Theopneustie
(grch.), göttliche Eingebung, Inspiration.
Theopneustie
10 Wörter, 111 Zeichen
Theopneustie
(grch.), göttliche Eingebung, Inspiration.
(lat.), Einatmung (im Gegensatz zu Exspiration, Ausatmung; s. Atmung). In der Dogmatik
bezeichnet man mit I. sowohl die übernatürliche Mitteilung von seiten Gottes an die Menschen durch den »Anhauch« seines Geistes
als den eben hierdurch herbeigeführten gottbegeisterten Zustand des Menschen, also eine Art Seitenstück zum heidnischen
Enthusiasmus (s. d.). Im Anschluß hieran heißt
2. Tim. 3, 16. die Heilige Schrift Alten Testaments »gottgehaucht«
(theopneustos
), welches Wort die Vulgata durch inspiratus (daher das Substantivum inspiratio) übersetzt.
Nachdem die Juden ihre heiligen Schriften gesammelt und mit dem Ansehen einer göttlichen Norm umgeben hatten, war es natürlich, auf dieselben auch den dem Altertum überhaupt geläufigen Begriff der I. zu übertragen, ja sogar die alexandrinisch-griechische Version des Alten Testaments (Septuaginta) unter die gleiche dogmatische Beleuchtung [* 3] zu stellen. Gerade die alexandrinischen Juden hatten den Begriff der I. am strengsten ausgebildet. So nimmt denn auch das Neue Testament und nehmen schon die ältesten kirchlichen Schriftsteller an, der Heilige Geist habe sich der Propheten, durch die er sprach, als Organe bedient, so daß diese selbst nicht immer den vollen Sinn ihrer Aussprüche verstanden.
Die Kirchenväter schon des 2. Jahrh. verglichen die Verfasser der biblischen Schriften z. B. mit einem musikalischen Instrument, welches die von dem eigentlichen Künstler, dem Heiligen Geist, gewollten Töne hervorbringe. Nur daß sich die Schriftsteller dabei im Zustand der Bewußtlosigkeit befanden, also das eigentlich Mantische des Begriffs, wurde im Gegensatz zum Montanismus (s. Montanisten) geleugnet; einzelne Kirchenlehrer, wie Theodor von Mopsuestia, nahmen sogar verschiedene Abstufungen der einstweilen auch auf das Neue Testament ausgedehnten I. an. Indem dann die Scholastik den spätern Konzilen und den Päpsten (überhaupt der Kirche) eine göttliche, entscheidende Autorität in Glaubenssachen (s. Infallibilität) beilegte, mußte die I. der Bibel [* 4] in den Hintergrund treten. Mit aller ¶
Strenge aber haben die Reformatoren im Interesse ihres Schriftprinzips den Inspirationsbegriff wieder geltend gemacht, was jedoch Luther nicht hinderte, sich auch gelegentlich freiere Äußerungen über die I. einzelner biblischer Bücher zu erlauben. Erst von der lutherischen und reformierten Orthodoxie ward in der Polemik gegen die römische Kirche sowie gegen die Socinianer und Arminianer, welche den herkömmlichen Begriff von der I. ermäßigten, derselbe als unmittelbare Erleuchtung (s. d.) gefaßt und auf eine Höhe getrieben, auf welcher zuletzt der gesamte Inhalt, jedes Wort, auch die hebräische Punktation, als vom Heiligen Geist eingegeben erschien.
Die heiligen Schriftsteller waren demnach nichts weiter als »Notarien« des ihnen diktierenden Geistes. Diese strenge Theorie mildernd, hielten schon ältere Theologen für das den heiligen Autoren menschlicherweise Bekannte eine bloß Irrtümer verhütende Thätigkeit des Geistes (assistentia spiritus sancti) für hinreichend. Je mehr sich aber ein wissenschaftliches Verständnis der Heiligen Schrift Bahn brach, desto weniger konnte der Begriff einer I., sofern er einen übernatürlichen Ursprung der biblischen Litteratur aussagte, noch aufrecht erhalten werben, und so hat ihn selbst die Vermittelungsrichtung auf die ursprüngliche Frische der Begeisterung oder auf den religiösen Takt zurückgeführt, welche den Aposteln und Propheten innewohnten.