Thüringer
Tiefenverhältnisse des

* 2
Thüringer.
Wald (hierzu
»Geologische
Karte des Thüringer
[* 2]
Waldes«),
Sächsische Herzogtümer

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Herzogtümer.Kettengebirge in Mitteldeutschland, erstreckt sich zwischen Thüringen im N. und Franken im S. in südöstlicher Richtung von der Werra unweit Eisenach [* 3] bis zum Wetzstein bei Lehesten, nach andern nur bis zur Werra und Schwarza, wo es, den Charakter des Plateaus annehmend, in den Frankenwald übergeht (s. Karte »Sächsische Herzogtümer«). [* 4] Die Länge des Gebirges, über dessen Kamm in seiner ganzen Ausdehnung [* 5] ein uralter Grenzweg, der sogen. Rennstieg (s. d.), führt, beträgt, die Linie der Werra- und Schwarzaquelle als Grenze angenommen, 75, bis zum Wetzstein 110 km, während die Breite [* 6] im äußersten Nordwesten kaum 10 km, im SO., zwischen Rudolstadt [* 7] und Sonneberg, [* 8] 35 km beträgt.
Das
Profil des langgestreckten Gebirgszugs mit seinen zahlreichen, schön gerundeten Gipfeln und muldenförmigen
Vertiefungen bildet eine fortlaufende, sanft gekrümmte Wellenlinie, die namentlich von der Nordseite her einen ungemein
malerischen Anblick darbietet. Der
Kamm selbst erhebt sich nur an wenigen
Stellen über 900 m, während die
Höhe seiner
Ausläufer
zwischen 200 m (bei
Eisenach und
Saalfeld)
[* 9] und 490 m (bei
Ilmenau) schwankt. Im allgemeinen kann man den
thüringer Wald
nach seiner Längenausdehnung in zwei Hälften teilen, die in ihrer von der geognostischen
Zusammensetzung abhängigen
Oberflächengestalt sich wesentlich voneinander unterscheiden.
Neustadt

* 12
Neustadt.
Auf ihrer etwa durch die
Linie
Eisfeld-Amtgehren bezeichneten
Grenze haben die Gewässer, welche das
Gebirge drei Hauptströmen
(Elbe,
Weser und
Rhein) zusendet, ihren Quellknoten. Der nordwestliche Teil bildet eine schmale, gegen
Eisenach keilförmig zugespitzte,
durch einen hohen
Kamm geschlossene Bergkette mit steilem
Abfall nach N. und S. Da, abgesehen von räumlich beschränkten Gebieten
kristallinischen
Urgebirges
(Granit-,
Gneis- und Glimmerschiefergebiet von
Brotterode), die
Ablagerungen der
Karbon-Rotliegend-Zeit
und von diesen wiederum vorwaltend die Lavaströme porphyr- und melaphyrartiger
Gesteine
[* 10] die Hauptmasse
dieses etwa 75 km langen, 15 bis 22 km breiten Gebirgsabschnitts zusammensetzen, so herrschen die den Eruptivgebieten eignen
steilen, zerrissenen, durch malerisch geformte Thalgründe zerklüfteten Terrainformen vor. In diesem vorzugsweise von
Bade-
und
Kurorten belebten Teile liegen zugleich die höchsten und besuchtesten Gipfel des
Gebirges: der
Inselsberg
(915 m), der
Große
Beerberg (983), der
Schneekopf (978), der
Finsterberg (947), der
Kickelhahn (861 m) u. a. Der südöstliche
Teil (den
Wetzstein als
Grenze angenommen) stellt sich als ein fast ebenso langes, dagegen 40-50 km breites, wellenförmiges,
hauptsächlich aus
Phyllit,
Thonschiefer und
Grauwacke bestehendes
Hochland dar, mit steilem
Abfall nach S.,
breitfüßigen und flach geböschten
Bergen,
[* 11] welche sich nur wenig über das allgemeine
Niveau erheben, und langgestreckten,
etwas
einförmigen, aber von gewerblichem und industriellem
Verkehr vielfach belebten
Thälern. Als höchste
Punkte sind hier
zu nennen: das Kieferle (877 m), die Kursdorfer
Kuppe (805), der Wurzelberg (837) und der
Wetzstein (821
m). - Der
Wald besteht vorherrschend aus
Tannen und
Fichten, neben denen auch bedeutende Laubwald
bestände vorkommen, gegenwärtig
fast überall Gegenstand einer sorgfältigen
Kultur. Die am höchsten gelegenen, stets bewohnten
Orte sind:
Neustadt
[* 12] a. R. (925
m),
Igelshieb (835),
Steinheid (814),
Neuhaus a. R. (812), Oberhof (811),
Oberweißbach (754),
Schmiedefeld
(728 m) etc., fast alle im südöstlichen Teile des Thüringer
Waldes liegend.
In geognostischer Beziehung gehört der thüringer Wald
zu den interessantesten und lehrreichsten
Gebirgen
Deutschlands.
[* 13] Das nordwestliche
Ende besteht aus Rotliegendem; weiterhin gegen SO. wächst in der Nachbarschaft des inselartig
hervortauchenden
Kernes kristallinischen Grundgebirges
(Granit,
Gneis,
Glimmerschiefer) die Zahl und Mannigfaltigkeit
der karbonisch-rotliegenden
Sedimente und besonders der gleichalterigen Eruptivgesteine mit ihren Tuffbildungen.
Glieder, künstliche

* 15
Glieder.Porphyr, Porphyrit, Melaphyr in den verschiedenartigsten Abänderungen durchsetzen gangförmig und stockförmig oder überlagern deckenförmig die bisweilen stark zurücktretenden und in ihrem Lagerungsgefüge durch zahlreiche Verwerfungen gestörten Schichtgesteine. Dabei walten in den gewaltigen, Lavaströmen vergleichbaren Deckenergüssen der tiefern (karbonischen) Stufe, wie sie den Granit von Suhl, [* 14] Vesser, Schmiedefeld und Stützerbach überlagern, die basischen Eruptivgesteine (Melaphyr, Glimmerporphyrit), in der höhern, dem Rotliegenden zugerechneten Stufe, insonderheit auf der Strecke Tambach, Oberhof, Elgersburg, dagegen die sauren Glieder [* 15] (Quarzporphyr etc.) vor.
Südöstlich der
Linie
Amtgehren,
Neustadt a. R., Unterneubrunn hören die zusammenhängenden Eruptivgesteinsdecken
ziemlich plötzlich auf, und die
Glieder des kambrisch-phyllitischen Schiefersystems
(Thonschiefer,
Grauwacke,
Quarzit) mit den
bei Siegmundsburg aufgefundenen Vertretern der ältesten
Fauna treten in der ganzen
Breite des Wald
gebirges hervor.
Schon hart
an der
Grenze gegen den
Frankenwald lagern sich in schmalem, von
SW. bis
NO. laufendem
Streifen von
Steinach
über Spechtsbrunn,
Gräfenthal nach
Saalfeld die
Glieder des
Silur- und Devonsystems auf, ihrerseits den weit in den
Frankenwald
in großer
Fläche verbreiteten
Kulm (Unterkarbon) tragend.
Der ganze Gebirgskörper erscheint als ein durch gewaltige Bruchlinien (Verwerfungen) von dem ihn allseitig umgebenden, eingesunkenen, aus Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper gebildeten hügeligen Vorland losgetrennter und stehen gebliebener horstförmiger Keil. Wo das Absinken des Vorlandes von demselben weniger in Gestalt scharfer, schnittförmiger Brüche als durch eine Schichtenverbiegung und Niederziehung erfolgte, ist die Zechsteinformation als bald breiterer, bald schmälerer Randsaum des Gebirges erhalten.
Die Gewässer des Thüringer
Waldes, sämtlich zum Gebiet der
Nordsee gehörend, verzweigen sich zu einem
dreifachen
Flußgebiet, dessen
Scheitelpunkt der Saarberg unfern
Limbach ist. Zum Elbgebiet gehören die direkt oder indirekt
zur
Saale gehenden: Selbitz,
Loquitz,
Schwarza,
Ilm und
Gera
[* 16] mit
Apfelstedt;
zum Wesergebiet: die Werra mit Schleuse, Hasel, Schmalkalde, Druse und Hörsel mit Leine;
zum Rheingebiet die zum Main gehenden: Rodach und Itz. An größern stehenden Gewässern fehlt es dem Gebirge.
Thüringische Terrasse

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Seite 15.684.Von Mineralquellen ¶
mehr
sind außer den kalk- und kohlensäurehaltigen Eisenquellen in Liebenstein die Solquellen von Salzungen und Schmalkalden [* 18] zu nennen, während andre Orte, besonders Elgersburg, Ilmenau etc., sich eines fast chemisch reinen Wassers erfreuen und den dortigen Kaltwasserheilanstalten ihren guten Ruf verschafft haben. An nutzbaren Mineralien ist die Ausbeute von Braunstein, welcher aus Gängen im Porphyr vorkommt (Manganerz), bei Ilmenau, Elgersburg, Friedrichroda, Schmalkalden etc. von einiger Bedeutung.
Außerdem liefert die Zechsteinformation Eisenerze (Stahlberg und Mommel bei Schmalkalden, Kamsdorf bei Saalfeld), Schwerspat, Kupfererz (Kupferschiefer bei Ilmenau, Schweina u. Fahlerz [* 19] bei Kamsdorf), Gips [* 20] (Kittelsthal, Friedrichroda etc.), Kobalt- und Nickelerze bei Saalfeld und Schweina. Alaun- und Vitriolschiefer sind bei Schmiedefeld im Silur bekannt. Gold [* 21] fand sich im kambrischen Quarzit von Reichmannsdorf. Flußspat [* 22] wird bei Steinbach und Öhrenstock, Kaolin bei Limbach etc. gewonnen.
Thal

* 23
Thal.Besondere Erwähnung verdienen noch die Schieferbrüche im südöstlichen Teil des Gebirges, besonders bei Lehesten. Lebhaft ist die Industrie. Hervorragend sind besonders: die Bearbeitung des Eisens in allen Formen bis hinab zu den Produkten der Kleinschlosserei und den sogen. Schmalkaldener Waren, die Porzellan- und Steingutmanufakturen, die Spielwaren- und Papiermachéfabriken in Sonneberg und Waltershausen, die Meerschaumindustrie in Ruhla, die Glashütten, Glasinstrumenten- und Glasperlenfabrikation, die Farbenfabriken, die Gewinnung von Pechharz und Kienruß etc. Bedeutend ist der Fremdenverkehr während der Sommermonate, besonders in Eisenach, Thal, [* 23] Ruhla, Friedrichroda, Tabarz, Georgenthal, Tambach, Elgersburg, Ilmenau.
Zahlreiche, meist wohlgepflegte Straßen überschreiten das Gebirge. Ein Gürtel
[* 24] von Eisenbahnen umgibt den thüringer Wald
, drei Linien
durchschneiden denselben von N. nach S. zum Teil in langen Tunnels. Für noch größere Hebung
[* 25] des Fremdenverkehrs, namentlich
auch für Aufschließung noch weniger bekannter Thäler und Aussichtspunkte, ist der Thüringer
wald
verein
sehr thätig. In politischer Beziehung bietet der thüringer Wald
noch heute das bunteste Bild dar: Preußen,
[* 26] Sachsen-Meiningen, Sachsen-Weimar,
Sachsen-Koburg-Gotha, die beiden Schwarzburg, Reuß
[* 27] und Bayern
[* 28] teilen sich in ihn.
Vgl. Heim, Geologische Beschreibung des Thüringer
Wald
gebirges (Meining. 1796, 6 Bde.);
Credner, Geognostische Verhältnisse Thüringens und des Harzes (Gotha [* 29] 1843);
Derselbe, Versuch einer Bildungsgeschichte der geognostischen Verhältnisse des Thüringer
Waldes (das. 1855);
Schwerdt und Ziegler, Thüringen (in »Meyers Reisebüchern«, 3. Aufl., Leipz. 1879),
und ebenda: Anding und Radefelds »Wegweiser« (9. Aufl., das. 1888);
Trinius, Thüringer
Wanderbuch
(Mind. 1886-89, 3 Bde.);
Vogel, Topographische Karte vom
thüringer Wald
, 1:150,000 (Gotha).