Thal
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[* 2] langer und verhältnismäßig schmaler Einschnitt der Erdoberfläche mit gleichsinnigem Gefälle, im Gegensatz zu den kürzern und verhältnismäßig breiten Thalungen und den wannenartigen Vertiefungen in einer Fläche, den Landsenken. Verallgemeinert und uneigentlich wird der Begriff Thal auch für die ganze Gebirgssysteme voneinander trennenden Niederungen gebraucht, die aber richtiger als Ausläufer benachbarter Ebenen aufzufassen sind. Man unterscheidet bei dem Thal die Thalsohle oder den Thalboden (Thalgrund), d. i. den niedrigsten, gewöhnlich flachen Teil; die mit den Kämmen der einfassenden Gebirgszüge zusammenfallenden Thalränder oder die oberste Grenze am Beginn der Eintiefung; die Thalgehänge, Thallehnen oder Thalwände, d. i. die Verbindungsflächen von Sohle und Rand. Die Eintiefung der Sohle, wo das fließende Wasser sich sammelt, heißt Thalbett, und die in diesem vorhandene tiefste Rinne Thalweg. Mit der Richtung des Wasserlaufs unterscheidet man rechte und linke Thalgehänge.
Der Anfang des Thal (Thalschluß) liegt an dem Punkte, wo Hinter- und Seitengehänge sich schneiden, das Ende (Thalausgang, Thalmündung) an der tiefsten Stelle der ganzen Sohle; der Höhenunterschied beider Punkte drückt den Fall, das Gefälle des aus. Nur selten sinkt ein Thal unter das Meeresniveau (submarine Thal). Dicht zusammentretende, steile Thalwände bilden Thalengen und Thaldurchbrüche, Schluchten, Gründe, Klammen, Klausen, Cañons u. s. w., weiter voneinander abstehende dagegen Thalweitungen. Erweitert sich das Thal allmählich zur Ebene, so greift diese mit einer Thalbucht ein. Ziehen sich die Wände zwischen ¶
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zwei Engen zu mehr oder weniger kreisförmiger Weitung zurück, so begrenzen sie einen Thalkessel (Bassin, Becken, Cirkus). [* 4] Oft besteht ein Thal ganz aus solchen seebeckenartig erweiterten Stellen, welche durch Engen oder Schluchten (Thalschlünde, wenn sie lang, Thalkehlen, wenn sie kurz sind) miteinander in Verbindung stehen. Thalweitungen umschließen häufig einen oder mehrere Seen oder tragen deutliche Spuren, daß sie einst Seebecken gewesen. Die Thalgehänge verlaufen selten einfach und ungegliedert.
Sie bieten in der Regel einen Wechsel von aus- und einspringenden Winkeln, die miteinander «korrespondieren», so daß dem Thalvorsprung der einen Thalseite ein Thalwinkel der andern gegenüber liegt. Weit vorspringende Felskanten heißen Thalsporen. Sowohl die Hänge als auch die Sohle eines Thal können Abstufungen zeigen. Die der Gehänge, Thalleisten oder, wenn sehr breit, Terrassen genannt, haben als Ursache die verschiedene Wassermenge des das Thal durchziehenden Wasserlaufs, ihr Vorhandensein weist darauf hin, daß in der Entstehungsgeschichte des Thal länger dauernde Perioden der Ablagerung und der Erosion [* 5] miteinander abgewechselt haben.
Abstufungen der Thalsohle nennt man Thalstufen oder Thalabstürze, gewöhnlich durch einen Wasserfall bezeichnet, solche Thal selbst Stufenthäler. Wo Thalweitungen und Thalengen wechseln, da findet sich häufig ein solches etagenmäßiges Übereinanderliegen der erstern, so daß das Wasser in den Engen eine Stufe herabfallen muß, wie z. B. im T. von Gastein. Wo ein flacher oder auch ein hoher, mächtiger Felsenwall von einer Thalwand zur andern hinübersetzt, da liegt gewöhnlich die Thalsohle nach oben hin niedriger als nach dem Thalende hin.
Solche Thalriegel oder Thaldämme veranlassen daher oberhalb die Entstehung eines Sees, indem sie das Wasser aufstauen. Derartige Thalseen bleiben erhalten, bis der abdämmende Thalriegel von dem ablaufenden Wasser so weit durchnagt ist, daß das Gefälle desselben ein normales geworden ist. Eine solche Durchbruchsstelle eines Thal findet sich z. B. bei den «Ösen» der Salzach oberhalb Golling. Von dem Thal unterscheidet sich die Schlucht oder Thalschlucht eigentlich nur graduell, durch besonders schmale Sohle, steile Böschung der Wände und gewöhnlich durch geringere Länge, durch unwegsamen wilden Charakter. Entspringt ein Thal oder eine Schlucht aus einem steilwandigen Felskessel oder Felstrichter, so hat man es hier mit Karbildungen (s. Kare) oder Kesselthälern (s.d.) zu thun. Thal besonderer Art sind Caldera, Barranco, Maare (s. d.).
[* 2] ^[Abb. Thalquerprofile bei gestörter Schichtenfolge des Gebirges (Längsthäler).
a Mulden- oder Synklinalthal, bSattel- oder Antiklinalthal, c Scheide- oder Einbruchsisoklinalthal, d Scheide- oder Erosionsisoklinalthal, e Grabenthal.]
Nach der mittlern Richtung der Thal unterscheidet man Längsthäler (Longitudinalthäler), die in der Richtung des Gebirges oder einzelner seiner Ketten verlaufen, Querthäler (Transversalthäler), die mehr oder weniger senkrecht dazuliegen, und Diagonalthäler, deren allgemeine Erstreckung eine zwischen jenen beiden vermittelnde Richtung einhält. Erstere zeichnen sich gewöhnlich durch einen geradlinigen Verlauf aus, sind in der Regel länger, geräumiger, von mildern Formen begrenzt und erlauben weite Blicke.
Die Querthäler sind kürzer und ihre Thalsohle steigt weit rascher auf. Bezeichnend ist für sie die Abwechselung von Thalengen mit weiten Becken und die Abstufung der Sohle. Selbst an ihrem obersten Ende zeigen sich oft Mulden, welche z. B. in den Alpen [* 6] mit den die Gletscher speisenden Firnmassen angefüllt sind. Solche Thal machen gewöhnlich einen ernsten, großartigen, ja schauerlichen Eindruck. Die wichtigste Art der Querthäler sind die Durchbruchthäler, die eine oder mehrere Gebirgsketten durchschneiden und vorzugsweise die Verkehrsstraßen zwischen den beiden Seiten des Gebirgswalles bilden.
Oft ist die obere Strecke eines Thal ein Längenthal, bis dasselbe umbiegt und als Querthal sich fortsetzt, ja dieser Wechsel kann sich, wie z. B. im Schweizer Jura und in den Alleghanies, mehrfach wiederholen. Zur bessern Übersicht unterscheidet man von den Hauptthälern, welche sich vom Rücken des Gebirges bis zum Fuße desselben erstrecken, alle übrigen als Nebenthäler verschiedener Ordnung. Thal unterster Ordnung sind die im wesentlichen nur als kurze und steile Rinnen in den Gehängen erscheinenden Runsen, Tobel, Klingen u. a.
In der Frage der Entstehungsweise der Thal ist wohl zu beachten, daß die Erosion dabei überall thätig war oder noch ist. Doch trennt man von den Erosions- oder Skulpturthälern, die nur durch Erosion entstanden, ohne daß die Richtung des Thallaufes schon vorher durch natürliche Senkungen vorgezeichnet war, die tektonischen Thal, die durch Faltung, Spaltung oder Verwerfung der Erdkruste vorgebildet und dann erst durch Erosion weiter ausmodelliert wurden. Ob die Erosion durch das Wasser oder das Eis [* 7] erfolgt ist, das ist in den einzelnen Fällen verschieden und überhaupt sind die Ansichten hierüber noch nicht ganz geklärt. (S. Erosion.) Thal, deren Wasserlauf infolge von Einsinken in den Boden oder durch Klimawechsel verschwunden ist, heißen Trockenthäler; solche sind in Karstlandschaften und Wüsten häufig. Die Auswaschung durch das Wasser kann auch unterirdisch erfolgt sein. So giebt es namentlich in Kalkgebirgen, z. B. im Karst bei Triest [* 8] (s. Dolmen) und in Griechenland [* 9] Thal, die dadurch entstanden, daß unterirdische, in Spalten und Höhlen ablaufende Gewässer diese nach und nach so weit ausgewaschen haben, bis die Decke [* 10] einstürzte und sich dadurch eine Reihe von ¶
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trichterförmigen Erdfällen bildete, welche sich nach und nach zu einer Thalrinne verbanden. Die Längsthäler sind meist tektonische Thal. Nach ihrer Lage zu den vorhandenen Schichtenstörungen spricht man von Sohlen- oder Muldenthälern (synklinalen Thal, auch Senkungsthäler), wenn die Schichten der beiden Thalgehänge gegeneinander einfallen (a in umstehender Abbildung), Sattelthälern (antiklinalen Thal), wenn die Thalgehänge von Schichtköpfen gebildet sind (b); Einbruchsthäler (Bruchthäler) wurden durch einfache Verwerfung (c), Grabenthäler (die Rheinebene zwischen Basel [* 12] und Mainz) [* 13] durch Absinken eines Stückes der Erdrinde zwischen zwei parallelen Spalten gebildet (e).
Einbruchsthäler und Erosionsthäler (d) in geneigten Schichten nennt man auch isokline oder Scheidethäler. Zu welchen von diesen Arten ein Thal gehört, kann nur durch Feststellung des Fallens der Schichten an den beiden Thalseiten erkannt werden. Alle Thal, bei denen ein Zusammenhang mit geolog. Verhältnissen sich nicht nachweisen läßt, die einfach der Hauptabdachung eines Gebirges oder einer beliebigen seiner schiefen Ebenen folgen, faßt man bisweilen unter dem Namen Abdachungs- oder orographische Thal zusammen. Um die Klassifikation der Thal nach ihrer Entstehung haben sich besonders verdient gemacht: Sueß, Löwl, F. von Richthofen.
Vgl. L. Rütimeyer, über Thal- und Seebildung (2. Aufl., Bas. 1874);
K. Sonklar Edler von Innstädten, Allgemeine Orographie (Wien [* 14] 1873);
Toula, über Thalbildung (ebd. 1877);
A. Heim, Untersuchungen über den Mechanismus der Gebirgsbildung [* 15] (2 Bde., Bas. 1878);
Löwl, über Thalbildung (Prag [* 16] 1884);
Sueß, Das Antlitz der Erde (Lpz. und Prag 1885);
F. von Richthofen, Führer für Forschungsreisende (Berl. 1886);
Penck, Morphologie der Erdoberfläche, Tl. 2. (Stuttg. 1894).