Tell
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Tell
Tell,
Wilhelm, die volkstümlichste Gestalt der schweiz.
Heldensage, war der Überlieferung nach ein als Armbrustschütze
und kühner Schiffer weit berühmter Landmann aus
Bürglen (Uri),
der von dem Vogte
Gehler gefangen gesetzt wurde,
weil er dem
Hute,
den dieser zu
Altdorf als Zeichen der österr. Herrschaft aufgepflanzt hatte, die anbefohlene
Reverenz
nicht bewies. Um das verwirkte Leben zu lösen, sollte er vom Haupte seines eigenen
Sohnes einen
Apfel schießen. Tell
wagte
den Schuß und traf glücklich; aber
weil er einen zweiten Pfeil aus dem
Köcher genommen hatte, um damit, im Fall er sein
Kind getroffen hätte, den Vogt zu töten, sollte er auf dessen
Befehl in die
Burg
Küßnacht übergeführt
werden. Auf der Fahrt über den Vierwaldstätter See gelang es ihm jedoch während eines
Sturmes, sich am
Axenberg (Tell
splatte)
durch einen kühnen
Sprung ans Land zu retten, worauf er sich auf Schleichwegen nach
Küßnacht begab und dort durch einen
Pfeilschuß aus einem Hinterhalt in der
Hohlen Gasse den heimkehrenden Landvogt tötete und dadurch der
Befreiung der Waldstätte
den Weg bahnte. 1315
soll er nach der Vermutung späterer Gelehrten an der
Schlacht am Morgarten teilgenommen und bei der Rettung
eines
Kindes aus dem angeschwollenen Schächenbach den
Tod gefunden haben. 1895 wurde in
Altdorf ein
Denkmal
T.s (von Kißling) enthüllt.
Als
Wahrzeichen T.s gelten die drei
Tellskapellen (in
Bürglen, zu
Küßnacht an der
Hohlen Gasse, auf der Tell
splatte) und der
Tell
enturm und
-Brunnen in
Altdorf; indessen reichen namentlich die
Tellskapellen, die am ehesten Beweiskraft hätten, nicht
über das 16. Jahrh, zurück. Manches, was mit der Überlieferung von Tell
zusammenhängt, namentlich
die Existenz eines Vogtes Geßler, ist urkundlich erschüttert worden. Wir finden die früher nicht namentlich aufgeführte
Sage zum erstenmal aufgezeichnet im sog.
Weißen
Buch des
Archivs von Obwalden
(um 1470) und
der
Chronik des Melchior
Ruß (1482) sowie
in einem etwa gleichzeitigen
Volkslied («Tell
enlied»),
wenn auch noch in rohen, unvollkommenen, zum Teil voneinander abweichenden und sich widersprechenden Umrissen. Im 16. Jahrh. bringen dann Tschudi und andere, aus denen Schiller
geschöpft hat, jene sichtlich ausgeschmückte
Darstellung, welche später die herrschende geworden ist. Auf die Entstehung
der Tellsage
ist vielleicht ein altgerman.
Mythus von Einfluß gewesen. So erzählt der dän.
Chronist
Saxo Grammaticus von einem Schützen Toko,
den der Dänenkönig Harald Blauzahn zu gleichem Schusse gezwungen und dessen Pfeil
später Harald erlegt habe. Die
Isländer legen den Pfeilschuß unter denselben Umständen verschiedenen Männern bei, wie
z. B. Eigil, dem
Bruder
Wielands des Schmieds. Desgleichen ein
Volkslied des nördl. Englands von William
of Cloudeslay. Auch in Holstein, am Oberrhein, in
Norwegen
[* 3] an verschiedenen Orten hat sich diese Wandersage eingebürgert.
Züge dieser alten Sagen können auf einen wirklichen
Helden der Befreiungskämpfe des 13. Jahrh. übertragen worden sein.
Vgl.
Ideler, Die Sage vom Schusse des Tell
(Berl. 1836);
Häusser, Die Sage vom Tell
(Heidelb. 1840);
Hisely,
Recheres critiques sur l'histoire de
Guillaume Tell
(Lausanne
[* 4] 1843);
Huber, Die Waldstätte Uri, Schwyz und Unterwalden bis zur festen Begründung ihrer Eidgenossenschaft.
Mit einem
Anhang über die geschichtliche Bedeutung des Wilhelm Tell
(Innsbr. 1861); H. von
Liebenau, Die Tellsage
zu dem Jahr 1230
(Aarau
[* 5] 1864); Vischer, Die Sage von der
Befreiung der Waldstätte
nach ihrer allmählichen Ausbildung. Nebst Beilage: Das älteste Tellenschauspiel (Lpz. 1867);
Nochholz, Tell und Geßler in Sage und Geschichte (Heilbr. 1877);
Meyer von Knonau, Die Sage von der Befreiung der Waldstätte (Bas. 1873);
Gisler, Die Tellfrage.