(spr. tjähr),LouisAdolphe, franz. Staatsmann und Geschichtschreiber, geb. zu
Marseille
[* 2] als Sohn eines
Advokaten, studierte in
Aix die
Rechte, ließ sich 1820 daselbst als
Advokat nieder, begab sich aber
schon im
September 1821 mit seinem
FreundMignet nach
Paris,
[* 3] um dort als Journalist seine
Talente geltend zu machen. Er schrieb
zuerst für den »Constitutionnel«, das vornehmsteOrgan der liberalen
Partei, und veröffentlichte außer
einer mehrfach aufgelegten
Schrift über
JeanLaw (1826, neue Ausg. 1878) 1823-27 seine
»Histoire de la
Révolution française«
in 6
Bänden (15. Aufl. 1881, 10 Bde.;
deutsch von
Jordan, Leipz. 1854), welche seinen
Ruhm als
Historiker begründete.
Als
Karl X. durch die Ernennung des
MinisteriumsPolignac der liberalen
Partei den
Krieg erklärte, gründete
diese unter der Leitung von Thiers,
ArmandCarrel und
Barrot im
Januar 1830 den
»National«, der durch die
Kraft
[* 4] und Kühnheit seiner
Polemik gegen die bestehende Dynastie bald großen Einfluß gewann. Besonders elektrisierte die
Massen das von Thiers erfundene
Schlagwort: »Le
[* 5] roi règne, mais ne gouverne
pas«. Als die berüchtigten
Ordonnanzen erschienen,
versammelten sich die
Redakteure aller liberalen
Journale im
Büreau des
»National« und erließen unter Thiers' Leitung einen
Protest
gegen diese Regierungsmaßregel.
Quadrupelallianz vom 15. Juli entgegen den Vizekönig von Ägypten
[* 12] zu unterstützen und in dem allgemeinen Krieg die Rheingrenze
wiederzugewinnen, scheiterte an der Weigerung des friedfertigen Königs. Thiers reichte daher 21. Okt. seine Entlassung ein und griff
den schon früher gefaßten Plan wieder auf, die Geschichte Napoleons I. zu schreiben, zu welchem Behuf
er 1841 bis 1845 dessen Schlachtfelder in Deutschland
[* 13] und Italien
[* 14] bereiste. In der Kammer gesellte er sich wieder zur Opposition,
deren Führung er jedoch nicht erlangte, obwohl er bei den Verhandlungen über die Regentschaft (1842), die Jesuiten (1845) und
die Rechte derUniversität (1846) heftig gegen die Regierung auftrat.
Als die Februarrevolution von 1848 den König zwang, das MinisteriumGuizot zu entlassen, sollte Thiers mit Barrot ein neues bilden,
durch welches LudwigPhilipp den Sturm besänftigen wollte. Dasselbe kam aber nicht mehr zu stande, und hielt es für geraten,
nach Proklamierung der RepublikParis zu verlassen. Er blieb Orléanist und nahm in der Nationalversammlung
eine Mittelstellung ein. Den PlänenNapoleons wirkte er eifrig entgegen und ward daher beim Staatsstreich verhaftet
und dann in das Ausland entlassen. 1852 ward ihm die Rückkehr nach Frankreich gestattet, wo er sich elf Jahre lang vom öffentlichen
politischen Leben fern hielt und sich ganz der schriftstellerischen Thätigkeit widmete. Die Frucht derselben
war die »Histoire du Consulat et de l'Empire« (Par. 1845 bis 1862, 20 Bde.;
Register 1869; deutsch von Bülau, Leipz. 1845-62, 20 Bde.;
von Burckhardt und Steger, das. 1845-60, 4 Bde.). 1863 wurde
Thiers in Paris in den GesetzgebendenKörper gewählt und ward hier der Führer der kleinen, aber mächtigen
Opposition. Er bekämpfte in glänzenden Reden (»Discours prononcés au Corps législatif«, Par. 1867) besonders den falschen
Konstitutionalismus und die auswärtige Politik des Kaiserreichs, sowohl in Zollfragen als namentlich die Intervention in Italien,
welche die Gründung der italienischen Einheit, und sein Verhalten 1864-66 in der deutschen Frage, welches
Sadowa zur Folge gehabt habe. Um das legitime Übergewicht Frankreichs zu behaupten, drang er auch auf Aufrechthaltung eines
tüchtigen stehenden Heers nach altem System, da er von allgemeiner Wehrpflicht und Volksbewaffnung nichts wissen wollte.
Mit um so größerer Energie widersetzte er sich der übereilten Kriegserklärung und erklärte
mit später bestätigter Einsicht Frankreich für nicht gerüstet. Nach dem Sturz des Kaiserreichs übernahm er im September
eine Rundreise an die Höfe der Großmächte, um sie zu einer Intervention für Frankreich zu veranlassen, kehrte aber Ende
Oktober unverrichteter Sache zurück und begann nun im Auftrag der Regierung Unterhandlungen mit dem deutschen
Hauptquartier über einen Waffenstillstand, die ebenso erfolglos endeten.
Der Kommuneaufstand in Paris18. März brachte Thiers in die höchste Bedrängnis, und nur seinem Mut und Selbstvertrauen
sowie seiner unermüdlichen Thätigkeit war
es zu danken, daß derselbe überwunden und gleichzeitig 10. Mai definitive Friede
mit Deutschland abgeschlossen wurde. Daran schlossen sich die erfolgreichen Maßregeln zur Beschaffung der nötigen Geldmittel.
Am ward er auf drei Jahre zum Präsidenten der Republik ernannt. Nun begannen aber die Schwierigkeiten des Parteigetriebes
in der Nationalversammlung.
Die monarchistischen Parteien sahen sich in ihren Hoffnungen auf Thiers' energische Unterstützung getäuscht und rächten sich
durch gehässige Angriffe und Ränke, obwohl Thiers den klerikalen Ansprüchen möglichst nachgab. Als daher
Thiers, überzeugt, daß die Herstellung des Königtums in Frankreich, besonders des orléanistischen, eine Unmöglichkeit und
die Republik die einzig mögliche Regierungsform sei, die definitive Konstituierung der Republik von der Nationalversammlung
verlangte, beschloß die klerikal-monarchistische Majorität derselben, da die Zahlung der Kriegsentschädigung an Deutschland
und die Räumung des Gebiets durch den Vertrag vom gesichert waren, Thiers zu stürzen. Am 19. Mai brachte die Rechte
eine Interpellation ein über das neue Ministerium, welches Thiers berufen hatte, um seine Verfassungsvorschläge für die Republik
durchzuführen; nach heftiger Debatte ward 23. Mai ein Tadelsvotum gegen dies Ministerium mit 360 gegen 344 Stimmen
angenommen und, als Thiers darauf seine Entlassung gab, diese mit 368 gegen 338 Stimmen genehmigt. Thiers zog sich darauf wieder vom
öffentlichen Leben zurück und nahm nur an wichtigen Abstimmungen in der Deputiertenkammer teil.
Nach dem Staatsstreich vom richteten sich die Hoffnungen aller Republikaner wieder auf Thiers als
das Haupt einer gemäßigten Republik, aber er starb plötzlich zu St.-Germain en Laye infolge eines Schlaganfalls
und wurde am 8. in Paris feierlich bestattet. 1879 wurde ihm ein Standbild in Nancy,
[* 17] 1880 ein solches in St.-Germain errichtet.
Thiers, von kleiner Gestalt, aber scharf geschnittenen, lebendigen Zügen, war einer der bedeutendsten Staatsmänner
Frankreichs im 19. Jahrh. und jedenfalls der populärste.
Seine Doktrin war die des konstitutionellen Systems, in welchem der aufgeklärte, wohlhabende Bürgerstand die beste Sicherung
seiner geistigen und materiellen Güter erblickte, und welches Thiers unter der Julimonarchie verwirklicht zu
sehen gehofft hatte. Deshalb war ihm die militärische Demokratie eines Napoleon III. verhaßt. Aber über allen Doktrinen stand
bei Thiers seine Nation, Frankreich. Dessen Ruhm und Größe zu vermehren, war sein höchstes Ziel, wie er denn auch ein echter Franzose
mit allen Vorzügen und Schwächen dieses Volkes war; er besaß eine unermüdliche Arbeitskraft, feine,
edle Bildung, Scharfblick, eine sanguinische Elastizität des Geistes und echten Patriotismus, dabei aber eine naive Selbstsucht
und Eitelkeit.
Als Geschichtschreiber verherrlichte er die Freiheitsideen der französischen Revolution und den Kriegsruhm Napoleons I. in
schwungvoller Sprache
[* 18] und glänzender Darstellung, jedoch keineswegs stets wahrheitsgetreu und unparteiisch. Ganz erfüllt
von der Idee, daß Frankreichs berechtigte Suprematie das politische GleichgewichtEuropas bedinge und die kleinen deutschen
und italienischen Staaten für diese Suprematie notwendig seien, war er ein heftiger Gegner der italienischen und deutschen
Einheitsbestrebungen und, obwohl Voltairianer, ein Beschützer des Kirchenstaats. Thiers' »Discours parlementaires« wurden von
Calmon (1879 bis 1883, 15 Bde.) herausgegeben.
Vgl. Laya,
¶
mehr
Études historiques sur la vie privée, politique et littéraire de M. Thiers 1830-46 (Par.
1846, 2 Bde.);
Derselbe, Histoire populaire de M. Thiers (das. 1872);
Richardet, Histoire de la présidence de M. Thiers (das. 1875);
Eggenschwyler, Thiers' Leben und Werke (Bern
[* 20] 1877);
Jules Simon, Le gouvernement de M. Thiers (Par. 1878, 2 Bde.);
1) Arrondissement im franz. Depart.Puy-de-Dôme in der Auvergne, hat auf 852 qkm (1896) 74 867 E., 6 Kantone und 41 Gemeinden.
- 2) Hauptstadt des Arrondissements Thiers, am Nordwestfuß der Monts du Forez, 400 m ü. d. M., an der Linie
Clermont Ferrand-St.
Etienne der Mittelmeerbahn, ist Mittelpunkt einer seit Jahrhunderten in dieser Gegend bestehenden Messer- und Papierfabrikation,
[* 21] besteht aus zwei getrennten Teilen, der obern Neustadt
[* 22] beim Bahnhof und dem außerordentlich malerisch gelegenen mittelalterlichen
Teil am steilen Abhang des Besset (623 m), am rechten Ufer der zur Dore gehenden Durolle mit interessanten
geschwärzten Häusern (aus dem 15. Jahrh. und weiter zurück) und hat (1896) 12 200, als
Gemeinde 17 135 E., einen Gerichtshof erster Instanz, Handels- und Schiedsgericht, Ackerbau- und Gewerbekammer, eine roman.-spitzbogige
Kirche St. Genes (11. und 12. Jahrh.), im Thal
[* 23] die im 7. oder 8. Jahrh. gegründete Kirche einer Benediktinerabtei
Le Moûtier, meist aus dem 11. Jahrh., und an den malerischen Ufern der Durolle eine Menge
industrieller Anlagen (Papiermühlen, Schleifereien u. a.). Thiers hat ein College, Spital, Theater,
[* 24] Sparkasse und außer den vielen
Messerschmieden Brauerei, Lohgerberei und Handel mit Stahlwaren, Stahl, Eisen
[* 25] und Wein. 15 km nordöstlich
bietet der 1292 m hohe Puy-de-Montoncel in den Bois Noirs eine umfassende Aussicht.
(spr. tĭähr), Louis Adolphe, franz. Staatsmann
und Geschichtschreiber, geb. zu Marseille, studierte zu Aix die Rechte und ließ sich dort in den
Advokatenstand aufnehmen. Bald jedoch wandte er sich der Geschichte, Politik und Nationalökonomie zu und ging 1821 nach Paris,
wo er in die Redaktion des «Constitutionnel» eintrat. Seiner Thätigkeit
gelang es in kurzer Zeit, sich zu einem Wortführer des Liberalismus emporzuschwingen, zumal seine «Histoire le la Révolution
française» (10 Bde., Par.
1823-27 u. ö.; deutsch Lpz. 1854) mit großem Enthusiasmus aufgenommen
ward.
Auf Anregung Talleyrands und im Verein mit ArmandCarrel und Odilon Barrot gründete er den orleanistisch gesinnten
«National», dessen kühnes und kräftiges Auftreten für die damalige Lage ein polit. Ereignis war. Thiers' Ausspruch «Le roi
règne, il ne gouverne pas» wurde das Schlagwort des Tages. Als am Morgen des die Ordonnanzen
(s. Frankreich, Geschichte) erschienen, entwarfen die Redacteure aller liberalen Zeitungen unter Thiers' Einfluß eine heftige
Protestation. Thiers nahm persönlichen Anteil an den Unterhandlungen mit dem Herzog von Orléans, die zu dessen Thronbesteigung
führten, und wurde nach der Julirevolution zum Staatsrat und Generalsekretär im Finanzministerium und
im Nov. 1830 unter Laffitte zu dessen Unterstaatssekretär ernannt.
Als Abgeordneter der Stadt Aix trat er in die Deputiertenkammer ein. Bei Laffittes Rücktritt (März 1831) blieb in seiner
Stellung unter
Périer; nach dessen Tode wurde er Minister des Innern. Ein Zerwürfnis mit seinen
Kollegen bewog ihn, im Dez. 1832 das Departement des Innern mit dem des Handels und der öffentlichen Arbeiten zu vertauschen.
Seit war er Mitglied der Akademie. Während er sich dem Hofe, trotz manches Zerwürfnisses, notwendig zu machen
wußte, unterhielt er mit der liberalen Partei ein freundliches Verhältnis.
Unter solchen Umständen blieb er in dem umgestalteten Kabinett und übernahm wieder das Ministerium des Innern.
Seine Strenge gegen die demokratischen Aufstände in Paris und Lyon entzweiten ihn jedoch dauernd mit seinen republikanischen
Freunden. Als im Febr. 1836 das vielfach modifizierte Ministerium abtrat, erhielt Thiers den Vorsitz
in dem neuen Kabinett mit dem Portefeuille des Auswärtigen. Als er in Spanien zu Gunsten des Liberalismus gegen die Karlisten
einschreiten wollte, scheiterte er an dem Widerstande des Königs, so daß er 26. Aug. zurücktrat und sich an die Spitze der
Opposition stellte. Am wurde er wieder Ministerpräsident und Minister des Auswärtigen.
Als solcher ordnete er die Zurückführung der Leiche Napoleons I. von St. Helena an, trat der Quadrupelallianz vom 15. Juli entgegen,
wollte Mehemed Ali von Ägypten gegen die Türkei
[* 26] unterstützen und veranlaßte den Beschluß, Paris zu befestigen.
Da der König vor einem Kriege zurückscheute, gab Thiers seine Entlassung und führte nun bis zum Sturze des Julikönigtums
die Opposition gegen das Guizotsche Ministerium und die Politik des Königs.
Nach Ausbruch der Februarrevolution von 1848 sollte Thiers 24. Febr. mit Odilon Barrot ein neues Kabinett bilden.
Aber es war zu spät, die Republik wurde proklamiert. Thiers wurde bei den Ergänzungswahlen (4. Juni) in die Nationalversammlung
gewählt und war bald einer der Führer der sog. Burgraves (s. d.). Da er den imperialistischen PlänenLudwig Napoleons entgegenwirkte,
wurde er beim Staatsstreich verhaftet und des Landes verwiesen. Nachdem er einige Zeit in England,
der Schweiz
[* 27] und Oberitalien
[* 28] verlebt hatte, erhielt er 1852 die Erlaubnis zur Rückkehr nach Frankreich, wo er sich histor.
Arbeiten widmete. Seine «Histoire du Consulat et de l'Empire» (20 Bde.,
Par. 1845-62 u. ö.; deutsch von Bülau, 20 Bde., Brüss. und
Lpz. 1845-62; von Burckhardt und Steger, 4 Bde., Lpz. 1845-61)
war die Frucht dieser Muße. Bei den Neuwahlen von 1863 wurde er in Paris zum Mitgliede des Gesetzgebenden Körpers gewählt,
wo er namentlich die auswärtige Politik Napoleons III. scharf kritisierte. Diese Reden erschienen als «Discours
prononcés au Corps législatif» (Par. 1867). Als das Ministerium Ollivier im Juli 1870 die span. Thronfolgefrage
zum Vorwand gebrauchte, um den Deutsch-FranzösischenKrieg zu entzünden, war Thiers einer der wenigen, die gegen solche Überstürzung
protestierten.
Nach dem Sturze des Kaisertums übernahm Thiers (12. Sept.) eine diplomat. Mission an die Höfe von London,
[* 29] Petersburg,
[* 30] Wien
[* 31] und Florenz,
[* 32] um diese zu einer Intervention für Frankreich zu bewegen. Da er unverrichteter Sache heimkehrte, unterhandelte
er (30. Okt. bis 6. Nov.) mit Bismarck im Hauptquartier zu Versailles über einen Waffenstillstand, doch scheiterten die Unterhandlungen,
worauf Thiers von Tours
[* 33] aus, wohin er sich begeben hatte, einen
¶
mehr
Bericht über seine Verhandlungen veröffentlichte. Bei denWahlen zur Nationalversammlung ward Thiers von der legitimistisch-orléanistischen
Partei an 26 Orten gewählt. Nach Eröffnung der Versammlung zu Bordeaux
[* 35] wurde er 17. Febr. zum Chef der Exekutive gewählt, worauf
er als seine erste Aufgabe den Friedensschluß in Angriff nahm. In Begleitung des Ministers Favre reiste
er selbst nach Versailles und unterzeichnete 26. Febr. die Friedenspräliminarien. Kaum war auf seinen Vorschlag10. März der Beschluß
gefaßt, den Sitz der Nationalversammlung nach Versailles zu verlegen, als 18. März der Aufstand der Commune ausbrach (s. Paris).
Seiner Entschlossenheit gelang es, die Erhebung örtlich zu beschränken und sie durch etwa 120000 Mann
unter dem Marschall Mac-Mahon in kurzer Zeit niederzuwerfen.
Am10. Mai wurde der endgültige Friede mit Deutschland in Frankfurt
[* 36] a. M. unterzeichnet. Thiers' nächstes Ziel war nun, das Land
möglichst bald von der Occupation zu befreien und die Kriegskosten aufzubringen, was ihm noch vor der
im Frieden festgesetzten Zeit gelang. Am 31. Aug. wurde er zum Präsidenten der Französischen Republik auf drei Jahre ernannt.
Das Wichtigste, was unter seiner Präsidentschaft geschaffen wurde, war die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht.
Die monarchischen Parteien aber sahen sich durch Thiers getäuscht, da dieser an die Nationalversammlung, als
sie wieder zusammentrat, eine Botschaft richtete, worin er die endgültige Proklamierung der Republik und verschiedene
Verfassungsänderungen befürwortete. Die gesamte monarchisch-klerikale Rechte beschloß daher seinen Sturz. Da Thiers bei der
Neubildung des Kabinetts die Minister ausschließlich aus den Reihen der Republikaner nahm, so brachten die
Monarchisten 19. Mai eine Interpellation über die Bildung des Ministeriums ein und setzten nach heftigen Debatten23. Mai mit 360 gegen 344 Stimmen
ein Tadelsvotum gegen das Ministerium durch.
Darauf zeigte Thiers seinen Rücktritt von der Präsidentschaft an. Mit 368 gegen 339 Stimmen wurde seine Demission genehmigt.
Aufs neue zog sich Thiers vom öffentlichen Leben zurück und betrat nur noch einmal die Rednerbühne, um gegen
die Herabsetzung der militär. Dienstzeit zu sprechen. Die Wahl zum Senator lehnte er ab und nahm die eines Abgeordneten
des 19. Pariser Wahlbezirks 20. Febr. an. Nach der Einsetzung des Broglieschen Ministeriums unterschrieb
er das von Gambetta verfaßte Manifest der 363 an die Nation. Thiers starb zu St. Germain-en-Laye. Statuen von ihm wurden
zu Nancy 1879 und zu St. Germain-en-Laye 1880 enthüllt. Thiers' «Discours
parlamentaires» (15 Bde., Par.
1879-83) wurden von Calmon veröffentlicht.
Vgl. Laya, Études historiques sur la vie privée, politique et litteraire de Monsieur
[* 37] Thiers, 1830-46
(2 Bde., Par. 1846);
ders., Histoire populaire de Monsieur Thiers (ebd. 1872);
Richardet, Histoire de la présidence de Thiers (ebd.
1875);
Eggenschwyler, Thiers' Leben und Wirken (Bern
1878);
J. Simon, Le gouvernement de Monsiseur Thiers (2 Bde.,
Par. 1878);