner
Arten von
Mißhandlungen der
Tiere bestehen auch vielfach besondere Polizeivorschriften, wie z. B.
bezüglich des
Transports kleinerer
Haustiere, des
Bindens der
Füße derselben, bezüglich der Hundefuhrwerke etc. In vielen
Fällen ist es schwer zu erkennen, wann eine
Handlung wirklich als eine strafbare
Tierquälerei zu erachten ist; denn
der
Charakter, das Benehmen u. die Benutzungsweise der verschiedenen
Tiere weichen wesentlich voneinander
ab u. machen deshalb
eine verschiedene Art in der Behandlung derselben, zumal bei Arbeitstieren, nötig.
Um denTieren eine humane Behandlung zu sichern, haben sich allenthalben Tierschutzvereine gebildet, wozu der verstorbene
Hofrat
Perner in
München
[* 4] zuerst die Anregung gegeben hatte. Diese
Vereine suchen Mitglieder in allen
Schichten
der
Bevölkerung
[* 5] zu gewinnen und verpflichten dieselben, nicht nur selbst keinerlei
Tierquälerei zu begehen und von ihren
Angehörigen zu dulden, sondern auch andre davon abzumahnen und nötigen Falls polizeiliche Abhilfe zu veranlassen. Da
in erster
Linie schon bei derErziehung der
Kinder darauf hingewirkt werden muß,
Mitgefühl für die
Leiden
[* 6] der
Tiere und Abscheu vor allen
Handlungen zu erwecken, welche
Tieren jeder Art unnötige
Schmerzen verursachen, suchen diese
Vereine durch
Schriften und bildliche
Darstellung auf die
Jugend einzuwirken.
Durch diese Tierschutzvereine sind schon manche tierquälerische
Mißbräuche bei der Benutzung und Behandlung
von
Tieren abgestellt worden; ihren Bemühungen ist es unter anderm zuzuschreiben, daß mit Fußleiden und andern
Gebrechen
behaftete
Pferde,
[* 7] anstatt noch länger herumgeplagt zu werden, zum
Zweck des
Fleischgenusses in Pferdeschlächtereien eine nutzbringende
Verwendung finden, daß ferner unzweckmäßige Zuggeräte, wie das
Doppeljoch, immer mehr außer
Gebrauch kommen, bessere Schlachtmethoden
angewendet werden, nutzlose und unsinnige
Operationen, wie
Stechen und
Brennen des
Gaumens sowie Nagelschneiden bei
Pferden, Ohrenschneiden
bei
Hunden etc., immer seltener werden. Es bleibt für
¶
mehr
den Tierschutz übrigens noch ein großes Feld der Thätigkeit, wenn er seine Aufmerksamkeit auch fernerhin auf entsprechendere Einrichtungen
bei dem Transport der Tiere auf den Eisenbahnen, auf Verbesserungen der häufig noch unbeschreiblich schlechten Ställe sowie
des unzweckmäßigen, zu schmerzhaften Fußleiden führenden Hufbeschlags etc. richtet. In Deutschland
[* 9] richtete sich die Agitation
der Tierschutzvereine in letzter Zeit namentlich gegen die Vivisektion (s. d.). Auch wird eine Abänderung des deutschen Strafgesetzbuchs
in dem Sinn angestrebt, daß zu dem Begriff der Tierquälerei nicht mehr das Requisit der Öffentlichkeit oder das Erregen von
Ärgernis gehören soll.
Der Tierschutz darf jedoch nicht in übertriebene Sentimentalität ausarten, die für zuweilen unvermeidliche
Leiden der TiereAusdrücke des tiefsten Bedauerns findet und alles mögliche aufbietet, vermeintliche Tierquälereien abzustellen,
während sie für Leiden der Menschen weniger empfindlich ist. Insbesondere kann der (bei Verleihung von Medaillen etc.) übertriebene
Diensteifer niederer Polizeiorgane, in vielen an und für sich unschuldigen HandlungenTierquälereien zu erblicken,
zuweilen unangenehm werden und zu lästigen Plackereien führen. Im weitern Sinn erstreckt sich der Tierschutz auch auf die Verhinderung
der Ausrottung oder der zu starken Verminderung gewisser Arten von Tieren, besonders nützlicher Vogelarten, der Fische
[* 10] etc.,
zu welchem Zweck besondere Polizeivorschriften zu erlassen sind. Dem Tierschutz gewidmete Zeitschriften erscheinen gegenwärtig
in Berlin
[* 11] (»Ibis«, seit 1872), Darmstadt
[* 12] (seit 1874), Stuttgart
[* 13] (seit 1875),
die Gesamtheit derjenigen Bestrebungen, welche die Verhinderung der Tierquälerei bezwecken. Der Tierschutz entspringt
dem sittlichen Gefühl des Menschen, welches auch andern Wesen das Recht des ungestörten Lebensgenusses
zugesteht. Die grausamen Kampfspiele der alten Römer
[* 18] ließen das Mitgefühl für die Tierwelt nur spät erwachen, und erst
der neuesten Zeit gehören die jetzt fast überall wirksamen Tierschutzvereine an, wozu England den Anstoß gab. In Deutschland
folgten der Verein in Dresden
[* 19] 1839, Hamburg
[* 20] 1841, München und Berlin 1842, Wien
[* 21] 1847, Stuttgart 1862 u. s. w.
Auch fanden wiederholt schon internationale Tierschutzkongresse statt und zwar der letzte (elfte) 1894 zu Bern,
[* 22] bei dem auch Delegierte
aus Amerika
[* 23] erschienen waren. Im Juli 1895 wurden an bestehenden Tierschutzvereinen gezählt: 200 deutsche, 24 österreichisch-ungarische, 243 englische
(davon 195 auf den LondonerVerein und seine Zweigvereine entfallend), 19 schottische, 7 irische, 22 schweizerische, 6 dänische, 28 schwedische, 4 norwegische, 10 französische, 10 italienische, 2 portugiesische, 5 spanische, 22 russische, 15 finländische, 122 in
den Vereinigten Staaten,
[* 24] 18 in Britisch-Nordamerika, 10 im sonstigen Amerika, 12 in Afrika,
[* 25] 8 in Asien,
[* 26] 8 in
Australien.
[* 27]
Die Vereine einzelner Staaten haben Verbände geschlossen, von denen der bedeutendste der 108 Vereine umfassende deutsche Verband
[* 28] ist. Derselbe hält alle drei Jahre Zusammenkünfte, die letzte 1895 in Braunschweig.
[* 29] Die Tierschutzvereine überwachen die
Behandlung der Zugtiere (Pferde und Esel, Ochsen, Kühe, Hunde),
[* 30] den Transport des Schlachtviehes und dessen
schnelle Tötung, das Mästen und Töten des Geflügels, der Frösche,
[* 31] Fische u. s. w., bringen den Frevler zur Bestrafung,
belohnen andererseits aber gute Behandlung der Tiere. Zu den offenen Fragen der Zeit gehören indes noch die Einschränkung
der Vivisektionen (s. d.) an den höhern Lehranstalten, ferner das sog.
Schächten (s. d.), das Taubenschießen, die Distanzritte, Parforcejagden und andere Dinge mehr. Das wirksamste
Mittel zur Verhütung der Tierquälerei ist die Erziehung des Menschen, weshalb auf diese alle Aufmerksamkeit verwendet werden
muß. Dem humanen oder moralischen Tierschutz schließt sich der ökonomische an, dessen Aufgabe darin besteht, das gestörte Gleichgewicht
[* 32] im Haushalt der Natur durch den Schutz nützlicher Tiere nach Möglichkeit wiederherzustellen. Zu ihm
gehört der Vogelschutz (s. d.).
Die älteste Gesetzgebung gegen Tierquälerei weist England auf, indem daselbst schon im vorigen Jahrhundert dagegen strafweise
vorgegangen wurde. Im 19. Jahrh. folgte eine Reihe von Gesetzen zum Schutze der Haustiere,
dem Verbote der Tierkämpfe und der Einschränkung der Vivisektion. In Deutschland brachte, abgesehen
von polizeilichen Maßnahmen, das Sächs. Kriminalgesetzbuch vom die erste allgemeine Vorschrift, welche die Polizei
zur Bestrafung von Excessen in der an sich erlaubten Benutzung der Tiere ermächtigte.
Bald darauf folgten dann zum Teil mit weitergehenden strafrechtlichen Bestimmungen die thüring. Staaten,
Württemberg,
[* 33] Preußen
[* 34] u. a. Gegenwärtig gilt §. 360, 13, des Reichsstrafgesetzbuches, wonach durch Strafbefehl oder Schöffengericht
mit Geld bis zu 150 M. oder mit Haft zu bestrafen ist, wer öffentlich oder in Ärgernis erregender WeiseTiere boshaft quält
oder grob behandelt. Außerdem befassen sich noch viele Specialverordnungen der Verwaltungsbehörden in den
einzelnen Staaten mit der Abstellung von bestimmten Tierquälereien oder mit Vorkehrungen zu Gunsten einer angemessenen Tierbehandlung,
so besonders mit Vorschriften über Transport der Tiere, Zughunde, Schlachtwesen, Überlastung von Fuhrwerken. In Österreich
[* 35] gilt neben örtlichen Specialverboten die Ministerialverordnung vom die die öffentliche, Ärgernis erregende
Mißhandlung von Tieren strafbar erklärt, in Frankreich das sog. Gesetz Grammont vom zum Schutz
der Haustiere u. s. w. Die Vertreter des Tierschutz wirken dahin, daß die Strafbarkeit ausgedehnt und nicht an so einschneidende
Beschränkungen, wie z. B. die Öffentlichkeit der Tierquälerei, gebunden werde, welcher Forderung namentlich schon vielfach
in Schweizer Gesetzen (auch im Vorentwurf eines gemeinsamen Schweiz.
[* 36] Strafgesetzbuches von 1896, Art. 250),
Italien
[* 37] (Art. 491 Codice penale von 1889), Belgien
[* 38] (Code penal von 1867), Nordamerika
[* 39] u. s. w. Rechnung getragen erscheint. (S.
auch Schächten.)
In Bezug auf die Erhaltung von größeren Tieren haben sich namentlich die Fürsten verschiedener Länder ein großes Verdienst
erworben, so um die des Auerochsen (Wisent) in der Bjelowjeschen Heide, des Elchs an der Kurischen Nehrung,
des Steinbocks in den Savoyer Alpen,
[* 40] des Bibers an der Elbe u. s. w. In Nordamerika: der Schutz des Seelöwen am Cliffhaus bei
San Francisco;
die Erhebung des Yellowstonegebietes zum Nationalpark und das Büffelschutzgesetz in Canada.
Deutschland ist
sogar durch ein Reichsgesetz vom (und die hierauf bezügliche Verordnung vom der Massenvertilgung der
Robben
[* 41] in den nordischen Gewässern entgegengetreten, ebenso für das Beringmeer der in dem Streit der Vereinigten Staaten
und Englands um das Beringmeer zu Paris
[* 42] gefällte Schiedsspruch (Schonzeit vom 1. Mai bis 31. Juli). Ganz besonders
wünschenswert wäre eine internationale Einigung über den Schutz der Wander- und Zugvögel, die durch ein 1875 zwischen
Österreich und Italien abgeschlossenes Übereinkommen wohl angebahnt ist, aber bis jetzt nur zu einer im Juni 1895 in Paris
abgehaltenen offiziellen Konferenz für internationalen Vogelschutz geführt hat.