Titel
Telephōn
(grch.), Fernsprecher, Apparat zur Übermittelung von Tönen oder Worten auf weite Entfernungen; die Telephon gehören zu den Akustischen Telegraphen (s. d.), wenn es sich bei ihnen um die Fortleitung des Schalls in einem Schallleiter handelt, dagegen zu den Elektrischen Telegraphen (s. d.), wenn die an dem einen Orte vorhandenen tönenden Schwingungen zur Veränderung oder zur Erzeugung von elektrischen Strömen verwendet und durch letztere dann an einem andern Orte neue tönende Schwingungen hervorgebracht werden, welche jenen am ersten Orte gleichen.
Ⅰ. Akustische Telephon. Nachdem schon mehrere Jahrzehnte vorher unter der Benennung Telephon einige akustisch-telegr. Vorrichtungen in Vorschlag gebracht worden waren, stellte Weinhold 1870 sein Bindfadentelephon, aus zwei Resonanzböden oder Membranen her, welche durch einen straff gespannten Bindfaden oder einen Eisendraht miteinander verbunden sind; man konnte ganz leises Klopfen auf 600 m, auch die Sprache mehrere hundert Meter weit deutlich übertragen. Auch in dem 1886 von der Stanhope Company in London gelieferten Byng-Telephon vermittelte das Geben und Hören eine Holzplatte. Bei Shavers Telephon, dessen Patentrechte die Consolidated Telephone Company of New York erwarb, war sogar die Möglichkeit der Verbindung verschiedener Leitungen in einer Centralstelle beschafft.
Ⅱ. Elektrische Telephon. Das erste elektrische Telephon wurde von Philipp Reis (s. d.) wahrscheinlich 1860 erfunden, aber erst 1861 beschrieben; doch soll sich Meucci schon früher um die Herstellung eines elektrischen Telephon bemüht haben, nachdem er 1849 in Habana ein akustisches Telephon hergestellt hatte. Bei dem Telephon von Reis wurde durch eine Membran, gegen welche gesprochen oder gesungen wurde, der Strom einer galvanischen Batterie in rascher Folge abwechselnd geschlossen und unterbrochen; an der Empfangsstelle aber durchlief der Strom eine Drahtspule und versetzte den in letztere eingelegten dünnen Eisenkern in tönende Längsschwingungen, deren Tonhöhe von dem Tempo der Stromschließungen, also von der diese bewirkenden schwingenden Membran abhängig war.
Verbesserungen dieses Telephon, welche bereits 1863 Legat vorschlug, näherten seine Einrichtung den die gesprochenen Worte ganz deutlich wiedergebenden neuern Telephon, welche sich in Magnettelephone und Batterietelephone einteilen lassen, je nachdem ihre Wirkung auf der Verwendung eines Stahlmagnets oder eines Batteriestromes beruht. Das wichtigste Magnettelephon ist das Telephon von Alex. Graham Bell in Boston (s. Tafel: Telephon und Telephonanlagen, [* 1] Fig. 1 und 2), welches sich 1877 auch in Europa rasch verbreitete.
Das Bellsche Telephon ist Empfänger und Sender in Einem und trägt zugleich auch die Elektricitätsquelle in sich. Spricht man in das Mundstück V hinein, so wird die hinter demselben liegende Eisenplatte p in Schwingungen versetzt, die den durch das Sprechen entstandenen Luftschwingungen konform sind. Da der Eisenkern a an einem in dem Holzrohr C eingelegten Stahlmagnete o anliegt, so ist in ihm Magnetismus induziert, welcher durch die Vibrationen der Eisenplatte abwechselnd verstärkt und geschwächt wird; dabei werden in der über den Eisenkern a gesteckten Spule b Induktionsströme erregt und durchlaufen über die Klemmschrauben K₁ und K₂ die Leitung L₁, L₂, sowie die Spule eines zweiten in den Stromkreis L₁, L₂ eingeschalteten, ganz ebenso eingerichteten Telephon, das man aber als Empfänger benutzt, indem man es mit seinem Mundstück V ans Ohr legt; die Ströme verstärken und schwächen im Empfänger die vom
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Stabmagnet o auf die Platte p ausgeübte Anziehung in rascher, regelmäßiger Folge, die Platte des Empfängers gerät daher in ebensolche Schwingungen wie die im Sender, und das Ohr vernimmt diese Schwingungen als Töne oder Worte. Mittels der Stellschraube d läßt sich die Entfernung des Magnets S N von der Platte p regulieren. Die Empfindlichkeit dieses Telephon ist eine ganz überraschende und macht es auch als feinen Meßapparat brauchbar. Mit zwei solchen Telephon konnte man sich 1877 auf einer von Leipzig nach Dresden reichenden Telegraphenlinie (167 km) verständigen; in neuester Zeit spricht man auf weit größere Entfernungen, wobei als Geber das Mikrophon dient (Doppelleitungen aus Kupfer, 2500 km). Das 1878 für Siemens & Halske in Berlin patentierte Telephon mit Hufeisenmagnet zeigt [* ] Fig. 4; die wirksamen Teile dieses Telephon sind aus der umschließenden Blechröhre herausgenommen; der Magnet m läßt sich samt den Drahtspulen, welche die auf seinen Polen sitzenden Polschuhe umgeben, mittels einer in seinen Bug eingreifenden Schraube der Platte mehr oder weniger nähern. Der Bügel B dient zum Aufhängen des Apparats. Leichter und handlicher war schon das Adersche Telephon [* ] (Fig. 7), dessen Magnet kreisrund gebogen ist und auf seinen Polen ebenfalls zwei Spulen trägt. Auch durch die Wahl der Dosenform hat man befonders leichte und bequeme Telephon herzustellen vermocht; in diesen Dosentelephonen [* ] (Fig. 3) ist der Magnet kreisbogenförmig und wendet seine umgebogenen, die Drahtrollen tragenden Enden der Sprechplatte zu. In Deutschland traten an Stelle jener schweren Telephon leichte stabförmige Telephon [* ] (Fig. 8), entweder mit Stabmagnet (wie in [* ] Fig. 1) oder ebenfalls mit Hufeisenmagnet, vorwiegend die nach ihrer Form sog. Löffeltelephone [* ] (Fig. 9), welche teils, wie in [* ] Fig. 9, am Telephon, teils, wie in [* ] Fig. 11 (neueres Telephon mit Hufeisenmagnet der deutschen Verwaltung), am Buge des Magneten mit einer Öse zum Aufhängen versehen sind.
Bei den mit Batterieströmen arbeitenden Telephon werden durch die Schwingungen der Telephonplatte teils abwechselnde Schließungen und Unterbrechungen, teils Schwächungen und Verstärkungen des Stroms hervorgebracht. Jetzt wird bei denselben als Geber vorwiegend ein Mikrophon (s. d.) benutzt.
Mit Bitelephon bezeichnet man zwei durch eine (nach Befinden magnetisierte) stählerne Feder miteinander verbundene, sehr kleine und leichte Telephon; von Mercadier 1891 für physik. Versuche hergestellt, eignet es sich auch gut zur Benutzung in Telephonsprechstellen. Diese Telephon sind sehr leicht (50 g); man kann sie mittels geeigneter Hülsen in die Ohren stecken und behält so beide Hände frei, um z. B. das Gehörte sofort niederzuschreiben.
Über die praktische Verwendung des s. Telephonanlagen und Telephonverkehr.
Litteratur. Reis, Das Telephon und sein Anrufapparat (Mainz 1878);
Grawinkel, Lehrbuch der Telephonie und Mikrophonie (Berl. 1884);
Wietlisbach, Die Technik des Fernsprechwesens (Wien 1886);
Schormaier und Baumann, Telegraph und in Bayern (3. Aufl., Münch. 1893);
Haßler, Die Staatstelephonie in Württemberg (2. Aufl., Stuttg. 1897);
Mourlon, Les téléphones usuels (2. Aufl., Brüss. und Par. 1887);
Mix und Genest, Anleitung zum Bau elektrischer Haustelearaphen, Telephon- und Blitzableiteranlagen (2. Aufl., Berl. 1891);
W. E. Fein, Elektrische Apparate, Maschinen und Einrichtungen (Stuttg. 1888);
E. Buels, Téléphonie
et télégraphie simultanées (Brüss. 1885);
Prescott, Bell's electric speaking Telephone (Neuyork 1884);
Baur, Die Entwicklung der Fernsprechkunst (Bas. 1887);
Brault, Histoire de la téléphonie (3. Aufl., Par. 1890);
Ducret, L'exploitation des téléphones (ebd. 1888);
Maier und Preece, Das Telephon (Stuttg. 1889);
Meili, Das Telephonrecht (Lpz. 1885);
Sack, Der Telephonbetrieb mit Klappschränken mit Vielfachumschalter (Berl. 1894);
Canter, Die Technik des Fernsprechwesens in der deutschen Reichs-Post- und Telegraphenverwaltung (2. Aufl., Bresl. 1896);
Bennett, The telephone systems of the continent of Europe (Lond. 1895).