Tibetische
Sprache
[* 2] und Litteratur. Die tibet.
Sprache gehört zu den indochines.
Sprachen; sie ist einsilbig (aber mit
Spuren vormaliger Mehrsilbigkeit), isolierend (aber mit
Spuren von
Agglutination, ja Flexion), und ihr Hauptdialekt, das Centraltibetische
,
hat Tonaccente. Die
Schrift der
Tibeter ist eine altertümliche Form der ind. Devanagari (s. d.;
eine Schriftprobe zeigt die
Tafel:
Schrift II, 34).
Die erste genauere Kenntnis der tibet.
Sprache verdankt
man dem
Ungarn
[* 3]
Alex.
Csoma, der
Grammatik und Wörterbuch (2 Bde., Kalkutta
[* 4] 1834) lieferte,
wonach J. J. Schmidt seine
Grammatik (Petersb. 1839) und Wörterbuch (ebd. 1811) bearbeitete. Auch erschien (Par.
1858) eine tibet.
Grammatik von Foucaux und 1871 zu
Gnadau ein reichhaltiges Handwörterbuch von Jäschke,
sowie von demselben «Tibetan-English dictionary» (Lond.
1881) und «Tibetan grammar» (2. Aufl., besorgt
von Wenzel, ebd. 1883); die heutige Umgangssprache
Centraltibets liegt zu
Grunde dem «Handbook of colloquial Tibetan» (Kalkutta
1894) von G. Sandberg.
Außerdem behandelte Schiefner verschiedene Punkte der tibet. Grammatik, namentlich in seinen «Tibet. Studien». Die Litteratur Tibets ist vorherrschend religiös und besteht zum größten Teile in Übersetzungen aus dem Sanskrit, deren Anfertigung man sich seit der Bekehrung Tibets zum Buddhismus (im 7. Jahrh. n. Chr.) eifrig widmete. Sie alle mit einigen wenigen Originalwerken wurden in zwei Sammlungen aufgenommen, von denen die erste und älteste den Titel «Bkā-'gyur» (spr. Kandschur), d. i. Übersetzung des (Buddha-)Wortes, führt und 100-108 Bände in Folio umfaßt.
Sie ist die tibet. Version des Tripiţaka (s. Tipiţaka) der nördl. Buddhistenschule und als solche der eigentliche Kanon. Einzelne Teile davon sind veröffentlicht worden, so besonders «Ryga-tscher-rol-pa», eine Lebensbeschreibung Buddhas (tibetisch und französisch hg. von Foucaux, 2 Bde., Par. 1848-49),
«Dzangs-blun» («Der Weise und der Thor»),
eine Sammlung von Legenden und Erzählungen (tibetisch und deutsch von J. J. Schmidt, 2 Bde., Petersb. 1843),
zu der Schiefner 1852 Ergänzungen und Berichtigungen gab, «Scher-phyin» (hg. von Pratāpachandra Ghosha in der «Bibliotheca indica», 1883-95) u. a. m. Die zweite Sammlung heißt «Bstan-'gyur» (spr. Tandschur), d. i. Übersetzung von Lehrschriften, 225 Bände in Folio. Sie enthält Hymnen, Rituale und Liturgien, Philosophie und Theologie, Grammatik, Rhetorik, Astronomie, [* 5] Medizin, mechan. Künste u. s. w. Auch hieraus ist einiges veröffentlicht worden. Eine vollständige Übersicht des Gesamtinhalts beider Sammlungen gab Csoma in den «Asiatic Researches» (Bd. 20). - Außer dieser heiligen Litteratur haben die Tibeter auch eine reiche Profanlitteratur, umfassend geschichtliche Werke, Heldensage, Lieder und Märchen, von der uns mehreres zugänglich gemacht ist. Das tibet. Nationalepos, die Gesarsage, ist bis jetzt nur in ihrer mongolischen Version herausgegeben (von Schmidt).