Tène
(La) (Kt. und Bez. Neuenburg).
433 m. Berühmte prähistorische Siedelung bei
Marin am untern Ende des
Neuenburgersees, zwischen
der Bucht von
Préfargier, dem Ausfluss der kanalisierten
Thièle
(Zihl) und dem
Bois d'Épagnier. Diese
Lage an der Stelle, wo
Neuenburger-,
Murten- und
Bielersee miteinander in Verbindung stehen, eignete sich vorzüglich zu einer
Ansiedelung. In der Tat findet man w. der heute auf festem Land liegenden Station La Tène
Spuren des bronzezeitlichen Menschen,
sowie vor
Préfargier Reste neolithischer Niederlassungen.
Als
Oberst Schwab aus
Biel im Jahr 1856 diese Gegend, die durch die zahlreichen im
See stehenden Pfähle besonders reichhaltig
zu sein versprach, zu erforschen begann, musste er die Fundgegenstände mit Handbagger und Zange 60-80 cm tief aus dem
Wasser
heraufholen. Die Nachforschungen, an denen sich auch Ed. Desor und A. Dardel-Thorens lebhaft mitbeteiligten,
wurden während etwa 10 Jahren zu wiederholten Malen fortgesetzt und förderten wahre Schätze zu tage. (La Tène
bedeutet
im ehemaligen Dialekt der Gegend s. v. a. «Untiefe»).
Die Fundgegenstände - etwa 1 m lange Schwerter, Lanzen- und Speerspitzen, sowie Fibeln (Sicherheitsnadeln) -
bestanden alle aus
Eisen und zeigten eine von derjenigen der Bronzezeit derart abweichende Technik, dass man sofort einsah,
es könne sich hier nur um eine neue Menschenrasse handeln (vergl. die Berichte von
Ferd. Keller in den Mitteilungen der Antiquar.
Gesellschaft in Zürich.
Bd 12-14 und besonders 15, S. 293307). Eine Vergleichung dieser Funde mit denjenigen,
die die von
Napoleon III. angeordneten Nachgrabungen in Alise
Sainte Reine, dem einstigen Alesia des Vercingetorix, geliefert
hatten, führte alle mit der Frage sich beschäftigenden Gelehrten bald zum
Schluss, dass La Tène
eine gallische Station
sein müsse.
Man kam dann überein, mit dem Namen der «La Tène
Periode»
die jüngere Eisenzeit zu bezeichnen, d. h. diejenige «gallische» Periode,
welche auf die Hallstattperiode (ältere Eisenzeit) folgte und der Römerherrschaft unmittelbar voranging (400 v. Chr. bis 50 n. Chr.).
Man teilt diese Periode wieder in eine Früh-La Tènezeit
(400-200 v. Chr.), eine Mittel-La Tènezeit (200-50 v. Chr.) und
eine bis 50 n. Chr. reichende und mit den Anfängen der Römerzeit zusammenfallende Spät-La Tènezeit
ein.
Die Station La Tène
selbst gehört dem mittlern dieser Zeitabschnitte an. Die Arbeiten der Juragewässerkorrektion (1874-1881)
legten den
Spiegel des
Neuenburgersees beträchtlich tiefer, so dass die Mehrzahl der Pfahlbaustationen und damit auch La Tène
trocken zu liegen kamen. Da unternahmen es der Lehrer Emil Vouga in
Marin und der Museumsabwart
Borel in
Neuenburg
zu Beginn der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts, die Nachgrabungen von Schwab und Desor fortzusetzen und die unter mächtigen
Kiesmassen begrabene Ansiedelung blosszulegen.
Nach mehrjähriger geduldiger Arbeit gelang deren Auffindung. Sie lag auf einer Kiesinsel in einem einst hier durchgehenden Arm der Zihl und zeigte neben einer 4-5 m breiten Brücke die Ueberreste von mehreren Wohnstätten mit zahlreichen Gegenständen von höchstem Interesse. Hervorzuheben sind neben einer grossen Anzahl von Schwertern, Lanzen und Fibeln die Hälfte eines goldenen Halsbandes, eine bronzene Nadelbüchse mit einer darin befindlichen Eisennadel, ein vollständiges Wagenrad, Wagenbeschläge, ¶
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Pferdetrensen, verschiedenes Werkzeug und etwa 50 gallische Münzen (wovon 3 in Gold), die die Altersbestimmung der Ansiedelung ermöglichten (vergl. Vouga, E. Les Helvètes à la Tène. Neuchâtel 1885). Die Menge von Waffen aller Art, die sich in La Tène vorfanden, hat zu der Annahme Veranlassung gegeben, dass die Siedelung ein befestigter Platz gewesen sei, erbaut als Grenzwache und zum Schutz der Strasse, die von Helvetien durch den Jura nach dem östl. Gallien führte (vergl. Dr. Gross: La Tène, un oppidum helvète. Paris 1886). Das seltene Vorkommen von Geräten und besonders von Frauenschmuck scheint diese Hypothese zu bestätigen, wenn auch mehrere Gelehrte die Station La Tène wegen der zahlreichen Funde von vollkommen neuen Schwertern, die oft noch in der Scheide staken, als eine umfangreiche Waffenniederlage ansprechen.
Von 1885 an ruhten die Arbeiten bis 1907. Die zur Zeit von der Gemeinde Neuenburg veranstalteten und vom Bund subventionierten Nachgrabungen, sollen diese wichtige Frage lösen und die Rolle aufklären, die die in der ganzen Welt bekannte prähistorische Station gespielt hat. Die im März 1907 begonnenen Grabungen haben bis jetzt schon mehrere interessante Gegenstände zu tage gefördert, worunter drei Messer von ungewöhnlicher Gestalt, einen Hakenspiess von 60 cm Länge, mehrere Hohlmeissel von verschiedener Grösse und ein noch unbestimmtes Instrument mit Horngriff, das 25 cm lang ist und ganz einem kleinen Hammer heutiger Form gleicht. Es wäre aber verfrüht, jetzt schon bestimmte Schlüsse ziehen zu wollen, da man bisher kaum 1/6 des zu erforschenden Platzes blossgelegt hat. Die in La Tène gemachten Funde sind hauptsächlich in den Museen von Neuenburg, Biel und Bern, sowie im schweizerischen Landesmuseum zu Zürich niedergelegt. Vergl. Heierli, Jak. Urgeschichte der Schweiz Zürich 1901. - Wavre, W., et P. Vouga. La Tène; reprise des fouilles. 1er Rapport de 1907 (im Musée neuchâtelois. Mars/Avril 1908). - Wavre, W. La Tène (in der Patrie Suisse. 1908, Nr 385).