Titel
Theater
[* 1] (griech., hierzu Tafel »Theaterbau«
),
[* 3]
Schaubühne
, Schauspielhaus. Das eigentliche Vaterland des Theaters
ist das alte
Hellas mit seinen
Kolonien. Das altgriechische
(s. den
Grundriß und Tafel
»Baukunst
[* 4] IV«,
[* 5] Fig. 11) war nicht allein für dramatische Aufführungen bestimmt, sondern
auch Schauplatz für alle zum
Kultus des
Dionysos
[* 6] gehörigen Feierlichkeiten und bestand aus drei Hauptabteilungen:
1) aus dem Zuschauerraum (Theatron im engern Sinn), welcher die in immer weitern Halbkreisen nach hinten übereinander sich erhebenden Sitzreihen enthielt, durch einen oder zwei breite, ebenfalls konzentrische Gänge (Diazoma) in Stockwerke sowie durch Treppengänge in einzelne keilförmige Abschnitte (Kerkis) abgeteilt war;
2) aus der Orchestra, dem mittlern, für den
Chor bestimmten
Raum mit der erhöhten
Thymele, dem Standort des Chorführers,
und 3) aus dem mit
Statuen geschmückten Bühne
ngebäude
(Skene), das mit seinen zwei nach dem Zuschauerraum hervortretenden
Flügeln (Paraskenion) den eigentlichen
Spiel- und Sprechraum (Proskenion) umschloß und die zur
Aufbewahrung
des ganzen Theater
apparats nötigen
Räume sowie die Ankleidezimmer der
Schauspieler enthielt. Der unter dem Proskenion gelegene
Raum, welcher dem Zuschauerraum gegenüber die tiefer liegende Orchestra und die höher liegende
Bühne abschloß, hieß das
Hyposkenion.
Das ganze Gebäude war ohne Bedachung, höchstens bedachte man den obersten, den Zuschauerraum umgebenden
Gang,
[* 7] welcher
dann eine
Säulenhalle bildete, und die von zwei nach der Orchestra hin vorspringenden, im
Grundriß rechteckigen
Flügeln flankierte
Bühne, und mit dem Zuschauerraum gewöhnlich an einen
Hügel
angelehnt, aus dessen
Gestein die Sitzreihen der Zuschauer herausgearbeitet
waren. Das Theater
in
Athen
[* 8] (340-328
v. Chr. erbaut) faßte gegen 30,000, das zu
Megalopolis 40,000
Personen.
Daß bei den Griechen auch Szenerie, Maschinerie und Dekoration schon eine gewisse Ausbildung erlangt hatten, steht außer Zweifel; das Kostüm [* 9] war zum Teil durch feste Regeln bestimmt. Äschylos führte in die Tragödie den hohen Kothurn und die Maske (s. d.) ein, welch letztere auch ermöglichte, daß Frauenrollen ohne Störung der Illusion von Männern gegeben werden konnten. Der Kampfpreis für den tragischen Dichter bestand in einem Epheukranz, für den komischen in einem Schlauch mit süßem Wein. Das Eintrittsgeld betrug in Athen für die drei Spieltage eine Drachme. Vgl. Chor und Schauspielkunst.
[* 1]
^[Abb.:
Grundriß eines griechischen Theaters.]
In
Rom
[* 10] entstanden feststehende Theater
gebäude erst gegen das Ende der
Republik. Wie das griechische, bestand
auch das römische aus drei Teilen: dem Zuschauerraum, der Orchestra und der
Bühne, nur daß die Orchestra (weil der
Chor
mit auf der
Bühne auftrat) zu bevorzugten Sitzplätzen verwendet wurde;
man nannte den Raum das Podium, den Sprechplatz der Schauspieler Pulpitum.
Eigentümlich war der römischen
Bühne ein Vorhang (aulaeum), womit sie vor Beginn des
Spiels geschlossen
war. Der Zutritt zu den
Theatern in
Rom war unentgeltlich; doch mußte jeder beim
Eintritt eine
Marke (tessera) aufweisen, auf
welcher sein Sitz bezeichnet war. Die Ausrichtung der Theater
spiele war Staatssache; auch hier wurden
weibliche
Rollen
[* 11] bis in die Kaiserzeit von
Knaben und Männern gespielt. Außer dem Theater
des
Pompejus waren das Theater
des
Corn.
Balbus
und das des
Marcellus, welches 22,000
Menschen faßte, die vorzüglichsten.
Vgl.
Strack, Das altgriechische Theater
gebäude
(Potsd. 1843, 9 Tafeln);
Wieseler, Theatergebäude und
Denkmäler des Bühne
nwesens bei den Griechen und
Römern
(Götting. 1851, mit 14 Tafeln);
Schönborn, Die Skene der Hellenen (Leipz. 1858);
Arnold, Das altrömische Theatergebäude (das. 1873);
A.
Müller,
Griechische Bühne
naltertümer (Freiburg
[* 12] 1886);
Öhmichen, Griechischer Theaterbau (Berl. 1886);
Opitz, Das Theaterwesen der Griechen und Römer [* 13] (Leipz. 1889).
Dem Mittelalter waren eigentliche Theatergebäude ganz fremd. Die dramatischen Aufführungen standen im Dienste [* 14] der Kirche, welche die bauliche Anlage ihrer Gotteshäuser nach dem Beispiel der antiken Theater dem Zweck der heiligen Festspiele anbequemte. Charakteristisch ist hierbei die dreiteilige, über- und ¶
mehr
hintereinander sich erhebende Emporbühne
, deren Anordnung auch beibehalten wurde, als mit der zunehmenden Verweltlichung
die überdies allzu personenreichen Kirchenspiele ins Freie, auf Kirchhöfe, Märkte etc., verwiesen wurden (s. Mysterien, S. 956 f.),
wo besondere Gerüste hierfür erbaut wurden. Die weltlichen Spiele waren auf Schulsäle, Scheunen (»Stadeln«),
unbedeckte Hofräume mit Gerüsten und Emporen (»Brücken«, [* 16] »Zinnen«),
mit Teppichen umhangene Räume, später auf schlichte »Spielhäuser« angewiesen, deren erstes 1550 in Nürnberg [* 17] durch die Meistersingerzunft errichtet wurde. Letztere vervollkommten sich erst mit dem Überhandnehmen des Luxus bei den Hofhaltungen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh., besonders nach dem Vorbild der italienischen Operntheater, deren Grundformen noch heute gelten. Die ersten Opernhäuser in Deutschland [* 18] erhielten, abgesehen von den Residenzen, Nürnberg, Augsburg, [* 19] Hamburg [* 20] und Leipzig [* 21] (1667-93).
Der moderne Theaterbau.
Auch im modernen Theater wird der Zuschauerraum wie im antiken halbrund oder hufeisenförmig, nach hinten zu etwas aufsteigend erbaut. Den Boden desselben nimmt das Parterre (in seinem mit reservierten Plätzen versehenen vordern Teil Parkett genannt) ein; an der tiefsten Stelle des Zuschauerraums, zwischen Parkett und der Bühne, hat sich die antike Orchestra in den schmalen, lang gedehnten Raum für das Musikchor verwandelt, auf welches auch der alte Name (eigentlich »Tanzplatt«) übergegangen ist (s. Orchester).
Bei den neuesten Theaterbauten wird, nach der Idee Richard Wagners und Sempers (Wagnertheater in Baireuth [* 22] mit amphitheatralisch aufsteigenden Sitzreihen), das Orchester, um die Illusion weniger zu stören, versenkt und so angeordnet, daß mindestens das in dem Parkett und Parterre befindliche Publikum die ausführenden Musiker nicht sieht. Durch die Herstellung eines vertieften Orchesters wird nicht nur der Eindruck der von unsichtbaren Musikern herrührenden Musik, sondern auch die perspektivische Wirkung der scheinbar näher gerückten und deshalb größer erscheinenden Darsteller und Darstellungsgegenstände wesentlich erhöht.
Der Umfang des Parterre wird von übereinander errichteten Logenreihen oder von Balkonen, welche alsdann für die Logen nur den Raum am Orchester übriglassen, umschlossen; der oberste Balkon heißt Galerie. Die erhöhte Bühne, d. h. der Ort, wo die Schauspieler agieren, wird von dem Orchester- und Zuschauerraum durch mehrere Vorhänge geschieden, welche bei größern Theatern, z. B. in Dresden, [* 23] in einem Haupt- und einem Zwischenaktsvorhang, einem Vorhang für Szenenwechsel und einem zur Lokalisierung der Feuersgefahr bestimmten eisernen Vorhang bestehen.
Letzterer ist aus Trägerwellenblech konstruiert, durch Gegengewichte ausbalanciert und mittels Kurbelwinden beweglich. Vor dem Vorhang befindet sich die Rampe oder das Gestell, an welchem die vordere Beleuchtung [* 24] der Bühne angebracht ist; in der Mitte der Rampe befindet sich der Souffleurkasten. Vom Proszenium, dem vordersten Teil der Bühne, aus steigt der Boden der Bühne (Podium) nach hinten zu ein wenig aufwärts. Die Szene oder der Ort, wo die Handlung spielt, wird durch die Dekorationen, nämlich eine Hinterwand und Seitenwände, begrenzt.
Die Hinterwand (Hintergardine) muß an verschiedenen Stellen herabgelassen werden können, da es nötig ist, die Bühne bald kürzer, bald länger (tiefer) zu machen. Die Seitenwände der Bühne werden durch Kulissen dargestellt. Sie bestehen aus Leinwand, auf Rahmen gespannt, gehen durch das Podium hindurch und ruhen unterhalb desselben auf einem kleinen Wagen oder einer Walze, so daß leicht mit demselben Zug die neuen Kulissen vor, die nicht mehr nötigen zurückgezogen werden können. In neuester Zeit hat man, besonders für das Konversationsstück, vielfach versucht, »geschlossene« Dekorationen, sogen. Panoramatheater, einzuführen, d. h. Kulissen, welche mittels Klappen sich aneinander anschließen (Klappkulissen) und wirkliche Seitenwände bilden, sowie auch die Deckendekoration aus dem Ganzen zu arbeiten.
Die zur nähern Bestimmung der Szene nötigen Stücke, wie Häuser, Mauern, Bäume, Felsen u. dgl., heißen Versetzstücke und werden vermittelst sogen. Freiwagen, deren Maschinerie unter dem Podium hingeht, von den Seiten hervorgeschoben. Den Luftraum oder die obere Decke [* 25] der Bühne bilden die Soffiten, d. h. quer über die Bühne gehende Leinwandstreifen, die das Bühnenbild nach oben begrenzen. Je nachdem die Soffiten bemalt sind, heißen sie Luft-, Wald-, Zimmersoffiten etc. Die gesamte Maschinerie des modernen Theaters wird in die obere und die untere geteilt.
Die obere umfaßt alle Zug- und Hängewerke nebst den dazu gehörigen Leinen, Zügen, Walzen, Schnürböden, Galerien etc. sowie den ganzen Apparat, mittels dessen auf der Bühne Personen und Gegenstände durch die Luft bewegt werden, d. h. das Flugwerk. Die untere Maschinerie besteht aus den Versenkungen (geräuschlos auf- und niedergehenden Bodenausschnitten), Kanälen, Freifahrten, Wagen u. dgl. und dient teils zur Bewegung der Kulissen, teils zum Emporheben aus der Erde aufsteigender Erscheinungen.
Die notwendigen Vorrichtungen zum Flugwerk, zu dem Aufziehen des Vorhangs, zum Dekorationswechsel, zur Herablassung der Soffiten befinden sich auf einem besondern Boden über der Bühne, dem Schnürboden, dessen Fußboden durchbrochen ist. Auf einem andern obern Boden, dem Feuerboden, sind für Feuersgefahr die zur Löschung nötigen Reservoirs befindlich. Die Bühne wird meist in 5-8 perspektivisch geordnete Abteilungen zerlegt, deren jede eine große Versenkung, drei durchgehende Freifahrten und eine durchgehende Klappe hat.
Die Beleuchtung wird meist in jeder Bahn mittels zwei Ober- und zwei Seitenlichter sowie durch Versetz-, Transparent- und Extralampen bewirkt. Hierzu kommt die vordere, durch die Proszeniumslampen bewirkte, regulierbare Beleuchtung der Bühne. Zu beiden Seiten der Hauptbühne befinden sich Probesäle, Garderoben und Ankleidezimmer. Die den Zuschauerraum enthaltende Abteilung des Hauses versieht man außer mit den Treppenanlagen mit Restaurationsräumen, Büffetten u. Foyers. Hierzu kommen die Vestibüle, Korridore und Unterfahrten sowie bei Hof- und Residenztheatern in dem Zuschauerraum die Anordnung der Hoflogen und die damit in Verbindung zu bringenden Salons und sonstigen Appartements. Nicht selten wird die Anlage besonderer Konzertsäle und Säle zu kleinern theatralischen Aufführungen gefordert.
Die Anordnung des Äußern bestand früher in der Herstellung eines mehr oder minder regelmäßigen rechteckigen Gebäudes, in welches man den hufeisenförmigen Zuschauerraum einschaltete, erfolgt aber bei neuern Ausführungen häufig im engen Abschluß an die Form des Innenbaues und stellt alsdann von der Seite des Zuschauerraums einen mehr oder minder vollständigen Rundbau dar. Anordnungen dieser Art zeigen unter andern das Mainzer, das Dresdener ¶
1 Auffahrt
2 Terasse
3 Magazine
4 Rundgang um das Vestibül (5)
6 Rundgang um das Foyer (7)
9 Terrasse
10 Haupttreppe
12 Ventilationskanäle u. Heizraum
14 Saal zur Königsloge
15 Vorsaal für III. Rang
16 Königsloge
17 Parterreloge
18 Mischraum
19 Zuschauerräume: Parkett, Parterre, Loge im I. und II. Stock, III. Rang, Amphitheater
20 Ventilationsschacht
21 Bühne mit Asphaleia-Einrichtung
22 Versenkung mit Asphaleia-Einrichtung
23 Schnürboden mit Asphaleia-Einrichtung
24 Ventilationsschacht für die Bühne
26 Hinterbühne
28 Malersaal
Längenschnitt des königl. ungarischen Opernhauses in Budapest. [* 27] (Maßstab [* 28] 1:500).
Grundriß des Parterregeschosses. (Maßstab 1:1040.)
Grundriß des Hochparterres (Bühnenhöhe). (Maßstab 1:1040.)
Zur Tafel 'Theaterbau': Das neue königliche Opernhaus in Budapest.
Zu den Eigentümlichkeiten des beim Opernhaus zu Budapest (Architekt Nik. v. Ybl) teilweise in Anwendung gekommenen sogen. Asphaleia-Systems gehört der um den hufeisenförmigen Zuschauerraum geführte, zu Lüftungszwecken dienende sog. Ventilationsring, an welchen sich in den einzelnen Stockwerken das Vestibül, die Foyers, Treppenhäuser, Garderoben u. Büffette nebst den beiden seitwärts angebrachten, gedeckten Unterfahrten u. zwar durchweg in einer Weise anschließen, welche die Sicherheit und Bequemlichkeit der Theaterbesucher vollkommen wahrt. Zur Verbesserung der Akustik, Lüftung und freien Aussicht der Galeriebesucher ist der eiserne Plafond muschelartig gewölbt, aus zwei Böden, wovon der untere zwecks Aufsaugung schlechter oder Zuführung frischer Luft siebförmig durchlöchert ist, zusammengesetzt und ruht nicht auf der Galeriebrüstung, sondern auf dem Ventilationsring, wodurch auch die Galeriebesucher einen freien Ausblick auf die Bühne genießen.
Mit den Hauptneuerungen ist die Bühne ausgestattet, welche (das Podium ausgenommen) mit Ausschluß von Holz [* 30] konstruiert ist. Das Podium ist seiner Breite [* 31] nach in mehrere Podienstreifen, sogen. Gassen (s. den Grundriß der Bühne auf der folgenden Seite), zerlegt, wovon jeder für sich oder mit den andern um je 2,5 m gesenkt oder um je 4,5 m gehoben werden kann. Diese Bewegung wird, wie der nebenstehende Querschnitt zeigt, durch hydraulische Pressen bewirkt, deren Stempel zugleich die Träger [* 32] jener Gassen unterstützen, und durch das Öffnen und Schließen eines Hahns erzielt, welcher den Zufluß des unter einem bestimmten Druck stehenden Wassers zum Preßcylinder regelt.
Jede Gasse enthält wieder drei nebeneinander befindliche Versenkungen, welche ebenfalls auf hydraulischen Pressen ruhen und in ähnlicher Weise um 5 m gesenkt oder um 6,5 m gehoben werden können. Mit Hilfe dieser hydraulisch zu bewegenden Versenkungen lassen sich Terrassen, Serpentinen, Brücken, Balkone, ja bei abwechselndem Öffnen und Schließen der Wasserhähne selbst Schaukelbewegungen des Podiums oder seiner Teile hervorbringen. Zwischen den einzelnen Gassen sowie an beiden Seiten der Bühne sind Klappen angebracht, durch welche man nicht nur ganze Dekorationen, sondern auch ganze Zimmer bis zu einer Höhe von 8 m heben kann. Bei dem Schnürboden werden die Soffitenzüge durch lange Züge ersetzt und hierbei nur Drahtseile verwandt. Alle Züge können ebenso wie die Versenkungen
[* 29] ^[Abb.: Querschnitt durch die Bühne in der Richtung einer Kulissengasse. 1:285.] ¶
hydraulisch von unten bewegt werden, wodurch das gefährliche Betreten des Schnürbodens und der Soffitenbrücken wegfällt. Dafür ist in jeder Gasse ein Flugapparat eingeschaltet, welcher nicht bloß an jeden Punkt derselben gelenkt, sondern auch in beliebigen Lagen bewegt werden kann.
Der Abschluß des Zuschauer- und Bühnenraums wird durch einen ebenfalls hydraulisch bewegten Blechvorhang geschlossen. Die vielfach störende Rampenbeleuchtung ist durch eine seitliche Beleuchtung durch elektrisches Licht ersetzt, zu welchem Zweck in der Mauer der Proszeniumsöffnung eine nur gegen die Bühne hin offene Hohlkehle angebracht ist, welche die Lampen [* 34] aufnimmt. Die schwierig zu handhabenden, oft durch ihre ungleiche Beleuchtung störenden Luftsoffiten sind durch einen sogen. Horizont, [* 35] ein mit Wolken bemaltes, senkrecht herabhängendes Dekorationsstück, welches die ganze Bühne umgibt und sich hinreichend hoch, im Budapester Theater 19 m, über das Podium erhebt, ersetzt.
Der auf der Tafel dargestellte Längenschnitt des königlich ungarischen Opernhauses in Budapest gibt ein anschauliches Bild dieser ganzen Einrichtung, deren einzelne Teile mit fortlaufenden Zahlen bezeichnet und demgemäß mit den ihrem Zweck entsprechenden Benennungen versehen sind. Zu erwähnen ist noch, daß der Zuschauerraum, wie die beiden Grundrisse zeigen, hufeisenförmig angelegt, und daß das Proszenium in Gestalt eines Triumphbogens zwischen Bühne und Zuschauerraum eingeschaltet ist.
Der Orchesterraum ist vertieft und mit einer zierlichen Eisenguirlande eingefaßt. In den mit 18 bezeichneten Mischraum treiben zwei große, von einem Gasmotor bewegte Ventilatoren die frische Luft ein, von wo dieselbe, entsprechend vorgewärmt, durch gemauerte Kanäle in den Zuschauerraum gelangt. Die schlechte Luft wird durch den Kronleuchterschacht (20) und zahlreiche andre Luftabzugsschlöte entfernt. Die Effektbeleuchtung der Bühne wird durch elektrisches Licht bewirkt, wobei vier durch zwei zwölfpferdige Gasmaschinen bewegte Dynamomaschinen zur Verfügung stehen.
Die Beleuchtung des Hauses wird aus ökonomischen Gründen durch Gas bewirkt. Zwischen Zuschauerraum und Bühne befindet sich der eiserne Vorhang, während die letztere mit einem eisernen Dachstuhl [* 36] überdeckt ist. Die Bewegung des ganzen Bühnenapparats, welchen der Längenschnitt unter 21, 22 u. 23 sowie der Querschnitt durch die Bühne deutlich darstellt, geht von einer zwölfpferdigen Gasmaschine aus, welche die von einem unter dem Zuschauerraum befindlichen Brunnen [* 37] gespeiste Wasserpumpe in Thätigkeit setzt.
Der Urheber der Maschineneinrichtung des Asphaleia-Systems ist der Wiener Ingenieur Robert Gwinner, nach dessen Plänen seitdem diese Bühneneinrichtung unter andern beim Landestheater zu Prag, [* 38] den neuerbauten Theatern in Halle [* 39] a. S., Göggingen bei Augsburg, dem Drurylane-Theater in London, [* 40] dem großen Theater zu Chicago etc. Anwendung gefunden hat.
[* 33] ^[Abb.: Grundriß der Bühne mit Asphaleia-Einrichtung (Nr. 21, 22 des Längenschnitts).] ¶
mehr
und das Berliner [* 42] Viktoria-Theater. Sowohl der die Vorder- und Hinterbühne einschließende Gebäudeteil als auch die für die verschiedenen Säle, Foyers, Treppen [* 43] und Korridoranlagen erforderlichen Anbauten erhalten dann aus dem gleichen Grund rechteckige Begrenzung, wodurch die Form der neuern Theater eine mit mehr oder minder großem Geschick ausgebildete kombinierte, aus Rechteck- und Rundbau bestehende wird. Die merkwürdigste, zwar sehr reiche, aber etwas gezwungene Kombination dieser Art zeigt die von Garnier erbaute Große Oper in Paris, [* 44] während diejenige des Dresdener Theaters dem Innern genau angepaßt und natürlich ist. Die Bekrönung der einzelnen Teile und ihre äußere Verzierung wird meist durch Figuren oder [* 41] Figurengruppen unterstützt.
Die Stilformen des Hauptinnenraums bewegen sich bei den neuern Theatern fast durchweg, je nach dem Grad ihres Reichtums, in einer frühern oder spätern Epoche des Renaissancestils, wobei die figürliche Skulptur eine mehr oder minder hervorragende Rolle spielt. Karyatiden, [* 45] Atlanten an den Proszeniumslogen, schwebende Figuren in den Gewölbzwickeln der Decke (wie an der Pariser Oper), Statuen und Medaillons von Musen [* 46] und Musengruppen, bedeutenden Ton- und Dramendichtern etc. bilden die Motive.
Die Dekorationsmalereien entfalten sich vorwiegend an dem Plafond. Als ein Hauptschmuck des Zuschauerraums tritt endlich außer den übrigen Arm- und Wandlampen der Kronleuchter hervor, dessen Lampen sich in zwei und mehr (an der Pariser Oper in vier) Etagen von ungleichen Durchmessern aufbauen und sowohl durch Aufziehen und Niederlassen als auch durch die Regulierung der Gasflammen einen mehr oder minder hellen Lichteffekt erzeugen können. Die in der Nähe des Plafonds aufgehängten sogen. Sonnenbrenner dienen zugleich zur Beförderung der Ventilation des Innenraums, welche bisweilen, z. B. beim Dresdener Theater, noch durch einen besondern, auf dem Dachstuhl ruhenden Ventilator unterstützt wird. Zu den schon in der Bauanlage getroffenen Vorsichtsmaßregeln zur Abwendung der Feuersgefahr (Löschanstalten, ausreichende Ausgänge, zahlreiche feuersichere Treppen, nach außen sich öffnende Zwischen- und Außenthüren, Vorplätze, zur Abführung des Rauches dienende Ventilationseinrichtungen etc.) kamen in neuerer Zeit als bedeutungsvoll hinzu: die Aufführung einer soliden Brandmauer zwischen Bühne und Zuschauerraum in Verbindung mit dem in der Proszeniumsöffnung angebrachten hydraulisch bewegbaren Metallvorhang (s. oben) zur raschen Isolierung beider Räume bei Ausbruch eines Brandes;
Ersatz der Gasbeleuchtung durch elektrische Beleuchtung in allen Teilen des Theaters;
Schutz aller Theaterrequisiten und des Holzwerks auf der Bühne gegen rasche Entzündbarkeit mittels chemischer Imprägnierung mit unbrennbaren Stoffen.
Der am ausgebrochene verhängnisvolle Brand des Wiener Ringtheaters führte indessen zu der Einsicht, daß der technische Teil des Theaterwesens den Anforderungen, welche die Richtung der heutigen Kunst an denselben stellt, überhaupt nicht mehr gewachsen sei und einer durchgreifenden Umgestaltung bedürfe. Dieser Einsicht verdankt ein Entwurf nach dem System »Asphaleia« zu einem nicht nur feuersichern, sondern auch technisch zeitgemäß umgestalteten Theater seine Entstehung, welcher bei dem 1885 eröffneten königlichen Opernhaus in Budapest seine erste, bereits bewährte Anwendung gefunden hat und seitdem auch anderwärts nachgeahmt worden ist. Weiteres darüber s. in der Textbeilage zur beifolgenden Tafel.
Die schönsten Theatergebäude in Deutschland finden sich zu München, [* 47] Berlin [* 48] (Schauspielhaus, Opernhaus, Viktoria- und Wallnertheater), Wien [* 49] (Opernhaus, Hofburgtheater, s. Tafel »Wiener Bauwerke«, [* 50] und das an der Wien), Hannover, [* 51] Dresden, Leipzig, Magdeburg, [* 52] Köln, [* 53] Bremen, [* 54] Karlsruhe, [* 55] Braunschweig, [* 56] Halle, Darmstadt, [* 57] Frankfurt [* 58] a. M., Prag, Budapest. Das Wagnertheater in Baireuth wurde bereits oben erwähnt. In Frankreich zeichnen sich aus das Théâtre-Français, die neue Große Oper und das Châtelettheater in Paris, die Theater von Lyon, [* 59] Marseille [* 60] und Bordeaux; [* 61] in Italien [* 62] die Theater San Carlo in Neapel, [* 63] della Scala in Mailand [* 64] und Fenice in Venedig. [* 65]
Das größte Theater in Rußland ist das zu Petersburg [* 66] (durchaus von Stein und Eisen [* 67] bis auf das Podium und den Maschinenboden). Londons größte Theater sind das Drurylane- und das Coventgardentheater. Die größten der modernen Theater fassen 3-7000 Zuschauer (della Scala 7000, San Carlo 7500, das Theater in Chicago, gegenwärtig das größte der Welt, hat 8000 Sitzplätze).
Vgl. aus der neuern Litteratur Gosset, Traité de la construction des théâtres (Par. 1885);
Garnier, Le [* 68] nouvel Opera de Paris (das. 1876-81);
»Das neue Opernhaus in Wien« (Wien 1879);
Gwinner, Das neue königliche Opernhaus in Budapest (das. 1885);
Staude, Das Stadttheater zu Halle (Halle 1886);
Fölsch, Theaterbrände und die zu der Verhütung derselben erforderlichen Schutzmaßregeln (Hamb. 1878);
Gilardone, Handbuch des Theaterlösch- und Rettungswesens (Straßb. 1882-84, 3 Bde.).
Über die Geschichte des Theaters im weitern Sinn vgl. Schauspielkunst. - Anatomisches Theater (Anatomie), das Gebäude, in welchem Anatomie gelehrt und ausgeübt wird, besonders der Hörsaal mit amphitheatralisch erhöhten Plätzen.