Teppiche
,
im weitern
Sinne durch
Weberei,
[* 2] Wirkerei
[* 3] oder
Stickerei hergestellte
Bekleidungen für
Wände (s.
Tapeten), Fußböden,
Tische,
Diwans oder
Betten, im engern, jetzt gewöhnlichen
Sinne derartige
Bekleidungen für Fußböden.
Bei den alten Griechen und
Römern waren die babylonischen Teppiche
berühmt, deren Ornamente
[* 4] in phantastischen Tiergestalten und
figürlichen Scenen bestanden. In
Assyrien,
Babylonien und
Persien
[* 5] sowie im alten
Rom
[* 6] dienten Teppiche
als bewegliche
Wände zur Herstellung
einzelner Gemächer in den weiten Palasträumen; bei Festen und Triumphzügen bildeten sie, von Sklaven
getragen, lange
Straßen.
Bei den vornehmen
Römern, zumal der Kaiserzeit, waren sie auf den Lagerstätten sowie als
Vorhänge die größte Zierde des
Hauses. Es ist streitig, ob diese Teppiche
durch Malerei, oder durch
Stickerei, oder auf beiderlei
Weise hergestellt waren. Von
Rom
aus gingen dieselben in die christl.
Kirche von
Byzanz und des
Abendlandes über, den
Altar
[* 7] an vier
Säulen
[* 8] umhängend oder die
Wände bedeckend, und fanden in der Folge in den
Palästen der frank. Könige und anderer Fürsten
Aufnahme.
In England waren es im Mittelalter besonders die vornehmen Frauen, welche leinene Wandbekleidungen mit
[* 1]
Figuren
bestickten.
Eine neue Blütezeit begann für die Teppichliebhaberei des
Abendlandes durch die infolge der Kreuzzüge
sich verbreitende Bekanntschaft mit der Dekoration der orientalischen Teppiche.
Im orient.
Stil ornamentierte Teppiche
schmückten Fußböden
und Tische in den Prunk- und Wohnzimmern der Vornehmen und
Reichen jener Zeit, namentlich
Venedigs. Neben ihnen hatte sich
aber schon damals eine christl. Art der Teppichverfertigung herausgebildet,
Wollstoffe mit figürlicher Verzierung zu versehen; manches dieser
Art ist noch erhalten, zumal aus dem 14. und 15. Jahrh.
Die Gegenstände sind häufig kirchlicher Art, aber auch den mittelalterlichen Sagen und epischen
Dichtungen entnommen, zum
Teil durch
Spruchbänder erklärt, oder
Darstellungen von Genrescenen (Festen und
Spielen) aus dem vornehmen
Leben.
Ein Hauptsitz dieser
Industrie war Flandern, dessen Fabriken, insbesondere die zu
Arras
[* 9] (s.
Arrazzi), großartige Wandteppiche
mit figurenreichen
Darstellungen für den burgund.
Hof
[* 10] lieferten. Ferner bestellte dort auch der päpstl.
Hof Teppiche
nach den Kartons
von
Raffael (s. d.). Außerordentlich viel arbeiteten die flandr. Fabriken für
den span.
Hof, der noch heute einen enormen Schatz von
Arrazzi im Escorial und im königl. Schloß zu Madrid
[* 11] besitzt; so auch die Wandteppiche
, welche
Karl V. mit
Darstellungen aus seinem Zug
gegen
Tunis
[* 12] nach den Gemälden von
Vermeyen ausführen
ließ. Viele dieser Teppiche
sind zum
Teil mit
Gold- und
Silberfäden ausgeführt, wodurch sie eine prächtige
Wirkung erzielen.
Im 17. Jahrh. waren die
Brüsseler Teppiche
berühmt.
Gleichzeitig erlangte die Fabrik der
Gobelins (s. d.) ihren glänzenden Ruf.
Im 18. Jahrh. wich jedoch die Liebhaberei an diesen kostbaren Geweben immer mehr der Vorliebe
für leichtere Wandbekleidungen, insbesondere für die Ledertapeten (s.
Tapeten) sowie für seidene mit
Blumengewinden und genrehaften Scenen in der Art
Watteaus und
Bouchers verzierte Gewebe.
[* 13] Seitdem sind die Teppiche
als Wandbekleidung
durch die Papiertapeten verdrängt worden. Zu großartigem
Umfang hat sich dagegen im 19. Jahrh. die Fabrikation der
¶
[* 14] ^[Abb. 1. Citrus aurantium (Apfelsine);
a Blüte [* 15] im Durschschnitt, b Frucht im Querschnitt, verkleinert. 2. Ruta graveolens (Raute);
a Blüte, b Frucht, c Same. 3. Rhus toxicodendron (Giftsumach);
a männliche, b weibliche Blüte. 4. Mangifera indica (Mangobaum);
a Blüte, b Frucht, c Steinkern. 5. Guajacum officinale (Guajakbaum);
a Blüte. 6. Swietenia mahagoni (Mahagonibaum);
a Blüte, b Frucht im Durchschnitt. 7. Pistacia vera (echte Pistazie);
a Teil eines männlichen Blütenstandes, b männliche Blüte, c Teil eines weiblichen Blütenstandes, d weibliche Blüte.] ¶
mehr
Fußteppiche
entwickelt, vor allem in England. Wie in der Dekoration der Tapeten herrschte in derjenigen der Teppiche
lange Zeit
der Naturalismus vor. Gewaltige Blumen und Ranken mit roher Färbung, Bäume, zwischen welchen der Himmel
[* 17] hindurchschien, ja
ganze Gärten erfüllten die Fläche, alles in natürlicher Darstellung. Eine andere Manier verfolgten die
Franzosen, indem sie den Teppich gleich dem Plafond als eine architektonisch-plastisch zu verzierende Fläche behandelten, ihn
abteilten, Medaillons, Felder,
[* 16]
Figuren, Ornamente u. s. w. anbrachten. (S.
Muster.) Indes hat neuerdings der Geschmack für orient.
Dekoration von der Teppichindustrie Besitz ergriffen. Smyrnateppiche
, persische, tunesische, indische Teppiche, echt oder imitiert,
sind jetzt sehr bevorzugt. Viele europ. Fabriken,namentlich in England,
Österreich,
[* 18] Holland, Sachsen,
[* 19] sind auf die Fabrikation dieser orientalischen Teppiche
nach Art, Zeichnung und Kolorit eingegangen
und produzieren dieselben zum Teil musterhaft in großartigem Maßstabe. Andererseits finden als Teppiche
für lediglich praktische
Zwecke, d. h. zum Warmhalten oder zur Schonung der Fußböden, die mannigfachsten Fabrikate
ausgedehnte Verwendung.
Die heutigen Teppiche
sind meist Kammgarngewebe und entweder in bestimmten Stücken abgepaßt oder aus langen, an den Webkanten
zusammengenähten und mit einer Bordüre umgebenen Stücken hergestellt. Nach der Arbeitsweise sind sie einfache Gewebe, Doppelgewebe,
Knüpfteppiche und andere sammetartige Gewebe, zu welch letztern auch die Gobelins (s. d.) gezählt werden können.
Zu den einfachen Teppiche gehören die glatt oder köperartig gewebten groben Kuhhaarfußdecken, bei welchen von Hand
[* 20] versponnenes
Kuhhaar als zweidrahtiger Zwirn zu Kette und Einschlag (zu ersterer auch Werggarn) verwendet und durch verschiedene Farbe beider
ein gestreiftes oder karriertes Muster erhalten wird; die Tiroler Teppiche, meist kleingemusterte Gewebe mit leinener
Kette und Einschlag aus Streichgarn oder aus Kuh- oder Ziegenhaaren; die britischen aus feinem Kammgarn, die ein ripsähnliches
Aussehen zeigen, indem ein sehr dicker und ein dünner Einschlagfaden miteinander wechseln. Zu den doppelten Teppiche gehören
die nach der gleichnamigen engl. Stadt benannten Kidderminsterteppiche (s.
Kidderminster) mit zweifädig gezwirnter Kammgarnkette und dickem streichwollenem Einschlag, bei denen
durch Vertauschung der beiden verschiedenfarbigen Gewebe innerhalb der darzustellenden Muster der Erfolg erzielt ist, daß
jedes Gewebe auf der einen Seite die
[* 16]
Figuren, auf der andern den Grund liefert. Noch größere Mannigfaltigkeit der Musterbildung
wird bei den schottischen Teppiche erzielt, die aus drei verschiedenfarbigen einfachen, an den
[* 16]
Figurgrenzen sich durchdringenden Geweben bestehen.
Bei den sammetartigen oder Sammetteppichen ist wie beim Sammet (s. d.) eine Grund- und eine Flor- oder Polkette zu unterscheiden, nur daß hier gewöhnlich noch eine Füllkette hinzukommt. Die Grundkette besteht meist aus starken Leinen- oder Hanffäden, die Polkette aus Kammgarn, die Füllkette aus Werggarn. Bleiben die Noppen der Polfäden unaufgeschnitten, so erhält man die gezogenen oder Brüsseler Teppiche; schneidet man die Noppen auf, so entstehen die Plüsch- oder Veloursteppiche.
Soll der Teppich ein Muster in mehrern Farben bei freier Verteilung derselben (nicht in Längsstreifen) aufweisen, so müssen statt eines Polkettenfadens deren so viele vorhanden sein, als Farben vorkommen, wodurch solche Teppiche mit gewebter Zeichnung kostspielig werden. Weit wohlfeiler und in der Farbenzahl nicht beschränkt, sind die Sammetteppiche mit vorgedruckter Kette, da jeder Polkettenfaden sich mit beliebig vielen Farben bedrucken läßt und ein gleichzeitiges Bedrucken vieler gleichfarbiger Ketten möglich ist. Teppiche solcher Art heißen, je nachdem die Noppen ungeschnitten oder geschnitten sind, Tapestry- oder Tapestry-Velourteppiche.
Über Teppichweberei s. Weberei. Bei der Herstellung der Knüpfteppiche geschieht die Verbindung der aus Kammgarn bestehenden, die [* 16] Figur bildenden Fäden mit dem leinwandartigen Grundgewebe durch Handarbeit derart, daß in der Richtung des Einschlags die [* 16] Figurfäden um die Kettenfäden entsprechend geschlungen und an diese geknüpft werden. Nach jeder Reihe so eingeknüpfter Fadenstücke wird ein über die ganze Warenbreite reichender Schußfaden eingetragen. Die Herstellung der Knüpfteppiche gewährt die größte Freiheit in der Zahl und Anordnung der Farben und in der Höhe des Flors. - Größere Sammlungen älterer Teppiche besitzen das Berliner [* 21] Kunstgewerbemuseum, das Bayrische Nationalmuseum zu München [* 22] sowie die höhere Webschule zu Glauchau. [* 23] -
Vgl. Jul. Lessing, Orient.
Teppichmuster (16 Tafeln in Farbendruck, Berl. 1877); W. Fröhlich, Orientalische Teppiche (14 Farbentafeln, ebd. 1890); Alois Riegl, Altorientalische Teppiche (mit 36 Abbildungen, Lpz. 1891): ders.. Ein orientalischer Teppich vom J. 1202 n. Chr. und die ältesten orientalischen Teppiche (Berl. 1895): W. Bode, Altpers. Knüpfteppiche (ebd. 1892); Orientalische Teppiche (hg. vom k. k. österr. Handelsmuseum, Wien [* 24] 1892 fg.): Teppicherzeugung im Orient (ebd. 1895); K. W. Koch, Die Teppichfabrikation (Würzb. 1895).
Deutsche [* 25] Teppich- und Möbelstoffzeitung (Darmst. 1895 fg.).