Titel
Teplitz.
1) Bezirkshauptmannschaft und Gerichtsbezirk in
Böhmen,
[* 2] hat 197,26 qkm und (1890) 62 877 (30 325 männl., 32 552 weibl.)
meist deutsche E. in 25 Gemeinden mit 60 Ortschaften. - 2) Teplitz
oder
Töplitz, czech.
Teplice
(d. i. Warmbad), Stadt und berühmter
Badeort, in 230 m Höhe, im
Thal
[* 3] der
Biela, an der
Aussig-Teplitzer und der Dux-Bodenbacher Eisenbahn, mit
elektrischer
Straßenbahn nach
Eichwald (8,3 km), ist Sitz der Bezirkshauptmannschaft, eines Bezirksgerichts (197,26 qkm, 62 877 meist
deutsche E.), Hauptzollamtes und Revierbergamtes, hat (1890) 17 526 meist deutsche E. und bildet seit 1895 mit der anstoßenden
Badestadt Schönau (czech. Šanov) eine Stadt mit
Namen Teplitz
-Schönau mit 20 262 E. Die Badegäste
verteilen sich auf Teplitz
mit drei Viertel und Schönau mit einem Viertel.
Die ansehnlichsten Gebäude sind: die Stadtkirche (12. Jahrh., 1700 umgebaut), die evang. Kirche (1864), die Synagoge (1882), das fürstl. Clarysche Schloß (1741) mit Kirche (1568) und schönem Schloßgarten, Vereinigungspunkt der Kurgäste, das Stadttheater, das neue Stadthaus, das Rathaus (1805), das got. Sparkassengebäude, das Gymnasium und die großartigen Gebäude der Volks- und Bürgerschulen, der Handelsschule, der Gewerbe- und Fachschule für Keramik [* 4] und andere Kunstgewerbe.
In der Stadt Teplitz
liegen dicht bei einander das Herrenbad, das Fürstenbad, das Stadtbad mit der Urquelle, Sophienbad
und das palastartige, 1871 im franz.
Stile erbaute Kaiserbad mit dem Kursalon; an Schönau grenzt das
Steinbad, Sandbad und das Stephansbad. In Schönau sind zwei große Badehäuser (Neubad und Schlangenbad). Teplitz
hat
ein israel. Badehospital, Johnsches Civilbadehospital, Bürgerhospital, sächs. und preuß.
Militärbadehäuser; Schönau ein großes
k. k. österr.
Militärbadehaus. Auf dem
Berge südlich vom Kurgarten der Königshöhe (264 m) liegt das Schießhaus,
weiter oben die Schlackenburg, ein burgartiges
Gebäude; in der Nähe seit 1841 das
Denkmal
Friedrich Wilhelms III. Im Schloßgarten
sind zwei sehr alte
Türme, der Sage nach Reste von Kolostujs
Burg, im Kurgarten das 1862 zur 1100jährigen Jubiläumsfeier
der Quellenauffindung errichtete Quellnixendenkmal. Promenaden bieten ferner der Kurgarten, der Seume-Park,
die Payer-Anlagen, die Humboldts-Anlagen, der Kaiserpark, die Schlangenbad- und Neubadanlagen und
-Alleen,
der Mecséry-Weg,
die Königshöhe, die Stephanshöhe, der etwas entferntere Schloßberg (392 m) mit Ruine und einem burgartigen Schloß des
Fürsten Clary bis auf den Rittersaal abgebrannt), der
Park zu
Turn u. s. w. In Teplitz
besteht
ein Kommunal-Real- und Obergymnasium und eine Fachschule für Thonindustrie.
Die Industrie erstreckt sich auf Baumwollweberei,
Färberei und Druckerei, Fabriken für Kartonnagen,
Glas
[* 5] (Hohlglas),
Maschinen,
Bijouterie-,
Posamentier- und Gummiwaren, chem.
Produkte,
Strumpfwaren, Web- und Wirkwaren, Siderolithwaren und Zucker,
[* 6] ferner Maschinenwerkstätten,
Walzwerk,
[* 7] Fabrik für
Wasserleitungsanlagen und eine Kunstmühle.
Die
Thermen von Teplitz
-Schönau sind chemisch gleich und nur in der
Temperatur verschieden. Die höchste
Temperatur hat die
unmittelbar am Stadtbad gelegene
Quelle
[* 8] (+47° C.). Die Badehäuser des untern
Teils von Teplitz
und in Schönau haben selbständige
mittelwarme
Quellen (+33 bis 44° C.), die kühlern
Quellen haben eine
Temperatur von 28° C. Durch ihre
ziemlich gleiche chem. Beschaffenheit sowohl wie durch ihre Wirkungen stellen sich die Teplitzer
Thermalquellen zu den chemisch indifferenten
Thermen mit wenig festen
Bestandteilen, mit vorwiegendem Gehalt an kohlensaurem
Natrium.
Sie besitzen überdies einen großen Reichtum an Kohlensäure und Stickgas. Diese durch den Temperaturgrad der Quellen, ihre Wärme- und elektrischen Strömungen modifizierten Einflüsse auf den Organismus, die Haut, [* 9] das Gefäß- und Nervensystem sind besonders bei gichtischen und rheumatischen Leiden, [* 10] bei Lähmungen, Neuralgien (Ischias), Neurasthenie, skrofulösen Übeln, chronischen Hautausschlägen, schweren Verletzungen und Knochenbrüchen mit ihren Folgekrankheiten, Nachkrankheiten aus Wunden («Bad [* 11] der Krieger»),
Syphilis und einigen Formen von Augen- und Gehörleiden von großem Nutzen. Die früher sehr viel, dann gar nicht, gegenwärtig aber wieder mehr und mit großem Erfolge angewendete Trinkkur gilt als wertvolles Unterstützungsmittel der Badekur. Weitere Kurmittel sind Moorbäder, Douchen, Massage, Elektricität, fremde Mineralwässer mit besonderer Trinkhalle, Milch und Molke. Die Zahl der Kurgäste betrug 1768: 269, 1872: 10 196, 1880: 10 116 und 22 168 Passanten, 1887: 7351 Kurgäste und 19 224 Passanten, 1894: 5545 Kurgäste und 22 998 Passanten.
Die Heilquellen sollen der Sage nach 29. Aug. 762 durch eine Herde Schweine
[* 12] des Ritters Kolostuj, welche in der Erde wühlten,
entdeckt worden sein, waren aber wohl schon viel früher bekannt. Bedeutsame
Tage für Teplitz
waren das
Erdbeben
[* 13] von Lissabon
[* 14] indem die Hauptquelle einige Minuten ausblieb und der als das Thermalwasser infolge des
drei
Tage zuvor in dem Kohlenschacht
«Döllinger» bei Ossegg stattgefundenen Wassereinbruchs in dem Teplitzer
Quellenraum zu sinken begann, um bald auf kurze Zeit ganz zu verschwinden.
Infolge der 22. Febr. begonnenen erfolgreichen Nachgrabungen konnten die Quellen im Mai wieder benutzt werden. Es wurde nunmehr ein viel umfangreicherer Schutzrayon um Teplitz gezogen als früher, innerhalb dessen kein Bergbau [* 15] getrieben werden darf. In alten Urkunden erscheint Teplitz auch als Toplic, später Töplic, wie auch die Schreibart Töplitz bis ins 19. Jahrh. allgemein gebräuchlich war. Teplitz war früher im Besitz des Grafen Kinsky, der 1634 mit Wallenstein ermordet wurde, kam dann ¶
mehr
an den Feldmarschall Aldringer und nach dessen Tode an die Familie Clary und Aldringen. - In Teplitz schossen die drei Monarchen von Rußland, Preußen [* 17] und Österreich [* 18] den Allianztraktat gegen Napoleon. Auch später (1835, 1849, 1860) fanden öfter Monarchenzusammenkünfte in Teplitz statt.
Vgl. Sonnenschein, Neue chem. Analyse der Heilquellen zu Teplitz (Teplitz 1876);
Seiche, Der innere Gebrauch der Urquelle zu Teplitz (ebd. 1876);
Labat, Studien über den Kurort Teplitz und seine Thermen (ebd. 1876);
Hirsch, [* 19] Teplitz-Schönau, sein Einfluß bei Hautkrankheiten [* 20] und den späteren Formen von Syphilis (2. Aufl. 1876);
Delhaes, Die Thermen- und Moorbäder zu Teplitz-Schönau (3. Aufl., Prag [* 21] 1878);
ders., Der Badeort Teplitz-Schönau in Böhmen (3. Aufl., hg. von Baumeister, Prag und Teplitz 1886);
Heller, Teplitz-Schönau vorwiegend medizinisch abgehandelt (Teplitz 1880);
Samuely, Der Kurort Teplitz-Schönau in Böhmen (Wien [* 22] 1885);
Gerold, Studien über die Bäder zu in Böhmen (ebd. 1886);
Langstein, Die Neurasthenie und ihre Behandlung in Teplitz-Schönau (ebd. 1886);
Eberle, Teplitz gegen Ischias (Prag und Teplitz 1886);
Kraus, Die Thermen von Teplitz-Schönau in ihrem Verhalten zu mehreren Krankheitsformen der Gelenke (Teplitz 1886);
Hallwich, Töplitz, eine deutsch-böhm. Stadtgeschichte (Lpz. 1886);
Gerold und Kuntze, Die Teplitzer Stadtquelle im abgekühlten Zustande (Halle [* 23] 1888);
Teplitz-Schönau mit Umgebungen (in «Griebens Reisebücher», 10. Aufl., Berl. 1896).