Terpentinöl
(Terpentingeist, lat. oleum terebinthinae, frz. essence de térébinthine; engl. turpentine-oil), ein bedeutender Handels- und Verbrauchsartikel, wird aus Terpentin abdestilliert und bildet im gereinigten Zustande eine wasserhelle, leichte und leichtflüchtige, stark riechende ¶
mehr
und brennend schmeckende, mit großer rußender Flamme brennende Flüssigkeit, unlöslich im Wasser. Es ist ein sauerstofffreies ätherisches Öl (Kohlenwasserstoff) von 0,86-0,89 spezif. Gew., das, wenn es frei von harzigen Stoffen ist, beim Erwärmen an der Luft ohne Rückstand verdunstet. Bei gewöhnlicher Temperatur in flachen Gefäßen der Luft ausgesetzt, verdunstet nur ein Teil davon, indes der Rest durch Sauerstoffaufnahme sich verändert, zähe wird (Dicköl der Porzellanmaler) und endlich zu einem harten, durchsichtigen Firnis eintrocknet. Dieses Verhalten macht das Öl hauptsächlich so wertvoll als Bindemittel für Farben.
Gewonnen wird das Öl, indem man Terpentin und Wasser in eiserne Blasen bringt und diese beheizt. Es gehen Wasser- und Öldämpfe über, die sich in der Vorlage zu Flüssigkeit verdichten; bei ruhigem Stehen trennt sich diese in zwei Schichten, sodaß das Öl die Oberschicht bildet. Die früher übliche Destillation des bloßen Terpentins ohne Wasser scheint wenig mehr vorzukommen. Man erhält dabei ein Destillat, das flüchtiger und stechender als das gewöhnliche und mehr gefärbt ist, und auch der Rückstand ist dunkler.
Der Rückstand von der gewöhnlichen Bereitung heißt gekochter Terpentin (terebinthina cocta), und nachdem dieser für sich nochmals in gelinder Wärme so lange geschmolzen worden, bis aller Wassergehalt ausgetrieben ist, bildet er das Kolophonium. Das Öl von der ersten Destillation ist immer noch mit harzartigen Stoffen und etwas freier Säure (Ameisensäure) verunreinigt, sieht gelb aus und ist nicht für alle Zwecke brauchbar. Um es rein und farblos zu erhalten, rektifiziert man es durch nochmalige gelinde Destillation mit Wasser unter Zusatz von etwas Kalk, der die Säure bindet. -
Das Öl löst die meisten Harze, auch Kautschuk, Schwefel und Phosphor, läßt sich mit Alkohol, Äther, Chloroform, Schwefelkohlenstoff, fetten und ätherischen Ölen und Firnis mischen und wird daher in großer Ausdehnung verwendet zur Bereitung von Lacken, zum Verdünnen von Ölfarben, als Mittel zum Ausmachen von Flecken, die von fettigen Substanzen herrühren. Sehr häufig wird es auch benutzt zum Verfälschen andrer, teurer ätherischer Öle. In neuerer Zeit benutzt man das Öl auch als ein gutes Bleichmittel für solche Stoffe, die nicht mit Chlorkalk gebleicht werden dürfen, wie z. B. Elfenbein. Die Bleichkraft beruht auf dem Vermögen des Öls, eine große Menge Sauerstoff aus der Luft aufzunehmen, diesen zu ozonisieren und an die zu bleichenden Stoffe abzugeben, welche, damit benetzt, dem Lichte ausgesetzt werden. -
Medizinisch wird das T. verwendet zu reizenden und zerteilenden Einreibungen, auch zuweilen tropfenweise innerlich verordnet. -
Das T. ist ein viel bedeutenderer Handelsartikel, als der Terpentin. Im Handel kommen vor: deutsches, französisches und amerikanisches. Eigentlich wird in Deutschland nur noch wenig von dieser Ware erzeugt, am meisten noch in Österreich. Die deutsche Firma deckt aber auch alles, was aus Südrußland, Polen, Galizien kommt, und das ist nicht wenig. Die stärkste Zufuhr kommt aber aus Nordamerika teils direkt, teils über England. Die Einfuhr nach Deutschland hat sich seit Aufhören des Bürgerkrieges bis auf etwa 1½ Mill. Gallons im Jahre gesteigert. Die Preise wurden dadurch so gedrückt, daß die Eigentümer der französischen Fichtenwälder nicht mehr auf die Kosten kommen konnten und die Fabrikation meist einstellen mußten, wodurch jedoch ihr Geschäft mit Terpentin, der als gute Ware immer gesucht und dem übrigen vorgezogen wird, nur wenig berührt wurde.
Besondere, weniger häufig vorkommende Sorten von T. sind das Kienöl oder Templinöl, welches in der Schweiz durch Destillation der Zweige, Zapfen und des Holzes verschiedner Nadelbäume gewonnen wird, das Latschenöl oder Krummholzöl aus den Zapfen und jungen Spitzen von Pinus Pumilio, und endlich das Tannenzapfenöl und Fichtennadelöl. Künstliches T. hat man dasjenige Destillationsprodukt aus Petroleum genannt, welches bei 120-150° C. übergeht. Es ist nicht geeignet das eigentliche Öl zu ersetzen, da es Harze wie Kopal, Dammar u. a. nicht löst, und kann daher nur etwa als Verdünnungsmittel für Ölfarben dienen. Außerdem gebraucht man es zum Waschen der Buchdruckformen. Als Brennstoff ist es zu leicht entzündlich, um als Fleckwasser gebraucht werden zu können, zu wenig flüchtig. - T. und Kolophonium zollfrei. Künstliches T., siehe Petroleum.