Thorn
[* 1] (poln. Torun), Kreisstadt und seit dem
Eingehen der
Festung
[* 2]
Graudenz
[* 3] durch
Anlage zahlreicher detachierter
Forts
auf beiden Seiten der
Weichsel
Festung ersten
Ranges, an der
Weichsel, über die hier eine 1000 m lange
Eisenbahnbrücke
führt,
Knotenpunkt der
Linien
Schneidemühl-Thorn, Thorn
-Allenstein, Thorn-Alexandrowo, Thorn
Marienburg
[* 4] und
Posen-Thorn der Preußischen Staatsbahn, 34 m ü. M.,
hat alte, vom
Deutschen
Orden
[* 5] erbaute Ringmauern, 2 evangelische und 3 kath.
Kirchen (unter letztern die Johanniskirche mit
dem Epitaphium des
Kopernikus), eine
Synagoge, ein altes
Schloß (von 1260), ein schönes
Rathaus (mit wichtigem
Archiv und
Museum), 2
Bahnhöfe,
[* 6] ein Schlachthaus, einen Marktplatz (in der
Altstadt) mit der kolossalen Bronzestatue des
Kopernikus,
welche dem 1473 in Thorn
gebornen großen Astronomen 1853 hier errichtet wurde, und (1885)
mit der
Garnison (2 Infanteriereg. Nr. 21 und 61, ein Pionierbat. Nr.
2, ein Ulanenreg. Nr. 4 und ein Fußartilleriereg. Nr.
11) 23,906 meist evang. Einwohner.
Die
Industrie besteht in
Eisengießerei,
[* 7]
Maschinen-,
Dampfkessel-,
Spiritus-,
Seifen-,
Tabaks- und berühmter Pfefferkuchenfabrikation,
Tischlerei und Schlosserei, Bierbrauerei
[* 8] etc. Der lebhafte
Handel, unterstützt durch eine
Handelskammer, eine Reichsbankstelle
und andre Bankinstitute sowie durch die Stromschiffahrt, ist besonders bedeutend in
Getreide
[* 9] und
Holz,
[* 10] ferner in
Wein, Kolonial-,
Eisen- und Schnittwaren, Vieh,
Steinkohlen etc. Besucht sind auch die dortigen alljährlichen
Woll-,
die allmonatlichen
Pferde- und allwöchentlichen Viehmärkte. Thorn
ist Sitz eines
Landgerichts, eines
Hauptzollamtes, des
Stabes
der 8. Infanteriebrigade und hat ein
Gymnasium mit
Realgymnasium u. ein Lehrerinnenseminar.
Unmittelbar
bei Thorn
liegt das Dorf Mocker mit
Eisengießerei, Ma-
[* 1]
^[Abb.:
Wappen
[* 11] von Thorn.]
¶
mehr
schinen- und Nudelfabrikation und (1885) 6826 Einw. sowie der Flecken Podgorz mit 1972 Einw. Zum Landgerichtsbezirk Thorn
gehören
die neun Amtsgerichte zu Briesen, Gollub, Kulm, Kulmsee, Lautenburg, Löbau,
[* 13] Neumark, Strasburg und Thorn.
- Den ersten Grund zu der Stadt
legte der Hochmeister Hermann Balk 1231. Deutsche
[* 14] Einwanderer aus Westfalen
[* 15] bevölkerten die Stadt, die das
unter dem Namen der Kulmischen Handfeste bekannte Privilegium erhielt. Thorn
trat später dem Hansabund bei.
Hier wurde 1411 zwischen dem König Wladislaw II. von Polen und dem Deutschen Orden Friede geschlossen. 1454 ward das Schloß zu
Thorn
vom Preußischen Bund erobert und von den Bürgern zerstört. Am ward hier ein zweiter Friede
zwischen Polen und dem Deutschen Orden geschlossen. Der Waffenstillstand mit Polen zu Thorn
gewährte dem Hochmeister Albrecht von
Brandenburg
[* 16] vier Jahre Ruhe bis zum berühmten Krakauer Frieden. 1557 nahmen Rat und Bürgerschaft die Reformation an,
und 1558 ward die Marienschule zu einem Gymnasium erhoben.
Auf Veranlassung des polnischen Königs Wladislaw IV. ward hier 1645 unter Ossolinskis Vorsitz das sogen. Colloquium charitativum zur Versöhnung der Katholiken und Dissidenten, woran auch G. Calixt teilnahm, veranstaltet. Streitigkeiten, welche zwischen den Jesuitenzöglingen und den Schülern des protestantischen Gymnasiums bei Gelegenheit der Fronleichnamsprozession entstanden, hatten einen Tumult zur Folge, wobei das Jesuitenkloster gestürmt und verwüstet wurde.
Die polnische Regierung ließ darauf auf Grund eines ganz ungesetzlichen Verfahrens den Stadtpräsidenten Rößner
nebst neun Bürgern enthaupten (Thorner
Blutbad) und bestimmte, daß der Magistrat künftig zur Hälfte
aus Katholiken bestehen und die Marienkirche den Katholiken übergeben werden sollte. Bei der zweiten Teilung Polens fiel Thorn
zugleich
mit Danzig
[* 17] 1793 an Preußen.
[* 18] Durch den Frieden von Tilsit
[* 19] 1807 kam es an das Großherzogtum Warschau,
[* 20] und mußte es,
nachdem es von den Russen und Preußen eingeschlossen worden war, nach achttägiger Beschießung kapitulieren.
Durch die Wiener Kongreßakte von 1815 kam es von Polen an Preußen zurück und ward seit 1818 mit Festungswerken versehen.
Vgl. Wernicke, Geschichte Thorns
(Thorn 1839-42, 2 Bde.);
Hoburg, Die Belagerungen der Stadt und Festung Thorn
(das. 1850);
Steinbrecht, Die Baukunst [* 21] des Deutschen Ritterordens, Bd. 1: im Mittelalter (Berl. 1884);
Kestner, Beiträge zur Geschichte
der Stadt Thorn
(Thorn 1883);