Tierischer
Magnetismus, [* 2] s. Magnetische Kuren. [* 3]
Tierischer Magnetismus
463 Wörter, 3'440 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Tierischer
Magnetismus, [* 2] s. Magnetische Kuren. [* 3]
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Tierischer
Magnetismus oder animalischer Magnetismus, Lebensmagnetismus, Biomagnetismus, auch Mesmerismus genannt, angebliche, eigentümliche, von einem Menschen auf den andern übertragbare Kraft [* 4] und deren Anwendung zu Heilzwecken. Die geheimnisvollen Anziehungen, die der Magnetstein auf das Eisen [* 5] ausübt, lenkten schon im Altertum die Aufmerksamkeit der Ärzte auf diesen Stein und führten dahin, daß derselbe unter den Arzneimitteln eine Stelle erhielt.
Später wurden wiederholt Versuche unternommen, um einen Einfluß der gewöhnlichen Stahlmagnete oder
Magnetsteine auf den menschlichen Körper nachzuweisen. So gebrauchte auch Franz (Anton) Mesmer (s. d.) 1773 in Wien
[* 6] gewöhnliche
Magnetstäbe, um verschiedene Krankheiten zu heilen, und glaubte dabei zu finden, daß die heilbringende Kraft nicht allein
den Stahlmagneten eigen ist, sondern auch in andern Körpern, besonders im menschlichen Körper, hervorgerufen
werden könne. 1778 begab sich Mesmer nach Paris,
[* 7] wo er für seine neu entdeckte angebliche Kraft in großer Zahl Anhänger
fand. 1784 wurde auf Befehl König Ludwigs XVI. zur Untersuchung des sogenannten Tierischer Magnetismus
zu Paris eine Kommission niedergesetzt,
zu deren Mitgliedern unter anderm auch Franklin und Lavoisier gehörten. Die Kommission überzeugte sich,
daß die angeblichen Heilerfolge, soweit sie nicht geradezu auf Betrug hinausliefen, der Einbildungskraft ihre Entstehung verdankten.
Trotzdem fand Mesmers Lehre [* 8] in Deutschland [* 9] selbst unter berühmten Ärzten (Kieser, Hufeland, Gmelin, Ennemoser u. a.) eifrige Anhänger, und noch gegenwärtig giebt es viele Leute, die den sog. magnetischen Kuren Wirksamkeit zusprechen. Das jetzt beim Magnetisieren übliche Verfahren besteht darin, daß der Magnetiseur seine ausgespreizten Arme von dem Kopfe des Kranken abwärts über die beiden Seiten der Brust, des Unterleibes und über die beiden Schenkel hinabführt, dabei je nach den Umständen den Körper mit den Fingerspitzen leicht berührend oder letztere in einiger Entfernung haltend.
Durch solches fortgesetztes Streichen soll dann der Kranke in den sog. magnetischen Schlaf verfallen, in dem er mit dem Magnetiseur
in einer sehr engen Verbindung (magnetischem Rapport) steht. Durch in umgekehrter Richtung geführte Striche soll der Kranke
aus seinem Schlafe wieder erweckt werden. Wenn jemand in magnetischen Schlaf gebracht ist, so sollen
seine geistigen Fähigkeiten ungemein gesteigert werden, er soll den Bau seines Körpers erkennen, soll auf die Herzgrube
gelegte Briefe lesen, für seine Leiden
[* 10] und ebenso für die Krankheiten anderer die Heilmittel angeben können (Heilmagnetismus
oder Magnetotherapie) u. s. w. Diese Angaben beruhen jedoch teils auf
grobem Betrug und Täuschung, teils auf einem eigentümlichen hypnotischen Zustande infolge von Überreizung der Großhirnrinde.
(S. Hypnotismus.) Als Fortsetzungen des Tierischer Magnetismus
sind die Lehre vom Od (s. d.) und der neuere Spiritismus (s. d.) zu betrachten.
Litteratur. Carus, über Lebensmagnetismus (Lpz. 1857);
M. Perty, Die mystischen Erscheinungen der menschlichen Natur (2. Aufl., 2 Bde., ebd. 1872);
Heidenhain, Der sogenannte Tierischer Magnetismus
(ebd. 1880);
Avé-Lallemant, Der Magnetismus mit seinen mystischen Verirrungen (ebd. 1881);
Geßmann, Magnetismus und Hypnotismus (2. Aufl., Wien 1895);
Binet und Féré, Le [* 11] magnétisme animal (Par. 1886);
deRoches, Le fluide des magnétiseurs (ebd. 1897).