Tempelherren
oder Tempelbrüder, auch Templer (Templarii), geistlicher Ritterorden, der, wie die Orden [* 2] der Johanniter und der Deutschen Ritter, seinen Ursprung den Kreuzzügen verdankte. Einige Waffengefährten Gottfrieds von Bouillon, Hugo von Payens und Gottfried von Saint-Omor, traten 1118 mit sieben andern franz. Rittern in eine Gesellschaft zusammen, um die nach den heiligen Orten wallfahrtenden Pilger vor den Anfällen der Sarazenen zu schützen. Der Bund legte vor dem Patriarchen von Jerusalem [* 3] das Gelübde der Keuschheit, des Gehorsams und der Armut ab. In den ersten Jahren lebten die Brüder äußerst dürftig.
König Balduin II. von Jerusalem räumte ihnen einen Teil seines Palastes ein, der auf der Stelle des Salomonischen Tempels erbaut sein sollte und dicht neben der Kirche des Heiligen Grabes lag. Daher nannten sich fortan die Ordensglieder Templer, und auch ihre Ordenshäuser, z. B. in Paris, [* 4] erhielten den Namen «Tempel». [* 5] Papst Honorius II. bestätigte den Orden 1127 auf dem Konzil zu Troyes und verlieh ihm die ersten Statuten. Der Zweck des Ordens wurde dabei erweitert, indem die Templer unter kanonischer Disciplin und mönchischer Ascese ihr Leben im Kampfe gegen die Ungläubigen zur Bewahrung des Heiligen Grabes hinbringen sollten.
Bald erhielten die Ritter (im J. 1160 waren ihrer schon 300) für ihren Dienst die ansehnlichsten Geschenke und Vermächtnisse in Europa [* 6] wie in Palästina. [* 7] Ihre großen Privilegien bestätigte und vermehrte 1172 Alexander III. Von jeder andern Gewalt unabhängig, standen sie unmittelbar unter dem Papst und waren befreit von allen Zehnten, Zöllen und Abgaben. Die Zucht des Ordens ward infolge des zunehmenden Reichtums und Wohllebens bald erschüttert, und schon seit dem Anfang des 13. Jahrh. wurde er selbst von Päpsten ketzerischer Neigungen beschuldigt. Um die Mitte des 13. Jahrh. stand der Orden in höchster Blüte [* 8] und besaß nahezu 9000 Komtureien, zahllose Güter und reiche Einkünfte.
Viele angesehene Leute beiderlei Geschlechts pflegten als Assiliierte, Donaten und Oblaten in ein Verhältnis mit dem Orden zu treten, wodurch dieser in allen Kreisen des bürgerlichen Lebens Einfluß gewann. Ein Noviziat hielten die Templer nicht. Oberhaupt des Ordens war der Großmeister, der fürstl. Rang besaß. Ihm folgten die Großprioren, die die Provinzen regierten. Die höchste Gewalt lag in dem aus den Ordensobern und einigen berufenen Rittern zusammengesetzten Generalkapitel, dessen Stelle jedoch in gewöhnlichen Fällen und Zeiten das Kapitel zu Jerusalem einnahm. ¶
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Überdies verhandelte jedes große Ordenshaus seine Angelegenheit in einem eigenen Kapitel. Alle Ordensglieder trugen als Zeichen der Keuschheit einen hänfenen Gürtel. [* 10] Die Geistlichen führten weiße, die Servienten dagegen schwarze oder graue Kleidung. Die Ritter trugen über ihrer Rüstung [* 11] einen weißen Mantel, der auf der linken Seite mit einem achtspitzigen roten Kreuze geziert war.
Trotz der Tapferkeit der Ritterorden haben ihr Stolz und ihre Unbotmäßigkeit, vorzüglich die bis zu offenem Kampf gesteigerte Eifersucht zwischen den Templern und Johannitern, viel zum Verlust des Heiligen Landes beigetragen. Als die christl. Herrschaft in Syrien 1291 zu Grunde ging, wandte sich der Großmeister der Templer nach der Insel Cypern, [* 12] wo er sich zu Limisso niederließ. Die meisten und umfangreichsten Besitzungen aber hatten sie in Frankreich, und diese reizten die Habsucht König Philipps IV. (s. d.). Zum Gehorsam gegen den Papst verpflichtet, hatten sie gegen ihn zu Bonifacius VIII. gehalten.
Als in Clemens V. ein vom König ganz abhängiger Papst erhoben war, beschloß Philipp ihren Untergang. Der Papst lud die Großmeister der Templer und Johanniter nach Frankreich, um über einen neuen Kreuzzug zu beraten, aber nur der Templer Jakob von Molay (s. d.) kam. Am ließ der König sämtliche Templer in Frankreich des Götzendienstes (Verehrung des Baphomets, s. d.), der Verleugnung Christi und unnatürlicher Ausschweifungen beschuldigen, sie auf einmal einziehen und ihnen mittels der Folter Geständnisse erpressen.
Clemens V. versuchte vergeblich Widerstand; er setzte eine Untersuchungskommission ein und gebot eine Untersuchung gegen die Templer in allen Ländern. Da die Kommission nicht rasch genug vorwärts kam, ließ der Erzbischof von Sens mit seinem Provinzialkonzil 54 Templer, die ihre Aussagen widerrufen hatten, als rückfällige Ketzer verbrennen. Clemens V., gedrängt und bedroht vom König, sprach in einem geheimen Konsistorium die Aufhebung des Ordens aus und verkündigte sie 3. April im Konzil zu Vienne sowie durch eine Bulle vom Der Großmeister Molay hatte sich zu einem Geständnis bewegen lassen und sollte es öffentlich in Paris bestätigen; anstatt dessen beteuerte er laut die Unschuld des Ordens und ebenso der Großpräceptor der Normandie, worauf sie der König verbrennen ließ. Die Ordensgüter kamen zum Teil an die Johanniter; viele Güter, namentlich in Frankreich, behielten die Fürsten. In Portugal [* 13] wurde der Orden 1319 in den noch bestehenden Christusorden (s. d.) verwandelt. Von den Templern selbst, deren Anzahl sich im Beginn des Prozesses auf 20000 belaufen haben soll, wurden einige lebenslänglich im Gefängnis oder in Klöstern verpflegt; viele traten in den Johanniterorden; andere kehrten in die Welt zurück.
Im 18. Jahrh. bemühten sich die Jesuiten, in die Freimaurerei manche angeblich dem Templerwesen entlehnte Spielereien und Gaukeleien einzuführen, um so den Bund im kath.-hierarchischen Sinne zu leiten. Das Jesuitenkollegium Clermont in Paris ward der Sitz dieses Systems, das allmählich in die Logen aller Länder eindrang. (S. Freimaurerei.) Der neue Templerorden in Frankreich hat sein Dasein der jesuitischen Freimaurerloge von Clermont zu verdanken. Im Nov. 1751 verließ eine Menge vornehmer Mitglieder die Loge, um den Orden der alten Templer in Wahrheit fortzusetzen.
Die Bewahrung des ritterlichen Geistes und das Bekenntnis eines aufgeklärten, in der Zeitphilosophie wurzelnden Deïsmus waren die Hauptpunkte des neuen Bundes. Während der Revolution ging der Orden als Adelsbund auseinander. Erst in den letzten Jahren der Direktorialregierung sammelten sich die Trümmer wieder. Indessen zerrütteten die lächerlichsten Streitigkeiten den Orden; die Heermeister von Asien, [* 14] Afrika [* 15] und Amerika [* 16] empörten sich, bis endlich 1811 ein neues Statutenbuch zu stande kam.
Die aufgeklärten Tendenzen machten den Orden unter der Restauration sehr verdächtig, so daß der Großmeister, ein Arzt Fabré de Palaprat, auf Betrieb der Jesuiten mehrmals eingezogen wurde. Nach der Julirevolution von 1830 wagte der Orden wieder die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Auch der Abbé Châtel (s. d.) wirkte in dem Orden, wurde aber ausgestoßen. Am fand zu Paris die Einweihung eines neuen Tempelhauses statt, wobei auch ein templerischer Damenbund auftrat. Der Orden versprach die Veröffentlichung von Beweisstücken, die seinen ununterbrochenen Zusammenhang mit den alten Templern darthun sollten, hat aber keine beigebracht.
Vgl. Moldenhawer, Prozeß gegen den Orden der Tempelherren.
Aus den Originalakten der päpstl.
Kommission in Frankreich (Hamb. 1792);
Munter,
Statutenbuch des Ordens der Tempelherren
(Tl. 1, Berl. 1794);
Wilcke, Geschichte des Tempelherr
enordens (2. Aufl., 2 Bde.,
Halle
[* 17] 1860);
Michelet, Procès des Templiers (2 Bde., Par. 1811-51);
Soldan, über den Prozeß der Tempelherren
(im «Histor. Tafchenbuch»,
1845);
Havemann, Geschichte des Ausgangs des Tempelherr
enordens (Stuttg. 1816);
Merzdorf, Geheimstatuten des Ordens der Tempelherren
(Halle
1877);
Prutz, Geheimlehre und Geheimstatuten der Tempelherren
(Berl. 1879);
ders., Kulturgeschichte der Kreuzzüge (ebd. 1883);
ders.,
Entwicklung und Untergang des Tempelherren
ordens (ebd. 1888);
ders., Kritische Bemerkungen zum Prozeß des Templerordens (in der «Deutschen Zeitschrift für Geschichtswissenschaft», Bd. 11, Freib. i. Br. 1894);
K. Schottmüller, Der Untergang des Templerordens (2 Bde., Berl. 1887);
Gmelin, Schuld oder Unschuld des Templerordens (Stuttg. 1893).