Titel
Thurgau
,
französisch Thurgovie. Kanton der schweizerischen Eidgenossenschaft; in der offiziellen Reihenfolge der Kantone der siebenzehnte. Eintritt in den Bund 1803.
1. Lage; Ausdehnung; Grenzen; Grösse.
Der Thurgau
liegt in der nordöstl.
Ecke der
Schweiz, südl. von
Bodensee (mit
Untersee) und
Rhein, sowie zu beiden
Seiten der
Thur, die
ihn von O. nach W. mitten durchströmt und ihm den Namen gegeben hat. Er bildet - wenn von der im äusserten O. liegenden,
nur etwa 1,5 km2 grossen Gemeinde
Horn abgesehen wird - ein einziges zusammenhängendes Stück. Genannte Gemeinde wird
durch das st. gallische Dorf
Steinach von dem Bezirk (Arbon)
und Kanton, zu dem sie gehört, getrennt und ist 1,5 km von dessen Grenze
entfernt. Der Kanton hat die Gestalt eines Dreiecks, dessen Grundlinie vom
Rhein unterhalb Diessenhofen
im NW. bis
Arbon-Horn am
Bodensee im OSO. reicht und dessen
Spitze das
Hörnli im S. bildet. Er erstreckt sich von 8° 40' 15" bis 9° 26'
20" OL. von Greenwich oder 60 km weit in der Richtung W.-O. (die Exklave
Horn inbegriffen bis 9° 28'
30" oder 63 km weit).
Der nördlichste Punkt liegt
am Rhein gegenüber dem badischen Dorfe Büsingen unter 47° 41' 45" NBr., der südlichste am
Hörnli in 47° 22' 38", was einer Breite von 35 km entspricht. Die längste gerade Linie (Paradies-Horn) misst 66 km.
Im O. und N. wird der Thurgau
von
Arbon und
Horn bis nach
Eschenz bei
Stein auf eine Strecke von 55 km Länge vom
Boden- und
Untersee, sowie von
Stein bis unterhalb
Paradies auf eine Strecke von 16 km vom
Rhein bespült. An fremden Gebietsstücken
liegen innerhalb dieser natürlichen Kantonsgrenze die badische Stadt Konstanz am Ausfluss des
Rheins
aus dem
Obersee, das nur etwa 0,7 km2 umfassende
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Schaffhauser Dörflein Burg mit reform. Kirche gegenüber Stein und endlich die winzige, bloss 11-12 ha messende st. gallische Enklave Raach im Egnach bei Hegi. Weitere Naturgrenzen besitzt der Kanton sozusagen keine. Die politischen Grenzen sind: im N. das Grossherzogtum Baden und der Kanton Schaffhausen (dieser nur auf zwei ganz kleinen Strecken, bei Burg und wieder bei Dörflingen);
im O. die Königreiche Württemberg und Baiern;
im S. der Kanton St. Gallen von Horn bis zum Hörnli auf einer vielfach gebrochenen, etwa 97 km langen Strecke mit starken Einbiegungen bei Amriswil und Wil;
im W. der Kanton Zürich vom Hörnli bis Paradies (72 km; Einbuchtung bei Stammheim).
Das Gesamtareal des Kantons beträgt 1011,6 km2, wovon aber 155,54 km2 auf Seen mit
über 10 ha Wasserfläche entfallen (der Anteil des Thurgaus
am Bodensee mit Untersee beträgt 154,78 km2). Somit verbleiben
an festem Boden 856,06 km2, wovon 9,7 km2 auf unproduktiven Boden entfallen. Der Thurgau
zählt 113221
Ew. oder 112 Ew. auf 1 km2 der Gesamtfläche (131 Ew. auf 1 km2 der festen Oberfläche). Sowohl der Fläche als der
Einwohnerzahl nach nimmt er den 12. Rang unter den Schweizerkantonen ein.
2. Orographie.
Der Thurgau
gehört ausschliesslich dem schweizerischen Mittelland an, das hier bloss im Gebiet des Hörnli Voralpencharakter
zeigt, sonst aber nicht als eigentliches Bergland bezeichnet werden kann. Die Höhenlage schwankt zwischen 400 m (Seeufer
und Unterlauf der Thur) und 1000 m (Allenwinden am Hörnli). Abgesehen vom Gebiet des Hörnli besitzt er keine eigentlichen Berge.
Niedrige und sanft geformte Hügel und Höhenzüge wechseln ab mit ebenen Flächen und lang gestreckten
Thalschaften, die wohl teilweise bis 2,5 km breit sein können, aber wenig tief eingeschnitten sind und die gleichen Namen
wie die betr. Gewässer tragen.
a) Nördl. Abschnitt. Der Bezirk Arbon ist, mit Ausnahme seines südl. Teils bei Freidorf-Roggwil, eben. Dann folgt das von Hessenreuti bis Romanshorn ziehende liebliche Aachthal. Nördl. davon beginnt bei Dozwil-Romanshorn ein leichter, beidseitig sanft geböschter Höhenzug, der, immer ansteigend und steiler werdend, sich dem ganzen See und Rhein entlang bis an die zürcherische Grenze bei Stammheim hinabzieht. Es ist dies der «Seerücken», der die Seegegend vom Thurthal trennt.
Seinen höchsten Punkt erreicht er bei Salen-Reutenen (723 m) zwischen Berlingen und Müllheim. Als südl. Ausläufer des Seerückens können der von Berg bis Märstetten sich erstreckende anmutige Ottenberg (684 m) und die von Debrunnen-Herdern an das rechte Thurufer begleitende Neunforner Höhe bezeichnet werden. Vom Seerücken getrennt wird der Ottenberg durch das kleine Kemmenthal, die Neunforner Höhe dagegen durch das fast flache Seebachthal mit den Hüttwilerseen. Als isoliert sich erhebende Hügel in diesem nördl. Kantonsteil sind endlich noch zu nennen der Rodelberg zwischen Etzwilen und Diessenhofen, sowie der waldige Kohlfirst zwischen Schlatt und Schaffhausen.
b) Mittlere Hügelregion. Die Hügelrücken südl. vom Aachthal sind der Räuchlisberg und der Lettenberg, letzterer zwischen Erlen-Sulgen und Heidelberg bei Hohentannen. Hier wird er von der Thur durchbrochen, setzt sich aber auf deren jenseitigem Ufer über den ganzen mittleren Kantonsteil links der Thur fort. Schliesslich verzweigt er sich in den langgestreckten Wellenberg zwischen Amlikon und Frauenfeld, sowie den mit diesem parallel laufenden Immenberg (710 m) mit dem stolzen Schloss Sonnenberg.
Diese beiden Hügelzüge schliessen das kleine, wiesenreiche Thunbachthal ein, während am Fuss der steilen S.-Seite des Immenbergs
sich das Lauchethal hinzieht. Als wichtigste Höhen in dieser mittlern Hügelreihe des Kantons sind ferner noch zu nennen:
der Gabrisstock, der Nollen (der sog. thurgau
ische Rigi; 737 m) zwischen Bürglen und Wil, die Braunauerhöhe,
der Bausel zwischen Frauenfeld und Gachnang mit schöner Rundschau bei Gerlikon, dann zwischen Frauenfeld und Aadorf der Hügel
«Burg» mit ebenfalls lohnender Aussicht und endlich der ziemlich isolierte
Tuttwilerberg zwischen Wängi und Eschlikon.
c) Die dritte oder südl. Gruppe bildet das Hörnli mit seinen Ketten und Ausläufern links und rechts
des obern Murgthales. Dieser sog. Hinterthurgau
bildet den gebirgigsten Abschnitt des Kantons mit einem förmlichen Gewirr
von Kämmen und Kuppen, Thälchen und Tobeln, sowie vereinzelt stehenden Stöcken. Die Gegend hat schon subalpinen Charakter
und zeigt saftig-grüne, von waldigen Höhen umschlossene Wiesengründe, über welche eine Menge von
Einzel- und Dorfsiedelungen hingestreut sind.
Die ruhige, vom Kohlenrauch der Maschine wie vom städtischen Verkehrslärm freie Lage hat Fischingen mit seinem alten Kloster
und seinen idyllischen Matten und Waldungen zu einer besuchten Station für Erholungsbedürftige gemacht. Die Spitze des Hörnli
gehört dem Kanton Zürich
an; der Markstein, «Dreiländerstein» genannt, zwischen Thurgau
,
Zürich
und St. Gallen
steht unmittelbar
am Anstieg zum höchsten Gipfel auf dessen N.-Abhang. Andere besuchte Punkte sind: Ottenegg und Iddaberg bei Fischingen, der
Hackenberg bei Dussnang und der Haselberg (825 m) bei Bichelsee.
3. Hydrographie.
In hydrographischer Beziehung kommt die grösste Bedeutung dem Bodensee (Ober- und Untersee) mit dem ihm
entströmenden Rhein zu, die der Landschaft einen hohen Reiz verleihen, billige und bequeme Verkehrsstrassen bilden, der Fischerei
eine schöne Ausbeute sichern und auf das Klima als regulierende Faktoren einwirken. Der ganze Kanton gehört entweder direkt
oder durch Vermittlung der Thur zum Einzugsgebiet des Rheins. Direkte, aber nur kurze Zuflüsse des Bodensees
und Rheins aus dem Thurgau
sind: die Goldach bei Horn, die Aach oder Salmsach bei Romanshorn, der Geisslibach bei Diessenhofen und die Schwarzach
bei Paradies.
Die Ortschaften Ermatingen, Berlingen, Steckborn, Mammern und Eschenz stehen auf Deltas, die von den Bächen
am N.-Abhang des Seerückens in den See hinausgebaut worden sind. Kleinere Seen im Innern des Landes: der Nussbaumersee, die
Hüttwilerseen und der Bichelsee. Zwischen Niederbüren und Bischofszell tritt die aus dem Toggenburg kommende Thur als ziemlich
breiter Fluss auf thurgau
ischen Boden über, um hier nw. Bischofszell am Fuss des das Städtchen tragenden
Felsens von rechts die annähernd gleichstarke aber den Thurgau
nur 6 km weit durchfliessende Sitter zu erhalten und dann den ganzen
Kanton von O. nach W. in dem meist breiten Thurthal bis Neunforn zu durchschneiden. Die Vereinigung mit dem Rhein erfolgt im Kanton Zürich.
Ausser der Sitter erhält sie noch: von rechts den durch Weinfelden fliessenden und bei Amlikon mündenden
Giessen, den Kemmenbach, der bei Müllheim mit dem Mühlbach mündet, den Pfinbach und
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Lief. 248.
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebrüder Attinger, Neuenburg.
^[Karte: 6° 40’ O; 47° 35’ N; 1:300000]
Einwohner per Km2.
░ 1-24
▐ 75-99
▓ 100-149
░ 150-299
▒ 300-399
▓ 400-499
▐ mehr als 500
V. Attinger sc.
KANTON THURGAU ¶
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den Seebach (Abfluss der Hüttwilerseen) bei Ochsenfurt; von links die vom Hörnli kommende und 2,5 km n. Frauenfeld mündende Murg mit der Lauche, dem Thunbach und der kleinen Lützelmurg.
Für Einrichtung elektrischer Kraftanlagen scheinen die thurgauischen Gewässer nicht besonders geeignet zu sein. Sie haben zu wenig Stosskraft und zu wenig Gefälle. In trockenen Sommern führen etliche Bäche und Flüsse überhaupt nur spärlich Wasser. Man beabsichtigte, Elektrizitätswerke an der Thur und der Murg anzulegen, musste aber infolge ungünstiger Gutachten davon wieder absehen. Die thurgauischen Gemeinden beziehen demnach die Elektrizität meist von auswärts.
Frauenfeld hat einen Kraftlieferungsvertrag mit der Gesellschaft «Motor» in Baden (Beznau-Werk) abgeschlossen, welche bis ins Hasli-Müllheim Leitungen erstellt. Dann hat sich eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Arbon für ein Elektrizitätswerk «Bodensee-Thurthal» gebildet, welche von Arbon abwärts Leitungen erstellt und von einem grossen auswärtigen Stromlieferanten Kraft bezieht. Ein paar Gemeinden besitzen schwächere kleine Elektrizitätswerke für ihren lokalen Bedarf an Licht und Kraft; so Steckborn, Emmishofen, Kreuzlingen, Romanshorn und Egnach.
Die thurgauischen Flusswasser werden dagegen vielfach durch Kanäle zu kleinern und grössern gewerblichen und industriellen Anlagen geleitet, wo sie als Triebkraft und in anderer Weise dienstbar gemacht sind. Trink- und Brauchwasser ist in guter Qualität vorhanden, ebenso Wasser für Feuerlöschzwecke. Die meisten Gemeinden besitzen Reservoirs, Hauswasserversorgung und Hydranten. Kreuzlingen, Romanshorn und Münsterlingen haben Seewasserversorgungen, die unfiltriertes Bodenseewasser liefern. Weil aus einer Tiefe von 30-40 m gefasst, soll dieses chemisch und bakteriologisch ebenso rein sein, wie filtriertes See- und Quellwasser. Zur Zeit ist eine auf der Grundlage des Siegfried-Atlas in 1:25000 beruhende Quellenkarte des Thurgaues im Entstehen begriffen, die sowohl rein wissenschaftliche Zwecke verfolgen als auch in praktischer Hinsicht für künftigen vermehrten Quellwasserbedarf der Gemeinden vorsorgen soll.
4. Allgemeiner Landschaftscharakter.
Abgesehen vom See und Rhein und deren Ufern kann von eigentlichen Naturschönheiten und Naturwundern im Thurgau nicht gesprochen werden. Dafür trägt er in hohem Grade den Stempel der Lieblichkeit, des Wohlgeordneten, der Fruchtbarkeit, des äusserst fleissig bebauten und geschäftlich klug bewirtschafteten Bodens. Leider ist der Weinstock nicht mehr wie ehedem (bis in die 70er Jahre des 19. Jahrhunderts) eine Quelle des Wohlstandes. Wer zur Sommerszeit von einem der vielen Aussichtspunkte den Blick über die üppigen Wiesen und Felder, wo Weiler an Weiler und Dorf an Dorf sich reiht, über den Obstbaumwald, die Rebenhänge, die bewaldeten Kuppen schweifen lässt, oder wer das Gelände im Frühjahr, wo die Bäume mit einem wahren Meer schneeweisser Birnen- und rötlichweisser Apfelblüten überschüttet sind, durchwandert, oder endlich im Herbst die Fülle zitronengelber und rotwangiger Früchte und die Trauben aus dem Laub herauswinken sieht, der muss sich gestehen, dass ihm ein gesegnetes Fleckchen Erde zu schauen vergönnt ist. So anziehend und fruchtbar indes die meisten Thäler und Höhen sind, bilden doch die Ufer des Untersees, mit denen einzelne Striche am Obersee (vorab Kreuzlingen) wetteifern, den Glanzpunkt des Kantons.
Nicht umsonst haben seit alten Zeiten Schloss an Schloss sich gereiht an diesen Ufern mit ihrem herrlichen Baumwuchs, ihren üppigen Gärten, fruchtbaren Weinreben, stillen Wäldern und Schluchten, mit dem Ausblick auf den See und die teils sehr nahe liegenden, teils im Dunst verschwimmenden jenseitigen Ufer. Kurorte: Ermatingen, Mannenbach, Glarisegg-Steckborn, Mammern. Vergegenwärtigt man sich alle diese Anmut und dieses Gedeihen, so erkennt man, dass das thurgauische Volkslied «O Thurgau, du Heimat, wie bist du so schön!» nicht ohne Grund entstanden ist.
[Dep.-Sekr. F. Ribi.]
5. Geologie.
Das ganze Gebiet des Kantons weist hauptsächlich zweierlei Bildungen auf: Tertiäre, vertreten durch die nichtdislozierten Schichten der obern Süsswassermolasse, und quartäre, zu welchen einerseits die einige Kantonsteile geradezu charakterisierenden diluvialen und andrerseits die alluvialen Ablagerungen gehören.
Die Molasse deutet auf eine Deltabildung hin. In diesem Hörnli-Delta, das zur Breite die Entfernung Uetliberg-Untersee, zur Länge die Strecke Hörnli-Höhenzüge bis Rafz hat, kommen folgende Sedimente in Betracht: a) die Mergel, welche hinsichtlich ihrer Zusammensetzung und Farbe eine grosse Mannigfaltigkeit aufweisen. Sie sind grösstenteils sehr kalkreich (Ausbeute bei Eschikofen) und enthalten oft nicht nur kohlige Trümmer von Pflanzen, sondern auch Reste von Land- und Süsswasserkonchylien (bituminöse Mergel). - b) Der Sandstein. Als Farbe herrscht Grau vor; der Struktur nach ist er fein- bis grobkörnig. Das Bindemittel, der kohlensaure Kalk, tritt in verschiedenen Quantitäten auf; nicht selten finden sich Stellen, wo es konzentriert ist (Knauermolasse). Der geringen Festigkeit wegen wird der Sandstein selten als Baustein verwendet. Bei Kehlhof-Berg befindet sich ein Steinbruch, der als Spezialität Ofenplatten liefert. - c) Der Süsswasserkalk wurde trotz der geringen Mächtigkeit der Lager früher als sog. Wetterkalk an manchen Orten namentlich im hintern Thurgau, ausgebeutet. - d) Die Nagelfluh kommt vornehmlich im hinteren und westl. Teil des Kantons zur Geltung. Auffallend ist die Abnahme der Geröllgrösse in nordwestl. Richtung, sowie eine Verminderung in der ¶